Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat 50 Jahre nach dem Attentat auf israelische Sportler bei den Olympischen Spielen 1972 Deutschland ein dreifaches Versagen attestiert: Das erste betreffe die Vorbereitung der Spiele und das Sicherheitskonzept. Das zweite umfasse die Ereignisse am 5. und 6. September 1972. Das dritte Versagen sei anschließend »das Schweigen, das Verdrängen, das Vergessen«, sagte Steinmeier bei einer Gedenkveranstaltung in Fürstenfeldbruck zum 50. Jahrestag des Attentats.
»Dem Anschlag folgten Jahre und Jahrzehnte des Schweigens und Verdrängens.« Bis heute seien viele Fragen offen. Es sei gut, dass nun eine israelisch-deutsche Historikerkommission eingesetzt werden solle, um mehr Licht in dieses dunkle Kapitel zu bringen.
Steinmeier bat die Hinterbliebenen der Opfer um Verzeihung. »Ich bitte Sie als Staatsoberhaupt dieses Landes und im Namen der Bundesrepublik Deutschland um Vergebung, um Vergebung für den mangelnden Schutz der israelischen Athleten damals bei den Olympischen Spielen in München und für die mangelnde Aufklärung danach; dafür, dass geschehen konnte, was geschehen ist.« Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) baten im Namen der Bundesregierung und des Freistaats um Verzeihung.
Elf Mitglieder des israelischen Olympiateams und ein deutscher Polizist waren bei dem Anschlag ums Leben gekommen, mit dem palästinensische Terroristen über 200 Gefangene in Israel und die RAF-Terroristen Andreas Baader und Ulrike Meinhof freipressen wollten. Die Attentäter waren am frühen Morgen des 5. September 1972 in die Unterkunft der Sportler im Olympischen Dorf eingedrungen, hatten zwei Männer erschossen und neun Geiseln genommen.
Rund 18 Stunden später endete ein Befreiungsversuch auf dem Flugplatz in Fürstenfeldbruck mit einem Blutbad. Alle neun Geiseln, der Polizist und fünf Attentäter starben.
»Unter den Athleten und ihren Trainern waren auch Überlebende der Schoa«
»Es ist meine Pflicht und mein Bedürfnis, unsere deutsche Verantwortung zu bekennen – hier und heute und für die Zukunft. Möge der heutige Tag dazu führen, dass Sie, die Angehörigen, sich wahrgenommen fühlen in Ihrem Schmerz, dass Sie spüren, dass es uns ernst ist mit unserer Verantwortung«, sagte Steinmeier.
Der Präsident würdigte zudem den Mut der israelischen Sportler, nach dem Holocaust wieder nach Deutschland zu reisen: »Welch riesiger Vertrauensbeweis war es, nach dem Menschheitsverbrechen der Schoa im Land der Täter an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Unter den Athleten und ihren Trainern waren auch Überlebende der Schoa.« Diesem Vertrauen sei Deutschland, das auf einen solchen Anschlag nicht vorbereitet gewesen sei, nicht gerecht geworden.
Steinmeier dankte den Angehörigen und dem israelischen Staatspräsidenten Jitzchak Herzog für ihre Teilnahme an der Gedenkveranstaltung. »Ohne Sie alle, ohne die Angehörigen, ohne die Präsenz des Staates Israel war mir ein würdiges Gedenken nicht vorstellbar«, sagte er.
Herzog begrüßt Einigung über Entschädigungszahlung
Der Besuch der Angehörigen hatte zuletzt noch wegen eines jahrzehntelangen Streits über eine Entschädigungszahlung an die Hinterbliebenen der Opfer auf der Kippe gestanden. Erst am vergangenen Donnerstag einigte sich der Bund mit den Opferfamilien schließlich auf die Zahlung einer Kompensation in Höhe von 28 Millionen Euro.
Israels Präsident Herzog sagte bei der Gedenkveranstaltung, die Einigung sei »ein wichtiger, gerechter, moralischer Schritt«. Ausdrücklich dankte er Steinmeier für dessen »große Anstrengungen«. Herzog erinnerte daran, dass zur Pein der Familien der Schmerz über die Gleichgültigkeit gekommen sei und das Gefühl, im Stich gelassen zu werden. Zu der Einigung auf die Entschädigung sagte er: »Dies ist ein wichtiger, gerechter, moralischer Schritt.«