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Karl Lauterbach: Warum der Gesundheitsminister von Israel schwärmt

Minister Lauterbach nach der Landung in Israel


Foto: Xander Heinl / photothek / IMAGO

Während sich am Strand ein paar Demonstranten sammeln, lehnt Karl Lauterbach an der Brüstung einer Terrasse in Tel Aviv und ist bester Laune. Der Protest gilt der Weltgesundheitsorganisation (WHO), auf deren Empfang Lauterbach sich gerade entspannt. Und der Protest ist ziemlich mickrig. Findet der Minister. Vielleicht fünfzehn Leute, ein paar Plakate, zwei Megafone.

Der Gesundheitsminister Lauterbach ist ja von zu Hause ganz anderes gewohnt.

Überhaupt scheint in Israel erst mal alles besser zu sein als in Deutschland, wo Karl Lauterbach in letzter Zeit viel Ärger hatte mit dem Infektionsschutzgesetz im Allgemeinen und der FDP im Besonderen. Der Minister ist unterwegs in einem Land, das wegweisende Forschung in der Coronapandemie geleistet hat, über die Lauterbach sich wohl stundenlang austauschen würde. Wenn sein Sprecher nicht gelegentlich auf die Uhr zeigte.

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Minister Lauterbach, Horowitz

Minister Lauterbach, Horowitz


Foto: Xander Heinl / photothek / IMAGO

Noch bevor er Minister wurde, hatte Lauterbach die Einladung seines israelischen Kollegen bekommen. Ein Jahr später unterzeichnet er nun eine gemeinsame Erklärung mit Gesundheitsminister Nitzan Horowitz. Künftig möchten beide Länder enger zusammenarbeiten.

Lauterbach will sich bei seinem Besuch über die Pandemiebekämpfung austauschen und mit der Reise ein paar liegengebliebene Projekte ankurbeln, Sachen, die nichts mit Corona zu tun haben. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens zum Beispiel.

Dazu trifft er Forschende und Krankenkassenvertreter, die ihm all das erzählen, was Deutschland auch gern hätte, aber vermutlich nie haben wird. Bei jedem Termin beteuert er, wie wichtig die Arbeit Israels für Deutschland sei.

»Ich bin Ihrer Arbeit von Anfang an gefolgt«, sagt Lauterbach beim Treffen mit dem Generaldirektor des israelischen Gesundheitsministeriums, Nachman Ash, und seinen Kollegen, »die Welt schuldet Ihnen viel.« In Deutschland sei vieles ohne die israelische Forschung gar nicht möglich gewesen, schwärmt er. Zum Beispiel die Abgabe des Coronamedikaments Paxlovid an Geimpfte, die in Deutschland im Übrigen immer noch nicht so anläuft, wie Lauterbach sich das wünschen würde.

Begeistert hört Lauterbach einen Tag später Kassenvertretern zu, die über die israelische digitale Patientenakte sprechen. Wenn eine Schwangere nicht rechtzeitig die nötigen Bluttests macht, kann sie ganz einfach von ihrer Krankenkasse daran erinnert werden. Bekommt ein Patient zu viele Schmerzmittel verschrieben, fällt das in der Akte auf. Lauterbach schwärmt, wie toll es wäre, genetisch bedingt erhöhte Cholesterinwerte auf diese Weise behandeln zu können, bevor sie Herzerkrankungen verursachen können. Leider sei vieles in Deutschland aber nicht so möglich wie in Israel.

Wieder der »Panikminister«?

Den Wissenschaftlern im Weizmann-Institut für Wissenschaften stellt sich Lauterbach wenig später als Gesundheitsminister und Wissenschaftler vor. Mit einem Golfkart düst er zwischen den eng getakteten Meetings hin und her, bietet auch deutsche Hilfe an, wenn die jemand haben wolle.

Er lauscht einer Wissenschaftlerin, die in einem hochauflösenden MRT die Plazentas schwangerer Frauen untersucht. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz will das Institut Krankheiten schon im Mutterleib erkennen und früh behandeln. Allein die ethische Debatte über Pränataldiagnostik ließe das in Deutschland vermutlich nicht zu. Man würde ihn vermutlich wieder den »Panikminister« nennen, wenn er das vorschlagen würde, scherzt Lauterbach.


Lauterbach besucht das Hadassah Medical Center in Jerusalem

Lauterbach besucht das Hadassah Medical Center in Jerusalem


Foto: Xander Heinl / photothek / IMAGO

Hin und wieder wird Lauterbach dem Image dennoch ein wenig gerecht. So ist er bei den Treffen durchweg mit Maske unterwegs, während sich manche Wissenschaftler erst eine Maske bringen lassen, nachdem sie Lauterbach hinter seinem schwarzen Atemschutz entdecken.

Keine Möglichkeit lässt er aus, die Pandemieregeln in Deutschland zu verteidigen. Beim Treffen mit Direktor Ash vom Gesundheitsministerium erklärt Lauterbach etwa detailliert das neue deutsche Infektionsschutzgesetz: Maskenpflichten, wo Menschen in Innenräumen zusammenkommen, Ausnahmen für Getestete und Geimpfte, solche Sachen.

Er habe viel Kritik bekommen, sagt Lauterbach. Die FDP habe nichts von allen Maßnahmen gewollt, manche hätten gesagt, er stehe zwischen den Menschen und der Freiheit. Er ist stolz, standgehalten zu haben: »Es sind die strengsten Regeln in Europa

Außer einer Isolationspflicht gibt es gerade keine verpflichtenden Maßnahmen in Israel

Und Israel?

Lauterbach will wissen, wie sich das Land auf steigende Infektionszahlen vorbereitet. Außer einer Isolationspflicht gibt es gerade keine verpflichtenden Maßnahmen im Land. Dafür aber gratis PCR- und Antigentests.

Im Winter, so erklärt Ash dem verdutzten Minister, sollen vor allem die Impfungen für den Schutz der Bevölkerung sorgen. Die Leute würden nicht so gut auf Pflichten reagieren. Vielleicht werde es doch noch eine Maskenpflicht geben, wenn sich die Situation verändert, dazu komme ja das Medikament Paxlovid.


Mehr zum Thema

Lauterbach nickt, all das sind auch für Deutschland wichtige Sachen. Nur, dass dort die Gesellschaft wesentlich älter ist als in Israel und deshalb auch mehr Schutz braucht. Nachdem die Europäische Arzneimittelagentur ihre Freigabe für den angepassten Impfstoff erteilt hat, sollen die neuen Booster gegen die Virusvarianten BA.1 sowie gegen BA.4 und 5 bereits in der kommenden Woche ausgeliefert werden. Lauterbach hat von beiden Stoffen reichlich bestellt.

In Israel will man allein den angepassten Impfstoff für die Varianten BA.4 und 5 verwenden. BA.1 soll keine Rolle spielen. Lauterbach wirft in die Diskussion ein, dass BA.1 unter Umständen für die Variante BA.2.75 sinnvoll sein könnte. Er werde deshalb weiter für beide Impfstoffe werben, die Debatte, welcher der Stoffe der bessere sei, mache er erst gar nicht auf.

Vermutlich wird sie in Deutschland dennoch geführt werden.


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