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News des Tages: Italien-Wahl, Giorgia Meloni, Proteste in Iran, Olaf Scholz

1. Die neue starke Frau

Italien hat gewählt – zum ersten Mal in der Geschichte des Landes könnte mit Giorgia Meloni eine Frau das Amt der Regierungschefin übernehmen. Wie gerne würde ich mich darüber freuen! Wie schön wäre es, würde es stimmen, was die Vorsitzende neu gegründeten Uno-Frauenorganisation »UN Women« vergangene Woche in New York behauptete: »Wenn mehr Frauen anführen, im politischen wie im privaten Leben, profitieren alle davon, besonders in Krisen«, so Sima Bahous.

Von den 193 Mitgliedsländern der Vereinten Nationen haben nach Angaben des neuen Zusammenschlusses derzeit nur 28 eine Staats- oder Regierungschefin. Dank der Wahl in Italien könnte die Frauenquote nun von 14,5 auf 15 Prozent steigen. Leider spricht Melonis Wahlsieg nicht unbedingt für die These, dass Frauen in politischer Führung die Welt zu einem krisensicherern Ort machen können.

Europa jedenfalls hat nach ihrem Wahlsieg eher ein Problem mehr als eines weniger. Meloni hetzte und wütete in ihren Wahlkampfreden gegen Migranten. Sie sprach sich gegen Abtreibungen und mehr Rechte für die LGBT-Bewegung aus. Ihre neofaschistische Splitterpartei ließ Italiens schlimmstem Kriegsverbrecher und Völkermörder ein Monument errichten. Fast elf Jahre nach dem Rücktritt Silvio Berlusconis, der sein Land an den Rand des Staatsbankrotts geführt hatte, tritt südlich der Alpen demnächst wieder eine rechte Regierung mit ihr als Anführerin an.

»Über die Gefahren für Italien und Europa ist schon vor dem Wahlsieg der Rechten viel diskutiert worden. Jetzt werden sie Realität «, analysiert der Italien-Korrespondent des SPIEGEL Frank Hornig. Zwar fällt der Rechtsruck in Italien weniger deutlich aus als gedacht. »Ihren Sieg verdankt Meloni vielleicht weniger der eigenen Stärke als der Schwäche des linken Lagers, wo quasi jede gegen jeden kämpfte«, so Hornig. Am Ergebnis ändert das nichts. Ein kompliziertes Wahlrecht verschafft ihr eine absolute Mehrheit im Parlament. Giorgia Meloni kann Italien und Europa nun nach ihren Vorstellungen verändern.

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Eine ihrer wichtigsten Aufgaben wird sein, die Kluft zwischen der Politik und dem politikfernen Teil der Gesellschaft in den nächsten Monaten und Jahren zu verringern – um eine echte Vertrauenskrise zu verhindern. »Italiens größte Partei ist seit Sonntag jene der Nichtwähler und Nichtwählerinnen«, analysiert Hornig. Viele Italienerinnen und Italiener, so sei zu vermuten, blieben aus Resignation über die Parteien und ihren inhaltsleeren Show-Wahlkampf den Urnen fern.

Wer weiß, vielleicht ist eine Frau – auch wenn es eine zuweilen aggressiv auftretende Populistin ist – besser dafür geeignet als ein Mann.

2. Freude am Leben als Verbrechen

Ob mehr Frauen an der Macht die Welt zu einem besseren Ort machen, so wie die Chefin der Uno-Frauenorganisation das suggeriert hatte, wissen wir erst dann, wenn Regierungschefinnen nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel in der Uno-Vollversammlung sind. Einen Versuch wäre es definitiv wert. Gerade mit Blick auf Iran, wo Frauen seit zwei Wochen bei Protesten gegen das Regime ihr Leben aufs Spiel setzen.

Ihre Wut hatte sich am Tod von Mahsa Amini entzündet. Auch wenn die genauen Umstände noch ungeklärt sind, vermuten viele die Schuld beim Regime. »Ich war schockiert darüber, dass eine unschuldige 22-jährige Frau, deren einziger Regelverstoß darin bestand, dass sie Freude am Leben hatte, von Männern umgebracht wurde, die Freude am Leben für ein Verbrechen halten«, sagt Exiliranerin Shirin Neshat im SPIEGEL-Gespräch. Amini musste sterben, »weil die Regierenden fürchten, dass jede Art von Lockerung ihre Macht gefährdet«. Ihr Kampf sei der »Kampf aller Frauen in der Welt«. 

Teherans Justizbehörden hatte am Sonntag Demonstrierende vor weiteren »Unruhen« gewarnt. Die Mahnung verpuffte: In der Nacht zum Montag sind erneut zahlreiche Frauen und Männer auf die Straße gegangen. Die Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights (IHR) in Oslo veröffentlichte Bilder von Demonstrierenden in Teheran, die »Tod dem Diktator« riefen. Augenzeugen berichteten der Nachrichtenagentur AFP von Protesten in mehreren Ortschaften, unter anderem in Tabris und Schiras.

Werden es also die mutigen iranischen Frauen sein, die das radikale Regime in Teheran stürzen? »Um es vorwegzunehmen, mit großer Wahrscheinlichkeit dürfte am Ende dieses Aufstands alles sein, wie zuvor«, schreibt Susanne Koelbl aus der SPIEGEL-Auslandsredaktion. »Denn die Polizisten werden immer härter gegen die wütenden Frauen und die Demonstranten auf der Straße vorgehen, die Sicherheitskräfte werden immer mehr Bürger verhaften und zusammen mit Revolutionsgarden den Aufstand niederknüppeln – notfalls niederschießen.«

Dabei ist der Aufstand der Frauen nur die sichtbare Spitze eines Eisberges. Darunter liegt der wachsende Frust eines 84-Millionen-Volkes über das jahrzehntelange Missmanagement und immer größere Repressalien. »Die meisten Frauen wissen, dass sie die Mächtigen von Teheran nicht bezwingen werden – aber die Mächtigen eben auch die Frauen nicht«, so Susanne. Entscheidend für den Ausgang dieses Aufstands werde deshalb sein, wie viele der sonst treu zur Regierung stehenden Iraner diesmal dem Ruf der Straße folgen. Nur zusammen haben sie eine Chance.

3. Ins Herz der autoritären Finsternis

Olaf Scholz hat Corona – so wie mehrere Mitglieder meiner Familie auch. Ich schreibe diese Lage am Abend folglich im Homeoffice und habe, nachdem die Wärmflasche zu meinen Füßen nicht den erhofften Effekt gebracht hat, die Heizung ordentlich aufgedreht. Da trifft es sich gut, dass der Kanzler nicht nur mit Virusinfektion im Gepäck von seinem Wochenendtrip in die arabische Welt zurück nach Deutschland gekommen ist. RWE verkündete noch während Scholz’ Reise, dass man von einem Unternehmen aus den Emiraten im Dezember eine größere Menge Flüssiggas beziehen wird.

Mein Kollege Dirk Kurbjuweit aus dem SPIEGEL-Hauptstadtbüro hat Olaf Scholz auf seiner Reise begleitet. Das Treffen des Kanzlers mit dem Kronprinzen und führenden Politiker von Saudi-Arabien, Mohammed bin Salman, sei »eine Zumutung für alle, denen die Menschenwürde und die Menschenrechte am Herzen liegen«.

Offenbar kämpfte Scholz auf der Reise auch gegen die ersten Anzeichen einer Corona-Infektion. Der Kanzler, so Kurbjuweit, wirkte bei einem Treffen mit Mitarbeiterinnen eines Unternehmens in Dschidda so »müde, dass er den Frauen, die vor ihm stehen, kaum zuhören kann. Dabei erzählen sie ihm schöne Geschichten von den Chancen, die Frauen in Saudi-Arabien neuerdings haben, von all den Fortschritten und ihren Hoffnungen auf ein gutes Leben.«

Auch auf die Menschenrechte in Katar angesprochen, blieb Scholz »unter den Möglichkeiten, die ihm die Realpolitik lässt. Er redet und schwurbelt und rühmt dabei die »Fortschritte«, die es hier angeblich gibt«. Man lerne, so Kurbjuweit, auf solchen »Reisen ins Herz der autoritären Finsternis« deutsche Verhältnisse zutiefst zu schätzen.

Und hier weitere Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine:

  • Russischer Unternehmer Prigoschin gesteht Gründung der Wagner-Söldnertruppe: Die paramilitärischen Wagner-Söldner stehen im Verdacht, heimlich für den Kreml in Konflikte einzugreifen – Moskau bestreitet das. Nun hat ein Putin-Vertrauter Details über die Truppe enthüllt.

  • Mann schießt in Einberufungsamt auf Militärkommissar: Tausende Russen protestierten in den vergangenen Tagen gegen die von Putin angekündigte »Teilmobilmachung«. In Irkutsk eröffnete nun ein Mann, der in den Krieg geschickt werden sollte, das Feuer auf einen hochrangigen Militär.

  • Hier finden Sie alle aktuellen Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine: Das News-Update

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Podcast Cover


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Was heute sonst noch wichtig ist

  • Islamistenprediger Yusuf al-Qaradawi stirbt mit 96 Jahren: Er befürwortete Selbstmordattentate, hetzte gegen Schwule – und erreichte mit seiner eigenen Talkshow auf Al Jazeera ein Millionenpublikum. Nun ist der Muslimbruder Yusuf al-Qaradawi gestorben.

  • Energiekrise und Inflation: Die Geschäftsaussichten sind in vielen deutschen Unternehmen so schlecht wie seit dem Ausbruch der Pandemie nicht mehr. Auch Ökonomen prophezeien der Wirtschaft einen schweren Winter.

  • Deutschland ist ein Gletscher weggeschmolzen: Jetzt gibt es nur noch vier Gletscher in Bayern: Durch den massiven Eisschwund verliert der Südliche Schneeferner seinen Status als Gletscher. Dem restlichen Eis dort geben Experten noch ein bis zwei Jahre.

  • Schulkinder sitzen zwölf Stunden am Tag: Zwei Drittel aller Schülerinnen und Schüler bewegen sich zu wenig. Durch die Coronakrise ist das Problem laut DAK-Umfrage noch größer geworden – besonders bei sozial benachteiligten Kindern.

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • Können die Oligarchen Putin stoppen? Mit Sanktionen und Razzien zielt der Westen auf russische Superreiche. Doch die meisten Magnaten haben ihren Einfluss auf den Kreml längst eingebüßt, sagt Experte Nicolai Petrow: Nur eine Gruppe steht Putin noch nahe .

  • Der Laster wird zur Lounge: Flachbild-TV, Ecksessel und ein breites Bett – Fahrerkabinen von Lkw werden bequemer. Mit ihrer Luxusoffensive bemühen sich Hersteller und Speditionen um begehrte Fachkräfte. Einblicke von der Truckermesse IAA .

  • Unappetitliches Ackern auf der Sozialgärstation: Offene Verachtung und eine Kaskade psychischer Gewalt: Das »Sommerhaus der Stars« gibt den Blick frei auf die desolate Beziehung eines »Bauer sucht Frau«-Paars – und treibt gar Mario Basler zu einer fast feministischen Intervention .


Was heute weniger wichtig ist

  • Die Ottifanten von Komiker Otto Waalkes, 74, haben es in den Duden geschafft. Zumindest finden sie Interessierte nun auf der Seite Duden.de  . Dort wird das Wort Ottifant so erklärt: »Von dem deutschen Komiker Otto Waalkes gestaltete Figur eines Elefanten, der menschliche Eigenschaften aufweist.« Waalkes hatte sich mit einem Instagram-Post zu Wort gemeldet und sich über den Duden-Eintrag gefreut. Er könne nun immer nachlesen, wie man das Wort richtig schreibe und ausspreche und sogar den Genitiv davon nachschauen. »Ich wusste gar nicht, dass er ’nen Genitiv hat – den hat er mir nie gezeigt.«

Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: »Werden die Verbaucher knausriger?«

Cartoon des Tages: Wandel durch Handel

Illustration: Klaus Stuttman


Und heute Abend?

Alleinsein hat einen schlechten Ruf. Das findet zumindest die Autorin Sarah Diehl. »Wer allein im Restaurant sitzt, fühlt sich, als würde niemand mit ihm spielen wollen«, sagt sie im Interview mit meiner Kollegin Maren Keller. Diehl will uns ermuntern, Dinge allein zu unternehmen .

Es muss ja nicht unbedingt der Besuch im Lieblingsrestaurant sein. Ich zum Beispiel gehe sehr gerne allein ins Kino. Der beste Film, den ich diesen Sommer gesehen habe, ist »Nope« von Jordan Peele. Es geht um einen Alien-Angriff auf eine Ranch, dessen Besitzer Pferde für Hollywood-Produktionen trainieren. »Der Film ist eine einzige Verweigerung der Gradlinigkeit«, schreibt Spiegel Filmkritiker Lars-Olav Beier. Aber auch eine einzigartige Mischung aus Humor und Horror. Lesen Sie hier die Filmkritik .

Einen schönen Abend. Herzlich
Ihre Anna Clauß

Hier können Sie die »Lage am Abend« per Mail bestellen.

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