Bundesfinanzminister Christian Lindner schließt nicht aus, dass die Schuldenbremse in einer Notsituation möglicherweise erneut ausgesetzt wird. »Wenn die Lage es erforderlich macht und die Verfassung es erlaubt, dann behalte ich mir diese Ultima Ratio vor«, sagte der FDP-Chef der »Süddeutschen Zeitung «. Dies werde er aber nur dann »mitteilen und begründen, wenn es unvermeidlich wäre«.
Die Aussagen des FDP-Politikers kommen zum Auftakt der Haushaltswoche im Bundestag. Dabei hatte Florian Toncar, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, am Dienstagvormittag angekündigt, dass die massiven Mehrausgaben, etwa durch das jüngste Entlastungspaket der Regierung, möglich seien, ohne die Schuldenbremse im Jahr 2023 aufzugeben.
Höhere Einnahmen sollen Entlastungspakete tragen
Toncar verwies dabei auf höhere Steuereinnahmen in diesem und im nächsten Jahr. Über die Rückkehr der seit 2020 wegen der Coronapandemie ausgesetzten Schuldenbremse sagte Toncar: »Sie ist einzuhalten.«
Lindner sagte nun in der »SZ«, es wäre für ihn kein hinreichender Grund, die Schuldenbremse auszusetzen, »weil man kein Geld für Vorhaben eines Koalitionsvertrags hat«. Dies möge dann »politisch eine Katastrophe sein, im Sinne der Schuldenbremse ist es keine«. Niemand sollte sich Szenarien wünschen, die einen solchen Schritt verfassungsrechtlich erlaubten. Sie seien aber auch »momentan nicht erkennbar«.
Haushaltsberatungen sollen »finanziellen Raum« schaffen
Der Finanzminister bezeichnete es als auch ökonomisch nicht sinnvoll, »in einer Inflationsphase alles mit Geld lösen zu wollen«. Vielmehr müsse die Koalition in den Haushaltsberatungen die Kraft aufbringen, »für die haushaltspolitischen Prioritäten der Krise finanziellen Raum zu schaffen«.
Die Ampelkoalition hatte sich am Wochenende darauf verständigt, das von ihr mit einem Wert von etwa 65 Milliarden Euro bezifferte dritte Entlastungspaket zur Dämpfung der Folgen von Inflation und gestiegenen Energiepreisen zu finanzieren, ohne die Schuldenbremse 2023 erneut auszusetzen.
Dies war in den vergangenen Jahren wegen der Coronapandemie sowie 2022 auch wegen des Ukrainekrieges geschehen. Aus SPD und Grünen gibt es allerdings immer wieder Überlegungen, in der aktuellen Krise die Regeln der Schuldenbremse erneut auszusetzen.
Lindner zweifelt an Habecks Atom-Notreserve
In der »SZ« meldete Lindner auch Zweifel an, ob die von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verkündete Entscheidung, zwei der drei verbliebenen deutschen Kernkraftwerke als Notreserve in Betrieb zu halten, sinnvoll sei. »Ich habe Zweifel, ob wir klug beraten sind, auf Kapazitäten in der Energieversorgung zu verzichten«, sagte Lindner. Er sprach sich dafür aus, für die Atommeiler neue Brennstäbe zu beschaffen, »um für Eventualitäten gewappnet zu sein«. Habeck sei jedoch der Fachminister: »Er muss das verantworten.«
Die Grünen lehnen es kategorisch ab, neue Brennstäbe für die Atommeiler zu beschaffen. Teile der Partei sehen selbst den von Habeck vorgestellten Weg kritisch. Ursprünglich war vorgesehen, dass die letzten Atomkraftwerke in Deutschland Ende 2022 vom Netz gehen.