1. Das neue Musk-Have
Jetzt hat Elon Musk doch noch Twitter übernommen und erst mal die Chefetage feuern lassen (hier mehr). Und wieder ist viel von Mastodon zu lesen und zu hören. Nein, das ist keine neue Coronavariante. Die trägt den Spitznamen Cerberus, der Höllenhund, sie ist ein Sprössling der Omikron-Familie, wird bei der Weltgesundheitsorganisation fantasielos als BQ.1.1 geführt – und breitet sich rasant aus. Das Robert Koch-Institut verzeichnet einen deutlichen Anstieg der Infektionen, die europäische Seuchenschutzbehörde ECDC warnt, der Erreger könnte die Zahlen wieder steigen lassen (hier mehr).
Mastodon ist hingegen eine werbe- und kostenfreie Alternative zu Twitter, entwickelt von einem Programmierer aus Jena, der mittlerweile in Berlin lebt. Auch ein Kurznachrichtendienst also – wobei das schon immer eine merkwürdige Bezeichnung war, weil es nach Mini-BND klingt. »Viele der grundlegenden Funktionen sind denen von Twitter sehr ähnlich«, berichtet mein Kollege Torsten Kleinz aus unserem Netzwelt-Ressort. »Statt 280 liegt Mastodons Limit bei 500 Zeichen. Es gibt Favoriten, Retweets, Listen und sogar Umfragen.« Es gibt Zusatzfunktionen, so kann man seine Nachrichten mit einem Verfallsdatum versehen. (Hier mehr. )
Bei Twitter rufen jetzt Leute wie Jan Böhmermann dazu auf, zu Mastodon zu wechseln. Und die Empörungs- und Aufregungsmaschine läuft nach der Musk-Übernahme selbst für Twitter-Verhältnisse heiß: Wird es jetzt mehr Hetze und Hass bei Twitter geben? Darf Donald Trump bald wieder twittern? Seriös beantworten lässt all sich das noch nicht. Aber es lässt sich abschätzen, was für ein Typ Elon Musk ist und welche Gefahr von ihm ausgeht. Mein Kollege Alexander Demling beschreibt den mächtigsten Unternehmer der Welt als jemandem, bei dem oft verschwimmt, was als Witz gemeint und was ernst ist. »Das einzig Verlässliche sind seine Launen und ein pubertärer Nihilismus, der ihn auch mal mit Putin-Vertrauten rumkabbeln lässt.«
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Musk selbst twitterte, der Vogel sei befreit. Mal sehen, wie viele Federn er lassen muss.
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Lesen Sie hier das ganze Porträt: Wie gefährlich ist Elon Musk?
2. Der Kern der Angst
51 Prozent der Deutschen machen sich Sorgen, dass es zu einem Atomkrieg kommen könnte, das zeigt eine aktuelle Civey-Umfrage für den SPIEGEL. Einen russischen Nuklearschlag gegen die Ukraine befürchten 57 Prozent, gegen Deutschland 37 Prozent. Nach einer Umfrage des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr aus dem Sommer haben 42 Prozent der Deutschen Angst vor einem Krieg mit Atomwaffen.
»Ist das viel, ist das wenig?«, fragt mein Kollege Dirk Kurbjuweit in der neuen SPIEGEL-Titelgeschichte. »Man kann wohl sagen, dass sich die Angst vor einem Atomkrieg ausgebreitet hat, wie schon in den Achtzigerjahren.« Plötzlich ist, so schreibt er, eine Welt zurück, die überwunden schien: eine Welt am nuklearen Abgrund, die Welt eines möglichen Atomkriegs. (Hier die ganze Geschichte. )
Allein in den vergangenen Tagen wurden die Drohungen Russlands schriller. Wladimir Putin selbst, sein Verteidigungsminister, der oberste General, eine Sprecherin des Außenministeriums und andere redeten das Undenkbare herbei. Die absurde Behauptung: Die Ukraine bereite den Bau einer sogenannten schmutzigen Atombombe vor, um dann Russland die Schuld in die Schuhe zu schieben. Eine »False Flag«-Operation Moskaus, um den Einsatz einer eigenen Bombe zu rechtfertigen? Meine Kollegen Alexander Chernyshev, Christian Neef und Bernhard Zand haben recherchiert, wie groß die Gefahr jetzt wird.
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Lesen Sie hier mehr: 100 Sekunden bis Mitternacht
Und hier weitere Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine:
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»Wie Terrorismus, nur größer«: Russlands Luftwaffe versucht, das Stromnetz der Ukraine zu zerstören – so sollen Großstädte unbewohnbar werden. Kiew wehrt sich mit Reparaturtrupps und deutschen Flugabwehrsystemen .
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»Die Haubitzen sind von 1979, aber sie funktionieren«: Ukrainische Soldaten bedienen an der Front in die Jahre gekommene Haubitzen aus dem Westen. Auch bei einer Artillerieeinheit nahe Saporischschja sind sie von großem Nutzen.
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Hier finden Sie alle aktuellen Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine: Das News-Update
3. Es ist nicht alles schlecht
Mit ihrem düsteren Roman »The Handmaid’s Tale« über das Wesen von Diktaturen schuf Margaret Atwood, 82, einen Weltbestseller. Dort werden Frauen zu Gebärmaschinen degradiert. Die Serienadaption lockt weltweit Millionen vor die Bildschirme. In Deutschland wird die fünfte Staffel demnächst zu sehen sein.
Obwohl sie über Dystopien schreibt, blickt Atwood optimistisch auf die Welt: »Es ist doch so: Wenn man pessimistisch ist, unternimmt man nichts«, sagte sie meiner Kollegin Elisa von Hof aus unserem Kulturressort. Natürlich sei etwa die Lage für Frauen in den USA angesichts des gekippten Abtreibungsrechts »beschissen«, aber das »sei nicht von Dauer«. Insgesamt leben wir nicht in der schlechtesten Zeit, findet sie. Anfang der Achtzigerjahre etwa habe sie von Berlin aus Länder hinter dem Eisernen Vorhang besucht, »die damalige DDR, Polen, das heutige Tschechien. Glauben Sie mir, es ging der Welt schon schlechter«.
Ob sie ein glücklicher Mensch ist? »Schon, ich bin jedenfalls nicht depressiv«, sagt Atwood.
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Lesen Sie hier das ganze Gespräch: »Als Frau bist du entweder die freundliche Omi oder die böse Hexe«
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Was heute sonst noch wichtig ist
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Inflation steigt im Oktober auf 10,4 Prozent: Die Inflation hat sich im Oktober überraschend weiter beschleunigt. Vor allem Energie und Nahrungsmittel kosten immer mehr.
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Rückerstattung der kalten Progression wird deutlich teurer: Um die Effekte der Inflation auszugleichen, muss Bundesfinanzminister Lindner Bürger und Unternehmen bei der Einkommensteuer stärker entlasten als ursprünglich geplant. Allein 2023 geht es um 15,8 Milliarden Euro.
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Verteidigungsministerin Lambrecht streicht Rüstungsprojekte: Weniger Kriegsschiffe, weniger Flugzeuge, keine neuen Transportpanzer: Nach Kritik durch den Bundesrechnungshof werden Vorhaben zusammengestrichen, die per 100-Milliarden-Sondervermögen finanziert werden sollten.
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Wetterdienst registriert wärmste Nacht für Ende Oktober: Bis zur Tropennacht fehlten nur 1,5 Grad: Der Wetterdienst hat in Werl die wärmste Nacht verzeichnet, die er je Ende Oktober in Deutschland aufgezeichnet hat. Auch die kommenden Tage bleibt es warm – vor allem im Süden.
Ihre Lieblingswitze über Geheimdienste: Ich lach’ mich Schlapphut
Gestern habe ich das neue Buch meiner Kollegin Ann-Katrin Müller und meines Kollegen Maik Baumgärtner empfohlen: In »Die Unsichtbaren« erzählen die beiden, wie Geheimagentinnen die deutsche Geschichte geprägt haben. Und ich habe Sie gebeten, mir Ihre liebsten Geheimagenten-Witze zu schicken. Ein Leser erinnerte an den Klassiker von Otto Waalkes, wie sich Agenten enttarnen lassen (»Das Schnitzel für den Spitzel«) – hier bei YouTube zu finden . Eine Auswahl der weiteren Zuschriften:
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Treffen sich zwei Geheimagenten. Sagt der erste: »Dir geht’s gut, wie geht’s mir?«
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Warum reisen KGB-Agenten immer zu dritt? Einer liest, einer schreibt, der andere behält die zwei gefährlichen Intellektuellen im Auge.
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Meine Oma arbeitet beim FBI, deshalb nennen sie alle »Top-Sigrid«.
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Ausbilder an der Agentenschule: »Einen guten Agenten zeichnen drei Dinge aus. Erstens: Er erzählt nie alles, was er weiß.« Schüler: »Und zweitens?«
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Mit einem Wettkampf wollen die Geheimdienste Mossad, FSB und CIA herausfinden, welcher der beste ist. Die Teams sollen schnell, unauffällig und mit effizientem Materialeinsatz ein Wildschwein töten. Zuerst geht das Mossad-Team in den Wald und kommt nach 20 Minuten wieder, mit einem Wildschwein, per Kopfschuss erlegt. Das FSB-Team beginnt nach einer halben Stunde eine wilde Schießerei, Minen explodieren, Raketen, Maschinengewehre sind zu hören. Am Ende schleppt das Team ein blutiges Etwas mit ein paar Borsten heraus, von Kugeln durchsiebt, die DNA-Analyse zeigt: tatsächlich ein Wildschwein. Dann die CIA. Das Team verschwindet im Wald, es wird Nacht, der Morgen kommt, ein Suchtrupp wird losgeschickt. Schließlich kommt das Team wieder, zwischen sich einen Hirsch, gefesselt, mit Haube über dem Kopf, den es anbrüllt: »Gestehe es, du bist ein Wildschwein!«
Danke an alle Einsendenden. Unter ihnen haben wir drei Bücher verlost; die Gewinner haben wir benachrichtigt. Glückwunsch!
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Mehr über Geheimagentinnen lesen Sie hier – und hier können Sie das Buch von Ann-Katrin und Maik bestellen.
Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen
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Groß begonnen, klein geendet: Frank-Walter Steinmeier bleibt durch seine frühere Russlandpolitik schwer belastet. Mit der Ankündigung seiner Grundsatzrede weckte er hohe Erwartungen – und enttäuschte dennoch an einigen Stellen .
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»Wenn die in mir eine Schlampe sehen, mache ich es zu meinem Brandmal«: Anastasia Biefang ist die erste trans Person, die es bei der Bundeswehr zur Kommandeurin gebracht hat. Doch wegen eines Tinder-Postings gibt es Streit. Ist sie zu weit gegangen – oder ist die Truppe nicht tolerant genug?
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Was wusste Bundestrainer Gaugisch? Nach den SPIEGEL-Recherchen zu psychischer Gewalt im Frauenhandball durch den langjährigen Bundesligatrainer André Fuhr rückt nun auch Nationalcoach Markus Gaugisch in den Blickpunkt. Er reagiert ausweichend .
Was heute weniger wichtig ist
Coin Witz: Die Münzen mit dem Konterfei von Charles III., 73, Träger des Titels »Seine Hoheit, von Gottes Gnaden König des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland und Seiner anderen Königreiche und Territorien, Oberhaupt des Commonwealth, Verteidiger des Glaubens«, kommen in Umlauf, wie die Münzprägeanstalt Royal Mint heute mitgeteilt hat. Mit der Produktion der 50-Pence-Stücke sei bereits begonnen worden. Der Chef des Royal Mint Museum sagte: »Für viele Menschen wird es das erste Mal in ihrem Leben sein, dass sie sehen, wie ein neuer Monarch auf Geld erscheint.«
Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: »Ob Verbrenner künftig noch mit synthetisch hergestellten Kraftsoffen, sogenannten E-Fuels, fahren dürfen, soll noch geprüft werden.«
Cartoon des Tages: Midterms
Illustration: Chappatte
Und am Wochenende?
Könnten Sie einer Empfehlung meines Kollegen Arno Frank folgen und sich in der ARD-Mediathek das groß angelegte ARD-Serienprojekt »Das Netz« über dreckige Geschäfte im Fußball anschauen. »Die Handlung hüpft von Berlin, seiner in bleiche Atmosphäre getauchten Tristesse und den ärmlichen Lebensverhältnissen von Hooligan Marcel, bis ins ferne Afrika, getaucht in die goldenen Farben der Tropen«, schreibt Arno – und lobt die »exzellente Arbeit des sechsköpfigen Writer’s Pool um Bernd Lange«, der zuletzt den starken Mafia-Doppel-»Tatort« schrieb: »Das Drehbuch kennt mehr Tricks als Cristiano Ronaldo.«
Wer also schon den Gedanken an die WM in Katar, gnihi, abstoßend findet, bekommt hier ein ideales Alternativprogramm für Boykotteure. (Die ausführliche Rezension finden Sie hier. )
Ihnen ein schönes Wochenende. Herzlich
Ihr Oliver Trenkamp
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