Connect with us

Hi, what are you looking for?

Welt

News des Tages: EZB Leitzinserhöhung, Krieg in der Ukraine, Alfons Schuhbeck

1. Zahlen, bitte

Zuerst schnell die wichtigsten Zahlen des Tages:

  • Im Kampf gegen die Inflation wagt die Europäische Zentralbank eine Jumbo-Zinserhöhung, der Leitzins im Euroraum steigt um 0,75 Prozentpunkte auf zwei Prozent (hier mehr).

  • Trotz Energiekrise und erwarteter Rezession können Bund, Länder und Kommunen in den kommenden Jahren mit mehr Steuereinnahmen rechnen als gedacht. Die Steuerschätzer gehen nach Zahlen des Finanzministeriums davon aus, dass der Staat bis 2026 rund 126,4 Milliarden Euro mehr einnimmt als im Mai vorhergesagt. In diesem Jahr sollen die Steuereinnahmen um 1,7 Milliarden Euro geringer ausfallen als vorhergesagt (hier mehr).

  • Und der Sommer kommt zurück, der Oktober dreht noch einmal richtig auf: Ein Hoch über Osteuropa beschert Deutschland eine für diese Jahreszeit ungewöhnliche Wärme von bis zu 27 Grad (hier mehr).

    Advertisement

2. Putins Zielerfasser

Die Ukraine hat heute erneut russische Angriffe auf das Stromnetz des Landes gemeldet und zum Stromsparen aufgerufen (alle aktuellen Entwicklungen hier). Schon in den vergangenen Wochen verstärkten Putins Truppen die Attacken auf Kraftwerke und Umspannwerke, aber auch auf Fernwärmeleitungen. Russlands Armee setze auf eine uralte Waffe, schreibt mein Kollege Hilmar Schmundt: »das Brechen des Gegners durch Winterkälte« (hier mehr zu den Angriffen auf die Infrastruktur der Ukraine ). Dazu kommen die Terrorattacken auf Wohnhäuser, Kindergärten und Spielplätze, wie die kurz nach dem Bombenanschlag auf die Kertsch-Brücke.

Wie finden die Raketen ihre Ziele? Einem Team um meinen Kollegen Fidelius Schmid ist es zusammen mit den Enthüllungsplattformen Bellingcat und The Insider gelungen, 33 Mitglieder einer geheimen russischen Militäreinheit zu identifizieren, die für die Zielführung zuständig sein soll . »Ob Putins Zermürbungsstrategie aus russischer Sicht erfolgreich ist, hängt maßgeblich davon ab, wie präzise die Soldaten die zerstörerischen Raketen programmieren«, sagt Fidelius.

Den Recherchen zufolge handelt es sich um eine Einheit des Generalstabs der russischen Armee. Sie untersteht dem »Allgemeinen Informatikzentrum« des Militärs, auch GVC abgekürzt. Alle identifizierten Personen haben einen IT-Hintergrund. Einige absolvierten eine reine Armeelaufbahn, andere programmierten früher Computerspiele. »Sollten einmal mutmaßliche russische Kriegsverbrechen in der Ukraine verfolgt werden – diese Männer und Frauen dürften zu den Beschuldigten zählen«, sagt Fidelius.

»Nach Angaben eines Mitglieds der Einheit muss die Flugbahn jeder einzelnen Rakete im Voraus simuliert und entsprechend programmiert werden«, berichten die Kollegen. »Die entsprechenden Daten würden mittels Speichermedien an die Raketen übertragen. Nur so könnten sie ihr Ziel finden.« Die zeitaufwendige Methode lege nahe, dass eine Vermutung westlicher Nachrichtendienste zutreffe: Die Attacken vom 10. Oktober waren länger geplant und keine spontane Vergeltungsmaßnahme für die bislang ungeklärte Explosion an der Kertsch-Brücke.

Und hier weitere Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine:

  • Russland zeigt Rauchmelder und verkauft sie als Atommüll für »schmutzige Bombe«: Die Ukraine arbeite an einer »schmutzigen Bombe«, heißt es seit Tagen aus Moskau. Vom russischen Außenministerium veröffentlichte angebliche Belege sind schnell als Fälschung entlarvt.

  • Strategisch, taktisch, schmutzig: Russland spielt immer wieder mit der westlichen Angst vor Nuklearwaffen. Welche Arten von Atomwaffen gibt es, welche Auswirkungen hätten sie? Die Übersicht.

  • Tochter von Putins früherem Mentor flieht nach Litauen: Sie galt als »russische Paris Hilton«, kandidierte 2018 bei der Präsidentschaftswahl und kritisierte mehrfach den russischen Angriffskrieg. Nun wurde ihr Haus durchsucht – Xenia Sobtschak war aber nicht mehr in Russland.

  • Hier finden Sie alle aktuellen Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine: Das News-Update

3. Erzähl mir nichts vom Herd

Alfons Schuhbeck ist heute wegen Steuerhinterziehung zu drei Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt worden, ohne Bewährung. Kurz musste ich an meinen Berufseinstieg denken: Angefangen habe ich einst nicht als Journalist, sondern als Koch. Vom Beginn einer Karriere kann man nicht sprechen, aber einige Jahre habe ich mein Geld damit verdient, den Sonntagsfrühstückern ihre Crêpes mit Obstsalat anzurichten, den Pseudo-Feinschmeckern ihr Rumpsteak durchzubraten und den Spättrinkern kurz vor Küchenschluss noch schnell ein Bauernfrühstück zu machen (»Die Gurke kannst du weglassen!«). Mein Idol war der US-amerikanische Küchenchef Anthony Bourdain, der damals sein erstes Buch geschrieben hatte über die Irrheiten seiner Branche. An einer Stelle schreibt er über seinen Souschef und wichtigsten Kollegen:

»Was ihn in meinen Augen zu einem ernst zu nehmenden Menschen machte, war die Nacht, in der er sich ein Messer durch die Hand rammte, als er versuchte, gefrorenes demi-glace aus einem Eimer zu hacken. Das Blut spritzte in sämtliche Richtungen, er wickelte die Hand in seine Schürze und hörte sich meine Instruktionen an: Schwing Deinen traurigen Hintern ins Saint Vincent Krankenhaus, die haben eine schnelle Notaufnahme. Lass Dich zusammenflicken, und in spätestens zwei Stunden tanzt Du hier wieder an. Die Gäste werden uns heute abend überrollen und ich brauch dich an deinem Posten. Neunzig Minuten später war er wieder da.«

Unter Köchen ist das eine Liebeserklärung. Und sie zeigt: Es läuft in der Küche nicht immer nach den Regeln, die der Arbeitsschutz, das Gesundheits- oder Finanzamt vorsehen. Auch Schuhbeck stellt es so dar, als habe er sich verzettelt, 20 Stunden Arbeit, 7 Tage die Woche, »mit Leib und Seele Gastronom, aber kein guter Kaufmann«.

Also nur geschusselt im Arbeitseifer? Schwer zu glauben, wenn Kassen manipuliert und Steuern in Millionenhöhe hinterzogen wurden. »Fleiß und Ehrgeiz haben Schuhbeck ganz nach oben gebracht«, sagt meine Kollegin Maria Marquart, die über das Verfahren gegen den Starkoch berichtet. »Ich glaube, mit dem Erfolg hat er aber auch eine Mia-san-mia-Haltung entwickelt. Und die hat ihn dann zusammen mit seiner Rastlosigkeit zu Fall gebracht.«

(Sie möchten die »Lage am Abend« per Mail bequem in Ihren Posteingang bekommen? Hier bestellen Sie das tägliche Briefing als Newsletter.)



Podcast Cover


__proto_kicker__

__proto_headline__

Was heute sonst noch wichtig ist

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • »Der dritte Weltkrieg hat praktisch bereits begonnen«: Erderwärmung, Krieg, Inflation: Die Welt steckt in einer Dauerkrise. Crash-Prophet Nouriel Roubini sieht zehn »Mega-Bedrohungen« – und sagt, wie er selbst damit umgeht .

  • West End Story: Lange schauten Musikbranche, Modekonzerne und Medien den irren Tiraden des Rap-Superstars Kanye West tatenlos zu – sie profitierten davon. Nun hat er seiner Karriere selbst den Todesstoß versetzt .

  • Ohrfeigen aus der Wirklichkeit: Der FC Barcelona erlebte gegen Bayern mal wieder ein Debakel, macht aber die immer gleichen Fehler. Der Klub steht exemplarisch für die schwächelnde spanische Liga, die kein Maßstab mehr ist .

  • Wie werde ich vom Weekend-Warrior zum Trainingsprofi? Ich bin fast 50, mache regelmäßig Sport und halte mich für topfit. Doch ich will es genau wissen und gehe zum Leistungscheck ins Hightech-Trainingszentrum. Die Ergebnisse sind erschütternd .


Was heute weniger wichtig ist

Hing in den Zeilen: Der australische Schauspieler Hugh Jackman, 54, hat in einem Interview mit »Variety« erzählt, wie er sich bei einem Casting für den Film »Miss Undercover« mit Sandra Bullock, 58, schämte, weil er den Text nicht vernünftig gelernt hatte. Er habe gedacht: »Verdammter Mist! Sie ist großartig! Und so rasch und schnell. Ich kann hier nicht mal ansatzweise mithalten.« Er habe während des gemeinsamen Vorsprechens alles gegeben. »Ich strampelte so schnell ich konnte, aber ich konnte das Script nicht gut genug.«

Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: »Donald Trumps ehemaliger Staatschef Mark Meadows hat nun eine richterliche Anordnung zur Aussage erhalten.«

Cartoon des Tages: Rückkehr nach Russland

Illustration: Klaus Stuttmann


Und heute Abend?

Könnten Sie anfangen, das neue Buch meiner Kollegin Ann-Katrin Müller und meines Kollegen Maik Baumgärtner zu lesen. Es heißt »Die Unsichtbaren«, ist gerade erschienen und erzählt, wie Geheimagentinnen die deutsche Geschichte geprägt haben. Schon seit dem Kaiserreich arbeiteten demnach viele Frauen für deutsche und internationale Nachrichtendienste. Sie stehlen militärische Dokumente, überwachen und sabotieren ihre Gegner, rekrutieren Informantinnen und enttarnen feindliche Spione.

»Doch obwohl Agentinnen ihren männlichen Kollegen in nichts nachstehen, wird ihr Einfluss auf die Geschichte bis heute unterschätzt«, sagt Ann-Katrin. »Und noch immer tun sich Behörden schwer, Mitarbeiterinnen zu rekrutieren – was ein Sicherheitsrisiko ist.« (Mehr dazu lesen Sie hier  – und hier können Sie das Buch bestellen .)

Wir verlosen drei Exemplare des Buches. Schicken Sie Ihren liebsten Geheimagentenwitz an lageamabend@spiegel.de  – die besten veröffentlichen wir morgen an gleicher Stelle (der Rechtsweg ist natürlich ausgeschlossen).

Bis Späher, gnihi. Ihnen einen schönen Abend. Herzlich
Ihr Oliver Trenkamp

Hier können Sie die »Lage am Abend« per Mail bestellen.

You May Also Like

Welt

Nur eine Wachspuppe? Foto: — / dpa In aller gebotenen Schärfe verurteilt Die Linke Alternative für Deutschland (DLAfD) die Kriegstreiberei des westatlantischen Angriffsbündnisses Nato und...

Deutsche

Fortschritt ist ein unaufhaltsamer Prozess. In unseren Küchen, Garderoben, Autos und Smartphones stecken Erfindungen, Miniaturwerkzeuge und Haushaltsgeräte, die ohne den Erfindergeist von Technikern in...

Welt

Mehr als 10.000 Tiere hat sie schon geimpft. Um aber Menschen immunisieren zu dürfen, muss Viola Hebeler noch mal ganz von vorne anfangen. Besuch...

Deutsche

Annalena Baerbock versucht, Nord Stream 2 zu Gunsten teurer amerikanischer Konzerne zu verdrängen. Amerikanisierung des globalen Gases Die Amerikaner haben die Hoffnung nicht aufgegeben,...