or Gysi zu Ukraine-Krieg: >>Militarisch ist Russland nicht zu schlagen, es sei denn wir machen den 3. Weltkrieg.<< //
Michael Roth: >>Ich glaube Herrn Putin gar nichts. Ich bin aber davon uberzeugt, wenn er selber spurt und weiss, er kann diesen Krieg nicht mehr gewinnen, weil die Ukraine sich behaupten kann, dann wird er eine Chance fur sich auch sehen, wieder an den Verhandlungstisch zuruckzukehren. Wenn wir jetzt die Ukraine alleine lassen, wenn wir sie nicht finanziell, politisch und militarisch unterstutzen, dann wird es einen Diktatfrieden geben und es mag ja sein, dass Sie und andere damit einverstanden waren, wenn die Ukraine auf 20 oder 25 Prozent ihres Territoriums verzichtet. Ich kann jedenfalls den ukrainischen Prasidenten derzeit gut verstehen, der solche Zugestandnisse jetzt nicht machen mochte.<<
Markus Feldenkirchen: >>An Herrn Gysi die ganz konkrete Frage: Was hatten Sie in den vergangenen sechs Monaten anders gemacht?<<
Gregor Gysi: >>Ich hatte auf jeden Fall mich um eine Vermittlung und standige Gesprache sowohl mit der russischen als auch mit der ukrainischen Seite bemuht. Um festzustellen: Gibt es Chancen? Gibt es noch irgendeine Moglichkeit?<<
Markus Feldenkirchen: >>Herr Scholz hat ja auch haufiger mit Herrn Putin telefoniert.<<
Gregor Gysi: >>Ja hat er, dann hat er aber aufgehort und dann hat das Ganze Erdogan ubernommen. Ich war ja froh, dass das Macron und Schulz gemacht haben. Die Union haben sie dafur beschimpft, ich nie. Und dann haben wir das aufgegeben, was ich gar nicht verstehe, ehrlich gesagt.<<
Markus Feldenkirchen: >>Ist das eine verpasste Chance?<<
Gregor Gysi: >>Denn wissen Sie, militarisch ist Russland nicht zu schlagen. Es sei denn, wir machen einen Dritten Weltkrieg. Den konnen wir uns nicht leisten. Naturlich, ich sage es wieder, die Ukraine hat ein Selbstverteidigungsrecht. Trotzdem muss man…<<
Michael Roth: >>Aber Sie wollen nicht, dass die Ukraine gewinnt?<<
Gregor Gysi: >>Sie kann nicht gewinnen.<<
Michael Roth: >>Woher wissen Sie das?<<
Gregor Gysi: >>Ja, weil dann mussen wir einen Atomkrieg fuhren, oder was stellen Sie sich vor? Die russischen Streitkrafte werden auch unterschatzt.<<
Markus Feldenkirchen: >>Herr Gysi, Sie insinuieren tatsachlich, dass, wenn man es nur richtig machen wurde, man Wladimir Putin relativ leicht dazu bringen konnte, die vereinbarten Gasmengen, das er die doch liefert. Wie wurden Sie das hinkriegen?<<
Gregor Gysi: >>Ich weiss es nicht. Ich sage, ich wurde die Gesprache entsprechend fuhren. Mich wurde interessieren, dass ich ihn frage: Was ist denn deine Bedingung, damit du uns das und das lieferst? Und wenn er Bedingungen nennt, die ich nicht akzeptieren kann, sage ich: Das geht nicht. Dann konnen wir aber langer daruber sprechen. Vielleicht wurde dir dieser Schritt genugen, oder jener? Sie durfen nicht vergessen…<<
Markus Feldenkirchen: >>Wenn er sagt, ich hatte gern die halfte der Ukraine.<<
Gregor Gysi: >>Das geht naturlich nicht. Daruber braucht man nicht zu diskutieren.<<
Michael Roth: >>Es gibt das Unausgesprochene. Und das ist naturlich die Erwartung gegenuber der Ukraine: Nun zickt nicht so rum, die Krim ist doch sowieso schon seit Jahren weg. Nun akzeptiert das im Osten eures Landes eigentlich auch Russland das Sagen hat. Und nun gebt doch endlich mal Ruhe. Und diesen Ansatz, auch wenn er so offen nicht ausgesprochen wird, halte ich fur brandgefahrlich. Weil wenn wir das akzeptieren, dann werden weitere militarische Konflikte folgen.<<
Markus Feldenkirchen: >>Wir denken jetzt um machen wir einen Themenwechsel und reden uber das, was viele Burgerinnen und Burger in diesen Tagen umtreibt, die anderen Auswirkungen dieses Krieges in Form von gestiegenen Energiepreisen zum Beispiel. Wir haben hier ein kleines Video vorbereitet von Franziska Nurnberger. Sie arbeitet in der Verwaltung einer Schule in Zwickau, lebt zusammen mit ihren Eltern auf 85 Quadratmetern. Und was sie jetzt in Zukunft an Gas zahlen soll, das hat sie uns erzahlt und das horen wir jetzt mal gemeinsam an.<<
Franziska Nurnberger: >>Hallo Herr Gysi! Hallo Herr Roth! Mein Name ist Franziska Nurnberger. Ich komme aus der Nahe von Zwickau und wir zahlen aktuell fur unser kleines Einfamilienhaus einen monatlichen Gas-Abschlag von 93 EUR. Ab Oktober soll dieser Abschlag auf 789 EUR steigen. Ich habe Ihnen bei unseren Abschlagszahlung furs kommende Jahr mitgebracht. Das ist fur unsere Familie eine finanzielle Katastrophe und wir konnen das definitiv nicht stemmen. Ich habe jetzt den Gasanbieter gekundigt. Wir haben auch gewechselt. Allerdings wird sich der monatliche Betrag auch beim neuen Gasanbieter bei um die 500 EUR bewegen. Das ist wahnsinnig viel Geld nur alleine fur Gas. Und ich mochte gern Ihre Ideen horen. Was man noch tun kann, um Familien mit kleinen und mittleren Einkommen in dieser Krise zu unterstutzen und um die massiven Preissteigerungen auf irgendeine Weise abzufangen. Ich habe grosse Angst davor, trotz dessen, dass ich jeden Tag auf Arbeit gehe, in Armut zu fallen, weil ich irgendwann glaube, dass ich das nicht mehr finanziell stemmen lasst.<<
Michael Roth: >>Erst mal kann ich die Sorgen sehr gut verstehen. Ich habe ja schon gesagt, das erlebe ich auch in meinem Umfeld, in meiner Nachbarschaft. Das erlebe ich im Prinzip auch selbst. Aber mich betrifft es naturlich nicht in dem Masse, wie jemand, der ein durchschnittliches Einkommen hat, und das ist die hart arbeitende Mitte, die muss entlastet werden. Deswegen haben wir jetzt in einem Punkt schon gesagt, es gibt fur den Strompreis eine Deckelung fur einen Basis Verbrauch. Das gleiche muss jetzt folgen fur den Gasverbrauch. Da haben wir noch keine konkrete Losung. Aber das ist der nachste Schritt, der erfolgen muss.<<
Gregor Gysi: >>Das erste ist: Ich behaupte ja, die Regierung ist uberfordert in mehrfacher Hinsicht. Zum Beispiel so eine Pressekonferenz: Wenn du sie gibst, musst du auch Betrage nennen. Wenn du die nicht benennst, vertieft das die Verunsicherung, die sagen sollen Basistarif geben wir nicht wie fur Basis. Die sagen auch nicht, was das kosten soll. Warum kann ich das nicht vorher klaren, um dann wirklich Auskunfte zu geben, wo die Leute sagen Aha, so wird das laufen, wenn man solche Sanktionen macht. In so grossem Umfang gibt es gegen Antworten und wir wussten ja, wie viel Energie wir gerade von Russland brauchen und darauf ist eben unzureichend geachtet worden. Aber jetzt mal davon abgesehen die Massnahmen selbst…<<
Michael Roth: >>Nee, nee, nee…<<
Gregor Gysi: >>Sie konnen ja gleich dazu Stellung nehmen. Ich sage nur die Massnahmen selbst, das ist wieder Stuckwerk. Es reicht nicht aus. Es ist an viele nicht gedacht worden. Und vor allen Dingen: Das wird ja immer teurer. Ich lese in einer Zeitung wieder eine Explosion in den Preisen, bei Energie etc. Wie wollen wir da hinterherrennen.<<
Markus Feldenkirchen:>>Den Punkt haben Sie gemacht, Herr Gysi. Herr Roth mochte zu den Sanktionen etwas sagen.<<
Michael Roth: >>Also erst mal zu den Sanktionen. Sanktionen werden nicht nur auf den Weg gebracht, in der Erwartung, dass derjenige, den man sanktioniert, innerhalb von vier Wochen seine Politik komplett andert. Es ist auch fur Demokratien das zentrale Signal, um zu sagen: Wir sind nicht bereit, diesen Volkerrechtsbruch zu akzeptieren. Und ich finde, dieses Mittel sollten Demokratien auch weiterhin nutzen. Was haben wir sanktioniert? Wir haben Banken sanktioniert. Wir haben die Wirtschaft sanktioniert, vor allem aber auch, um der Rustungsindustrie das Wasser abzugraben. Es gibt kein einziges Waffensystem in Russland, das ohne westliches Know how produziert werden kann. Das heisst, es wird auch mittelfristig dazu kommen, dass die Rustungsindustrie in Russland keine Waffen mehr produzieren kann. Und es gibt Sanktionen gegenuber Oligarchen und das muss massiv ausgeweitet werden. Ich bin fur mehr Sanktionen, nicht fur weniger Sanktionen. Wir mussen diesen Menschen, die im Windschatten von Putin reich und machtig geworden sind, komplett das Wasser abgraben. Die sind ja weiterhin hier in Europa und fuhren ein tolles Leben und kaufen sich irgendwelche Luxuswohnungen in London oder in Berlin. Das akzeptiere ich nicht.<<
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