1. Deutschlands Atomwende, nächstes Kapitel
»Deutschland hat kein Strom-, sondern ein Wärmeproblem.« Mit diesem Satz hat Energieminister Robert Habeck in den letzten Monaten alle Forderungen nach einer Laufzeitverlängerung für deutsche Atomkraftwerke abgebügelt. Doch seit heute steht offiziell fest: Der Satz war falsch, der Minister hat sich geirrt. Deutschland hat ein Wärme-, ein Strom- und womöglich auch ein Habeckproblem.
Zwei der drei verbliebenen Meiler, Neckarwestheim in Baden-Württemberg und Isar 2 in Bayern, werden zum Jahresende nicht abgeschaltet werden, sondern bis Mitte April 2023 als Notreserve bereitstehen . Nur fürs Atomkraftwerk Emsland ist planmäßig in der Silvesternacht Schluss.
Mit der Entscheidung fügt sich Habeck dem Ergebnis eines Stresstests. Aus dem Wirtschaftsministerium hieß es, in Süddeutschland könne es im Winter zu einer angespannten Versorgungs- und Netzsituation kommen. Die beiden Kraftwerke könnten notfalls einspringen und einen Beitrag zur Netzstabilität leisten, wenn auch nur einen geringen, so das Ministerium. Neue Brennelemente würden nicht geladen. Eine weitere Laufzeitverlängerung werde es nicht geben.
Habeck stellte das Ergebnis des Stresstests heute Nachmittag vor seiner Fraktion im Bundestag vor. Mein Kollege Gerald Traufetter schreibt dazu: »Innerhalb der Grünen dürfte die Verlängerung umstritten sein, doch Habeck ist seiner Partei mit der Entscheidung für die Einsatzreserve sogar entgegengekommen. Viele hatten erwartet, dass er einem sogenannten Streckbetrieb bis zum Frühjahr zustimmen könnte. Damit, so fürchteten viele Grüne, hätte Habeck eine Diskussion um eine weitere Verlängerung der Laufzeiten provoziert, bei der neue Brennstäbe beschafft und über die kommenden Jahre eingesetzt würden.«
Viele andere dürften sich allerdings fragen, warum der zuständige Fachminister überhaupt so lange an einer Fiktion vom Atomausstieg festhielt, an die außerhalb der Grünen-Bubble schon lange kaum noch jemand geglaubt hat.
Doch besser spät als nie. Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist Habecks Kursschwenk eine gute Nachricht. Man muss kein Atomfan sein, um es beruhigend zu finden, dass zumindest der wirtschaftlich wichtige Süden Deutschlands von einem Abschaltexperiment mit ungewissem Ausgang verschont bleibt.
Und beim Gas? Nachdem Putin mit einer fadenscheinigen Begründung die einst wichtigste Pipeline Nord Stream 1 stillgelegt hat, tritt nun ein, was wirtschaftlich riskant, aber politisch überfällig ist: Deutschland ist abgekoppelt von russischem Gas. Die Verbraucherinnen und Verbraucher, das ist die gute Nachricht, müssen dafür momentan auch nicht an Putin zahlen.
Wie hart wird es für uns? Kommen wir ohne russisches Gas durch den Winter? Meine Kollegen Claus Hecking, Benedikt Müller-Arnold und Gerald Traufetter haben die wichtigsten Fakten zusammengetragen .
Zunächst einmal ist die Unsicherheit groß. Am europäischen Referenzmarkt TTF kostete Gas heute zeitweise nochmals gut 30 Prozent mehr als am Freitag. Der Deutsche Aktienindex brach ein. Ohne russisches Gas, so die Sorge, könnte es für die hiesige Wirtschaft im Winter eng werden.
»Andererseits«, schreiben meine Kollegen, »arbeitet Deutschland schon seit dem Angriff auf die Ukraine daran, unabhängig von Gasimporten aus Russland zu werden.« Die deutschen Gasspeicher sind derzeit schon zu gut 85 Prozent gefüllt. Diese Marke sollte nach den ursprünglichen Plänen der Regierung erst im Oktober erreicht werden. Die derzeitigen Reserven von etwa 20 Milliarden Kubikmetern würden für sich genommen ungefähr für zwei Wintermonate reichen. Aber Deutschland wird auch weiter Gas geliefert bekommen – etwa über Pipelines aus Norwegen oder in Form von Flüssigerdgas (LNG). Die ersten beiden schwimmenden LNG-Terminals in Wilhelmshaven und Brunsbüttel sollen um den Jahreswechsel herum in Betrieb gehen.
Zugleich haben deutsche Unternehmen bereits auf Sparflamme geschaltet. Der Gasverbrauch von Industrie und Gewerbe lag zuletzt fast 19 Prozent unter dem Mittel der Vorjahreszeiträume, wie die Bundesnetzagentur berichtet.
Es könnte also tatsächlich klappen, ohne russisches Gas durch den Winter zu kommen. Der Preis allerdings wird hoch sein. Umso wichtiger ist, dass die Bundesregierung Wege findet, wie sie besonders hart betroffenen Menschen dabei hilft, die Wohnung warmzuhalten.
Das gestern verkündete Entlastungspaket reicht dazu nicht aus. Es verteilt das Geld mit der Gießkanne. Wer als Geringverdiener auf eine Gasrechnung von mehreren Tausend Euro zusteuert, dem werden auch 300 Euro Energiepreispauschale nicht helfen. Warum also verplempert die Regierung gleichzeitig gewaltige Summen für die Unterstützung von Gutverdienern?
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Lesen Sie hier mehr: Kommen wir ohne russisches Gas durch den Winter?
2. Wer ist Liz Truss?
Großbritannien bekommt eine Premierministerin: Liz Truss, 47, bisher Außenministerin, setzte sich bei der Abstimmung ihrer Parteibasis mit 57 Prozent gegen den früheren Finanzminister Rishi Sunak durch. Mit dem Sieg folgt Truss als Parteichefin der Tories auf den zurückgetretenen Boris Johnson und übernimmt fortan auch die Regierungsgeschäfte. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gratulierte via Twitter. »Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit in diesen herausfordernden Zeiten«, schrieb Scholz. Deutschland und Großbritannien würden weiterhin eng kooperieren, »als Verbündete und Freunde«.
Wer ist die Frau? Mein Kollege Jörg Schindler beschreibt sie als Taktiererin , die in den großen politischen Schlachten der vergangenen Jahre beherzt mal diese, mal jene Position vertreten habe. Sie komme ursprünglich von links; die Tochter einer Anti-Atomwaffen-Aktivistin machte die ersten Schlagzeilen, weil sie die Monarchie abschaffen wollte. Doch schnell wechselte sie ins Establishment. »In zehn Jahren war sie als Ministerin und Staatssekretärin unter anderem zuständig für Umwelt, Ernährung, Erziehung, Finanzen, Frauen, Gleichstellung, Justiz, internationalen Handel und Außenpolitik«, schreibt Jörg. »In keinem dieser Ämter hinterließ sie sonderlich bleibenden Eindruck – sieht man einmal von ihrer Parteitagsrede 2014 als damalige Landwirtschaftsministerin ab. Über diese ›Käse-Rede‹ wird in Westminster noch heute gern und ausgiebig gekichert. Nicht zuletzt von Truss selbst.«
Am morgigen Dienstag werden Johnson und Truss nach Balmoral Castle in Schottland reisen, wo sich die Queen aufhält. Johnson wird sich ein letztes Mal als Premier an die Bevölkerung wenden, bevor er von der Queen aus dem Amt entlassen wird und die offizielle Übergabe der Amtsgeschäfte stattfindet.
Ich muss an dieser Stelle gestehen, dass mich die Nachricht vom Wechsel an der britischen Regierungsspitze melancholisch macht, denn ich habe eine Schwäche für Johnson. Er war gewiss kein guter Premier, er übergibt sein Land in einem schlechten wirtschaftlichen Zustand, ich wollte nicht von ihm regiert werden. Aber dass er den mit demokratischer Mehrheit beschlossenen Brexit wunschgemäß umsetzte, kann man ihm nicht vorwerfen. Wie Johnson mit diplomatischen Konventionen brach, war oft befreiend. Und im Gegensatz zu Olaf Scholz ließ Johnson seiner Kritik an Putins Überfall auf die Ukraine sofort die richtigen Taten folgen.
Zudem ist Johnson ein interessanter Autor. Sollten Sie seine Biografie über Winston Churchill noch nicht gelesen haben (tatsächlich ist es eine Hagiografie, die kaum verklausuliert von Boris Johnson handelt): Hier finden Sie ein Interview , das meine Kollegen Thomas Hüetlin und Christoph Scheuermann damals mit ihm geführt haben. Eine Frage lautete, wie viel Churchill in Johnson stecke.
Churchill wurde 1945 als britischer Premierminister abgewählt. Sechs Jahre später war er wieder da.
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Lesen Sie hier das Porträt von Liz Truss: Die Draufgängerin
3. Hass auf alle, die anders sind
In Bremen ist eine 57 Jahre alte trans Frau in der Straßenbahn von Jugendlichen schwer verletzt worden. Wie die Polizei heute mitteilte, schlug einer der Jugendlichen der Frau bei dem Vorfall am Samstagabend mehrfach mit beiden Fäusten ins Gesicht. Dabei sei er von seinen knapp 15 Begleitern »lautstark« angefeuert worden. Zuvor hatten Mitglieder der Gruppe ihrem Opfer laut Polizei die Perücke vom Kopf gerissen und die Frau grob beleidigt. Erst als andere Fahrgäste einschritten, ließen die Angreifer ab und flohen aus der Bahn. Das Opfer kam mit schweren Gesichtsverletzungen in eine Klinik.
Womöglich wäre uns die Hassattacke heute bei Spiegel.de keine sehr große Schlagzeile wert gewesen, hätte es nicht erst kürzlich einen ähnlichen Fall gegeben. Vor einigen Tagen starb ein 25-Jähriger trans Mann nach einem Angriff am Rande des Christopher Street Day in Münster. Laut Polizei hatte er sich schützend vor Teilnehmerinnen gestellt, die von einem 20-Jährigen homophob beleidigt wurden. Der 20-Jährige schlug ihn daraufhin mehrfach ins Gesicht. Der mutmaßliche Angreifer befindet sich in Haft.
Meine Kollegen Sara Wess und Rafael Buschmann haben sich in Münster auf die Spur des Verdächtigen gemacht , er heißt Nuradi A.. Sara und Rafael sprachen mit seiner Mutter, seinen Geschwistern und einigen Freunden, lasen Chatnachrichten, Gerichtsdokumente und Zeugnisse. In ihrem Text zeichnen sie das Bild eines jungen Mannes, der auf einem sehr guten Lebensweg zu sein schien, bis er irgendwo falsch abbog und zunehmend gewalttätig wurde.
Auf älteren Fotos sieht man Nuradi A. lachend als erfolgreichen Jugendboxer neben Münsters Oberbürgermeister stehen. Er machte den Hauptschulabschluss, ging 2020 vorübergehend sogar zur Abend-Realschule. Doch schon letztes Jahr beschäftigte sich die Staatsanwaltschaft mit A.. Ein Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung wurde im Herbst 2021 eingestellt, im Februar dieses Jahres schlug A. mit Faust einen Mann vor einer Kneipe.
A.s Mutter sagt über ihren Sohn, sie sei fassungslos; sie könne das alles nicht glauben. »Mein Sohn ist tolerant, solche Probleme hatte er nie zuvor, er hat noch nie etwas gegen eine homosexuelle Person gesagt.«
Als ich vor über 30 Jahren in meiner mittelgroßen Heimatstadt zur Schule ging, hörten in der Disco zwar alle Culture Club, aber wer sich selbst wie Boy George kleidete, brauchte wirklich Mut, denn er wurde aufs Übelste bepöbelt. Es war eine unfassbar intolerante Zeit, von der ich eigentlich hoffte, wir hätten sie überwunden. Doch das war leider zu optimistisch.
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Lesen Sie hier die ganze Geschichte: »Ich denke die ganze Zeit an den toten Jungen«
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Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine
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Russland belegt Sean Penn und Ben Stiller mit Einreiseverbot: Die Führung in Moskau nennt es eine Reaktion auf US-Sanktionen: Russland hat einen Einreisestopp gegen 25 US-Bürger verhängt. Betroffen ist eine Ministerin – und auch Hollywoodprominenz.
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Russisches Gericht entzieht »Nowaja Gaseta« die Drucklizenz: Ihr Erscheinen ist ausgesetzt, Redakteure der »Nowaja Gaseta« veröffentlichen ihre Texte inzwischen aus dem Exil. Nun gehen die russischen Behörden weiter gegen die bekannteste unabhängige Zeitung des Landes vor.
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Russisches Referendum in Cherson vorerst gestoppt: Per Abstimmung wollte Russland seine Besatzung rechtfertigen – nun muss das Vorhaben warten. Eine Brücke in der Region wurde massiv beschädigt. Und: Der Kreml beziffert seine Einnahmen aus dem Ölgeschäft.
Was heute sonst noch wichtig ist
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Erdoğan droht Griechenland mit Militärangriff: Im Konflikt um mehrere Inseln in der Ägäis verschärft der türkische Präsident Erdoğan seine Rhetorik. Er droht Athen mit Krieg: »Wenn die Zeit kommt, werden wir tun, was nötig ist.«
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Pazifischer Müllstrudel besteht vor allem aus Fischereiabfällen: Etliche Tonnen Plastik landen jedes Jahr im Pazifik. Die Organisation Ocean Cleanup hat untersucht, wie sie dorthin kommen – ein Großteil des Mülls lässt sich demnach fünf Nationen zuordnen.
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Indigene sehen Drogen als Ursache für Messerattacken: Zwei Tatverdächtige sind infolge der tödlichen Messerattacken in einem kanadischen Reservat für Indigene auf der Flucht. Die Polizei erkennt noch kein Motiv, doch Indigene haben eine Vermutung.
Meine Lieblingsgeschichte heute: Darf man noch sagen, was man denkt?
Nein, auch wir beim SPIEGEL sind nicht immer einer Meinung. Die großen und kleinen Debatten, die dieses Land beschäftigen, tragen auch wir untereinander aus. Es kann passieren, dass Sie in der einen Woche den Kommentar eines Kollegen lesen, der das Gegenteil von dem sagt, was eine Kollegin in der Vorwoche geschrieben hat. Und so sollte das meiner Ansicht nach auch sein. Wenn es in einer Gesellschaft unterschiedliche Positionen gibt, kann es keinen gleichgeschalteten SPIEGEL geben, sonst könnten wir den Auftrag unseres verstorbenen Herausgebers Rudolf Augstein nicht erfüllen, der lautet: Sagen, was ist. Ich persönlich lese übrigens sehr gerne Meinungen, die ich nicht teile. Und sei es, um mich aufzuregen, was nach Ansicht meiner Familie zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehört.
In der aktuellen SPIEGEL-Ausgabe können Sie nachlesen, wie wir in der Redaktion über das Thema »Cancel Culture« diskutieren . Mein Kollege René Pfister, SPIEGEL-Korrespondent in Washington, hat ein Buch darüber geschrieben, wie eine neue linke Bewegung die Meinungsfreiheit bedrohe, er sagt: »Ein falsches Wort – und du bist raus.« Mein Kollege Jonas Schaible hingegen sagt, diese »Gruselshow« funktioniere bei ihm nicht. »Cancel Culture« sei ein Kampfbegriff der radikalen Rechten. Und von diesen, siehe Trump, gehe eine weit größere Gefahr für die Freiheit aus.
Ich bin neugierig, wer von beiden Sie mehr überzeugt.
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Lesen Sie hier das ganze Streitgespräch: Darf man noch sagen, was man denkt?
Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen
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»Ein schleichender Raub der Sinne«: Begleitet von Militärjets stürzte eine Cessna nach stundenlangem Flug in die Ostsee – vermutlich weil der Pilot wegen Sauerstoffmangels nicht mehr steuern konnte. Laut Experten gibt es solche Vorfälle immer mal wieder .
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Der Tote, die Sekte und brisante Enthüllungen: Japan wird knapp zwei Monate nach dem tödlichen Attentat auf Shinzō Abe von einer Welle des Mitleids erfasst – mit dem mutmaßlichen Mörder. Was ist da los?
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»Unsere Hoffnung ist, dass es dann reichen würde, sich einmal im Jahr impfen zu lassen«: Bald könnten mehrere Omikron-Booster zur Verfügung stehen. Paul Burton, Chief Medical Officer bei Moderna, sagt, wie sich die Vakzinen unterscheiden, und skizziert die Zukunft der Covid-19-Impfungen .
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Warum die Geiselbefreiung in Fürstenfeldbruck so furchtbar scheiterte: Der Überfall auf Israels Olympiateam endete 1972 in einer Katastrophe. Drei Historiker erklären, was auf dem Fliegerhorst nahe München geschah – und weshalb in diesen 20 Stunden der Gewalt alle Geiseln starben .
Was heute weniger wichtig ist
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Familienband: Shane Hawkins, 16, sorgte beim Gedenkkonzert der Foo Fighters für seinen kürzlich verstorbenen Vater für eine bewegende Szene: Er setzte sich beim Song »My Hero« selbst ans Schlagzeug. In sozialen Medien schwärmten Fans von einem der »berührendsten Momente in der Rockgeschichte«. Foo-Fighters-Sänger Dave Grohl kämpfte während des Konzerts mehrfach mit den Tränen. Shanes Vater, der langjährige Foo-Fighters-Drummer Taylor Hawkins, war am 25. März auf Tournee in einem Hotelzimmer in Kolumbien tot aufgefunden worden; die Todesursache wurde noch nicht bekannt gegeben. Beim sechsstündigen Gedenkkonzert traten nun unter anderem Paul McCartney, Ex-Oasis-Sänger Liam Gallagher und der frühere Police-Schlagzeuger Stewart Copeland auf. Am 27. September soll ein zweites Tribute-Konzert in Los Angeles stattfinden.
Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: »Kanzler Scholz Scholz (SPD, 2.v.r.), gestern mit Grünenchef Omid Nouripour (l.), SPD-Chefin Saskia Esken (r.) und FDP-Chef Christian Lindner auf dem Weg zur Pressekonferenz, um dort das Entlastungspaket vorzustellen«
Cartoon des Tages: Entlastungspaket
Illustration: Klaus Stuttmann
Und heute Abend?
Der Schriftsteller Thomas Melle, 47, leidet unter der bipolaren Störung, er ist manisch-depressiv. 2016 schrieb er darüber ein Buch mit dem Titel »Die Welt im Rücken«, von dem mein Kollege Tobias Becker sagt, es berühre, wie nur wenige Bücher berührten, mal traurig, mal witzig, oft wahnwitzig: »ein Superbuch«. Melle beschrieb, wie er wie ein »hirnversengter Clown« durch die Stadt rast und Katastrophe auf Katastrophe anhäuft. Im Berliner Club Berghain hielt er einen Mann für den jungen Picasso, kippte ihm Rotwein in den Schoß, weil er Picassos nicht ausstehen kann. Sich selbst hielt er für den Sohn des Popstars Sting. »Die Welt im Rücken« wurde in 22 Sprachen übersetzt und ein großer Bestseller.
Sechs Jahre später erscheint nun ein neues Buch von Melle, es heißt »Das leichte Leben«, offenbar hat der Autor seinen Humor nicht verloren. Das Buch ist eine Paar- und Familiengeschichte. Kathrin und Jan, das einstige Szenepaar, werden solide, bekommen zwei Kinder, Jan macht Karriere, Kathrin leider nicht. Irgendwann sieht sie sich in einem Käfig gefangen, sie bricht aus und sucht den Rausch und die Ekstase. Wohingegen ihr Mann Jan mit Gespenstern der Vergangenheit konfrontiert wird.
»Melle kann über Sex schreiben wie nur wenige, weil er abdrehen kann wie kein zweiter«, schreibt Tobias in seiner Rezension . »Es ist ein Roman, der jedem und jeder ans Herz gelegt sei, ein bürgerlicher Familienroman, zeitgenössisch erzählt, mit zeitaktuellen Problemen.«
Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Herzlich
Ihr Alexander Neubacher
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