Trotz mehrstündiger Beratungen haben die Vertreter von Bund und Ländern sich in der Frage der Finanzierung milliardenschwerer Entlastungsmaßnahmen nicht geeinigt. Kritik daran kommt nun aus der Union. Dort sieht man die Verantwortung bei der Bundesregierung und Kanzler Olaf Scholz (SPD).
CDU-Chef Friedrich Merz sprach in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe von einem »Abend der verpassten Chancen, der die Bürgerinnen und Bürger verunsichert zurücklässt«. »Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Stephan Weil, und Bundeskanzler Olaf Scholz sind alleine verantwortlich, dass es keine Ergebnisse gibt«, sagte Merz mit Blick auf beide SPD-Politiker. Weil ist Regierungschef von Niedersachsen, am Sonntag findet dort die Landtagswahlen statt.
Bürger und Unternehmen müssen weiter auf konkrete Antworten warten, wie sie angesichts der hohen Energiepreise entlastet werden. Bund und Länder erzielten bei mehrstündigen Verhandlungen am Dienstag noch keinen Konsens über die Verteilung der Kosten. Scholz bezifferte das Volumen der bisherigen und noch geplanten Entlastungen auf 295 Milliarden Euro, von denen der Bund zwischen 240 und 250 Milliarden Euro übernehmen werde. Offen sind noch die konkrete Ausgestaltung der geplanten Strom- und Gaspreisbremse, eine Nachfolgelösung für das Ende August ausgelaufene 9-Euro-Ticket für den Nah- und Regionalverkehr und die Kostenfrage für die Wohngeld-Ausweitung.
Scholz hatte das jüngst vorgestellte 200-Milliarden-Paket als »Doppelwumms« bezeichnet. Angelehnt daran kritisierte CDU-Vize Andreas Jung: »Piff und Paff statt Doppelwumms: Die MPK ist ausgegangen wie das Hornberger Schießen – und die Bundesregierung hat das zu verantworten.« Statt angesichts der Zuspitzung durch die Preisexplosion endlich Klarheit für diesen Winter zu schaffen, lasse die Ampelkoalition weiter alle im Nebel stochern, sagte der Energieexperte. Er mahnte: »Viele Existenzen stehen akut auf dem Spiel, es darf jetzt keine Zeit mehr vertan werden.«
Auch aus der Linken gab es Kritik. Der Vorsitzende der Linke-Bundestagsfraktion, Dietmar Bartsch, hat das Ergebnis der Beratungen von Bund und Ländern als »eine Enttäuschung mit Ansage« bezeichnet. »Während die Heizsaison begonnen hat, diskutieren Bund und Länder, wie die Bürger sie bezahlen sollen«, sagte Bartsch. Er kritisierte, Gas- und Strompreisdeckel hätten längst »wie ein Bollwerk vor Bürgern und Unternehmen stehen müssen«. Er forderte, dass kommende Woche im Bundestag »alle Maßnahmen abschließend fixiert werden« müssten. »Es droht bei vielen Bürgern, dass das Fass der Enttäuschung überläuft«, sagte Bartsch.
Enttäuscht reagierte auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg begrüßte in der »Rheinischen Post« zwar die geplante Bremsen für Gas- und Strompreise als »ganz wichtiges Signal in unsere Gesellschaft, dass wir durch die Krise kommen«. Auch der Abwehrschirm könne einen wichtigen Beitrag gegen eine schwere Rezession und den Inflationsdruck leisten. Landsberg bedauerte aber eine fehlende Einigung bei der Finanzierung der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen. »Die Zeit drängt, der Winter steht vor der Tür«, mahnte er.
Länderchefs bewerten Gespräche unterschiedlich
Von den Länderchefs kamen unterschiedliche Bewertungen der Bund-Länder-Gespräche. Ministerpräsidenten der Union äußerten sich eher kritisch. »Die Bundesregierung hat heute trotz der konstruktiven Einstellung der Länder kaum Kompromissbereitschaft in ganz wesentlichen Fragen erkennen lassen«, sagte etwa NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Kolleginnen und Kollegen mit SPD-Parteibuch äußerten sich überwiegend hingegen zuversichtlich, dass Bund und Länder noch eine Einigung finden.
Von einem »strukturellen Mangel« sprach Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger am Abend im ZDF mit Blick auf noch ausstehende Grundlagen für Entscheidungen. So will die für die Gaspreisbremse eingesetzte Kommission erst bei einer Klausur am kommenden Wochenende einen »belastbaren Vorschlag« erarbeiten und der Politik vorlegen, wie die Kommissionsvorsitzenden am Dienstag erklärten.
Vereinzelt wurde auch auf die Ende Oktober anstehende Steuerschätzung verwiesen. Zuvor trifft sich die Ministerpräsidentenkonferenz vom 19. bis 21. Oktober in Hannover zu ihrer regulären Jahreskonferenz.