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Frank-Walter Steinmeier – Gedenken an Olympia-Attentat 1972: »Ich bitte um Vergebung«

Nach seiner Rede umarmen sich Bundespräsident Steinmeier und Angehörigen-Vertreterin Ankie Spitzer


Foto:

Guido Bergmann / dpa


50 Jahre lang mussten die Angehörigen der elf ermordeten Israelis auf diese Worte warten. Nun steht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) in einem weißen Zelt auf dem Fliegerhorst in Fürstenfeldbruck und sagt: »Ich bitte Sie als Staatsoberhaupt dieses Landes und im Namen der Bundesrepublik Deutschland um Vergebung.«

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Vergebung für den mangelnden Schutz der israelischen Athleten und Trainer bei den Olympischen Spielen 1972 in München. Und für die mangelnde Aufklärung danach. »Dafür, dass geschehen konnte, was geschehen ist.«

Es ist ein Bekenntnis zur deutschen Verantwortung – ohne Wenn und Aber. Ein Schuldeingeständnis, das mehr als überfällig war.

»Eine Geschichte von Fehleinschätzungen«

Das Gedenken an den Terror von München, so formuliert es Steinmeier in seiner Rede, könne nur aufrichtig sein, wenn Deutschland zu schmerzhaften Einsichten bereit sei: »Wenn wir uns dazu bekennen, dass die Geschichte des Olympia-Attentats auch eine Geschichte von Fehleinschätzungen und von tödlichen Fehlern, ja, eines Versagens war.«

Draußen, am alten Tower des Flugfelds vor den Toren der bayerischen Landeshauptstadt, hatten Steinmeier und der israelische Staatspräsident Izchak Herzog zuvor Kränze niedergelegt, streng bewacht von Scharfschützen, die auf den Hangars Position bezogen hatten.


Der israelische Staatspräsident Herzog mit Ehefrau Michal, Steinmeier mit Ehefrau Elke Büdenbender in Fürstenfeldbruck

Der israelische Staatspräsident Herzog mit Ehefrau Michal, Steinmeier mit Ehefrau Elke Büdenbender in Fürstenfeldbruck


Foto:

Sven Hoppe / dpa


Genau hier endeten vor 50 Jahren die »heiteren Spiele« von München mit einem Blutbad . Die palästinensischen Terroristen waren mit neun entführten israelischen Sportlern und Betreuern aus dem olympischen Dorf auf den Militärflughafen gebracht worden. Doch der Versuch, die Geiseln zu befreien, scheiterte kläglich. Alle neun Israelis und ein deutscher Polizist starben. Das Foto eines ausgebrannten Hubschraubers des Bundesgrenzschutzes wurde zum Sinnbild des deutschen Versagens.

Zuvor hatte das Terrorkommando des »Schwarzen September« bereits im olympischen Dorf den israelischen Gewichtheber Josef Romano und den Ringer-Trainer Mosche Weinberg erschossen. Sicherheitsvorkehrungen hatte es in München kaum gegeben. Dabei hatten die Behörden im Vorfeld Warnungen vor möglichen Attentaten palästinensischer Terroristen erreicht. Sie wurden ignoriert.


Flugplatz Fürstenfeldbruck: Hier scheiterte 1972 eine Befreiungsaktion, alle israelischen Geiseln starben.

Flugplatz Fürstenfeldbruck: Hier scheiterte 1972 eine Befreiungsaktion, alle israelischen Geiseln starben.


Foto: Heinz Gebhardt / IMAGO

Steinmeier erinnerte in seiner Rede daran, wie anders die Olympischen Spiele von München werden sollten: ein Gegenprogramm zur Propagandaschau der Nazis bei den Spielen in Berlin 1936. Die Bundesrepublik wollte ein neues, ein weltoffenes Deutschland präsentieren, »das Pickelhaube und Stechschritt hinter sich gelassen hat«, sagte der Bundespräsident.

Dass Athleten und Trainer aus Israel – unter ihnen Überlebende des Holocaust – damals ins Land der Täter reisten, sei ein »riesiger Vertrauensbeweis« gewesen. Doch dem sei die Bundesrepublik nicht gerecht geworden. »Das Olympische Dorf wurde zur internationalen Bühne für Judenhass und Gewalt«, sagte Steinmeier. »Das hätte niemals geschehen dürfen.«

Steinmeiers Bitte um Vergebung ist eine wichtige Geste – zumal auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Opferangehörigen in Fürstenfeldbruck explizit um Entschuldigung baten.

In Israel wurde dieser Tag lange herbeigesehnt

Deutschland stehe zu seiner Schuld und bekenne sich zu den Fehlern der Vergangenheit, sagte Faeser. Dass bis heute keine umfassende Aufklärung des Attentats erfolgt sei, sei »beschämend«.

In Israel wurde dieser Tag lange herbeigesehnt. Fünfzig Jahre lang habe sie kämpfen müssen, um ans Ziel zu kommen, sagte Ankie Spitzer, Witwe des ermordeten Fechttrainers André Spitzer und Sprecherin der israelischen Familien, nun in Fürstenfeldbruck. Sie und Steinmeier umarmten sich nach dessen Rede.

Dabei war noch bis vergangene Woche vollkommen unklar, ob die Hinterbliebenen an der Gedenkveranstaltung teilnehmen würden. Erst dann löste sich ein Streit um eine angemessene Entschädigung .

Die Bundesrepublik hatte den noch lebenden 23 Angehörigen der Opfer zunächst eine Kompensation von 10 Millionen Euro angeboten – abzüglich von rund 4,5 Millionen Euro, die bereits gezahlt worden waren. In der Bundesregierung hielt man dies für ein faires Angebot. Doch als Deutschlands neuer Botschafter in Israel, Steffen Seibert, im Juli den Hinterbliebenen den Vorschlag präsentierte, wiesen diese ihn entrüstet zurück. Sie verlangten eine »Kompensation nach internationalen Standards«, sagte Spitzer dem SPIEGEL. Im August sagte sie die Teilnahme der Hinterbliebenen am Gedenkakt ab.


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Es wäre die größtmögliche Blamage für die Bundesrepublik gewesen: Bundespräsident Steinmeier, Bayerns Ministerpräsident Söder und Innenministerin Faeser hätten allein an das Olympia-Attentat erinnern müssen. Ohne die israelischen Opferangehörigen. Und auch ohne Israels Staatspräsident Izchak Herzog, der unter diesen Umständen kaum an dem Gedenken hätte teilnehmen können.

Hinter den Kulissen gaben sich Steinmeier und Herzog größte Mühe, doch noch zu einer Verständigung zu kommen. Die eigentlichen Verhandlungen führte die Bundesregierung.

Kurz kam sogar die Überlegung auf, dass sich Unternehmer an einer Stiftung beteiligen und so zusätzliches Geld eingesammelt werden könnte. Aber wäre dies das richtige Signal gewesen, um die Verantwortung des deutschen Staats zu demonstrieren? Die Idee wurde verworfen.

Am Ende sagt Ankie Spitzer einen bewegenden Satz

Die entscheidenden Gespräche führten schließlich SPD-Innenstaatssekretärin Juliane Seifert und das FDP-Urgestein Gerhart Baum, der als Anwalt erst vor drei Wochen das Verhandlungsmandat der Angehörigen bekam. Sie einigten sich darauf, dass die Hinterbliebenen zusätzliche »Anerkennungsleistungen« in Höhe von 28 Millionen Euro bekommen. Zudem sollen unter Verschluss gehaltene Akten aus Bayern und dem Bund freigegeben werden. Eine deutsch-israelische Historikerkommission soll die Ereignisse von 1972 lückenlos aufklären.

Beim Gedenkakt auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck bedankte sich Israels Staatspräsident Herzog, dass die Bundesrepublik nach Jahrzehnten der Gleichgültigkeit nun Verantwortung für das Massaker von München übernehme und die Opferangehörigen angemessen entschädige. Dies sei ein »wichtiger, gerechter, moralischer Schritt gegenüber den Familien und der Geschichte«.

Das letzte Wort hatte die Witwe Ankie Spitzer. Sie richtete sich in ihrer kurzen, sehr persönlichen Rede an ihren ermordeten Ehemann André.

Nach dem Massaker von München habe sie versucht, ihr Leben weiterzuleben, wie er es sicher auch gewollt hätte. »Aber ich konnte keinen Frieden finden, weil es keine Gerechtigkeit gab«, sagte Spitzer. »Du kannst nun Ruhe finden, und ich auch – bis wir uns wiedersehen, meine Liebe.«


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