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News: Olaf Scholz, Montagsdemonstrationen, Liz Truss, Izchak Herzog

Entlastungspaket – nicht nur auf die Zahlen kommt es an

Die Regierung hat ein drittes Entlastungspaket beschlossen und gestern verkündet. Es sieht unter anderem eine Strompreisbremse vor, Einmalzahlungen für Rentnerinnen und Rentner und eine Erhöhung des Kindergelds. Insgesamt soll das Paket mehr als 65 Milliarden Euro umfassen. Das ist viel, sehr viel. Allein schon mit der schieren Summe will die Ampelkoalition offenbar ihre zuletzt stark bezweifelte Handlungsfähigkeit beweisen und die des ganzen Landes gleich mit.

Kanzler Scholz Scholz (SPD, 2.v.r.), gestern mit Grünen-Chef Omid Nouripour (l), SPD-Chefin Saskia Esken (r) und FDP-Chef Christian Lindner auf dem Weg zur Pressekonferenz, um dort das Entlastungspaket vorzustellen


Foto: Michael Kappeler / dpa

Mit Olaf Scholz sind seit Beginn der Pandemie schwindelerregende Ausgaben verbunden. Als Finanzminister verkündete er am Anfang der Pandemie mit Optimismus, fast mit Heiterkeit, er werde die »Bazooka« rausholen, also Unsummen ausgeben, um das Land mit »Wumms« aus der Krise zu holen. Als Kanzler nun schlägt er – in der neuen Lage, in der noch ein paar mehr Krisen hinzugekommen sind – leisere, ernstere Töne an. Das hat Gründe.

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Zu Beginn der Pandemie ging ein (allerdings irriges) Gefühl um, das Virus bedrohe alle irgendwie gleich. Bei der Energiekrise aber war von vornherein klar, dass sie Ungerechtigkeiten, dass sie soziale Härten verschärfen wird. Wer keine Ersparnisse hat, wer in einem Mietshaus mit Gasheizung wohnt, den trifft es schlimmer als solvente Besitzer von Einfamilienhäusern, die nun überlegen können, ob sie ihre Rücklagen in Solaranlagen und Wärmepumpen investieren wollen.

Der soziale Frieden ist gefährdet, die für heute angekündigten »Montagsdemonstrationen« gegen die Energiepreispolitik der Regierung, zu denen nun auch die Linke aufruft, belegen das. Sie zeigen aber auch etwas anderes: Finanzielle Entlastungen allein, so nötig sie sind, werden nicht ausreichen, um die Lage zu beruhigen. Was es vor allem braucht, ist eine gute Kommunikation.

Bei den »Montagsdemonstrationen« verschwimmt, wer der eigentliche Aggressor ist: Putin. Und welches Ziel er verfolgt: die Demokratien des Westens durch Erpressung zu erschüttern.

Die Regierung muss also viel klarer machen, was die Ursache der aktuellen Krise ist und was die Ziele ihrer Politik sind.

Scholz hat gestern im Sommerinterview gesagt, die Zeiten seien aufgeregt. Er aber lehne es für sich ab, aufgeregt zu sein. Niemand erwartet, dass er die Aufregung anheizt. Sinnvoll wäre es, Zahlen und Maßnahmen immer wieder – und gern in aller Ruhe – mit dem zu verbinden, worum es hier eigentlich geht: um die Verteidigung von Demokratie und Freiheit.

Wer folgt auf Boris Johnson? Und geht das gut aus?

Heute gibt die britische Konservative Partei bekannt, wer als neue oder neuer Premier Boris Johnson nachfolgt. Die Tory-Mitglieder hatten die Wahl zwischen Außenministerin Liz Truss und dem früheren Finanzminister Rishi Sunak. Mein Kollege Jörg Schindler, London-Korrespondent des SPIEGEL, hat sich festgelegt: »Nach Lage der Dinge kann das nur Liz Truss sein«, schreibt er in einem Porträt der britischen Politikerin. Truss, so schildert es mein Kollege, inszeniere sich gern als neue Margaret Thatcher.


Favoritin Truss

Favoritin Truss


Foto: NEIL HALL / EPA

Ihr Kalkül ist verständlich: Die Konservativen verehren die einstige Premierministerin immer noch, es kann Truss also nur nützen, mit Thatcher verglichen zu werden. Doch wenn stimmt, was der ehemalige Politikdozent von Truss kürzlich in der »Times« über die Kandidatin schrieb, wäre ein anderer Vergleich naheliegender: »Ihr herausragender Charakterzug ist die Fähigkeit, ohne mit der Wimper zu zucken, eine leidenschaftliche Überzeugung durch eine andere zu ersetzen.«

Das klingt nicht nach der sturen Thatcher, sondern eher nach Johnson. Und waren es nicht vor allem die ständigen Positionswechsel, die zur Absetzung Johnsons geführt haben?

In Deutschland schläft ein Hund

Seit gestern ist der israelische Präsident Izchak Herzog auf Staatsbesuch in Deutschland. Heute wird er an der Gedenkveranstaltung für die israelischen Opfer des Olympia-Attentats in München 1972 teilnehmen, morgen vor dem Plenum des Bundestages sprechen und dann die Gedenkstätte für das frühere Konzentrationslager Bergen-Belsen bei Celle besuchen. Herzogs Vater war als Offizier der britischen Armee an der Befreiung des Lagers beteiligt.


Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (r) und seine Frau Elke Büdenbender (l) begrüßten gestern Herzog und seine Frau Michal Herzog vor dem Schloss Bellevue.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (r) und seine Frau Elke Büdenbender (l) begrüßten gestern Herzog und seine Frau Michal Herzog vor dem Schloss Bellevue.


Foto: Bernd von Jutrczenka / dpa

Was für ein Land ist das, das Herzog bereist? Deutschland – fast achtzig Jahre nach dem Ende des Holocausts? Wie sieht jüdisches Leben heute hier aus?

Vergangene Woche ist eine Sonderausgabe des SPIEGEL erschienen, »System-Sprenger« lautet die Titelzeile, die Ausgabe beschäftigt sich mit dem Lebensgefühl der jungen Erwachsenen und soll zum Dialog zwischen Älteren und Jüngeren anregen. Verwandte aus verschiedenen Generationen schrieben sich für diese Ausgabe Briefe.

Wir haben auch den 25-jährigen Lars Umanski gebeten, sich mit seinen Eltern Briefe zu schreiben, er ist Vizepräsident der jüdischen Studierendenunion. »Hi, Ihr Lieben«, so beginnt er und schildert dann, wie er sich über das große Angebot an jüdischen Veranstaltungen in Berlin freut. Er schreibt aber auch: »Mittlerweile muss man echt vorsichtig sein, inwiefern und wo man seine jüdische Identität offen zeigt«. Antisemitismus sei »wie ein schlafender Hund in diesem Land, und jeder vertraut darauf, dass er nicht geweckt wird«.

Lars Umanski ist ein freundlicher, ein höflicher Mensch. Vielleicht hat er deswegen bei seiner Formulierung auf einen Zusatz verzichtet, auf ein »zu sehr«: Jeder vertraue zu sehr darauf, dass der Antisemitismus nicht geweckt werde.

Pussy Riot – Mehr als ein Menetekel

Bevor Russland im Februar die Ukraine angriff, war es nicht üblich, Wladimir Putin einen Diktator zu nennen und Russland eine Diktatur. Diese Begriffe zu vermeiden, war auch ein Akt der Rücksichtnahme. Genützt hat das nichts.


Pussy-Riot-Künstlerinnen Nadeschda Tolokonnikova (l), Jekaterina Samuzewitsch (Mitte) and Maria Aljochina beim Prozess in Moskau im August 2012.

Pussy-Riot-Künstlerinnen Nadeschda Tolokonnikova (l), Jekaterina Samuzewitsch (Mitte) and Maria Aljochina beim Prozess in Moskau im August 2012.


Foto: MAXIM SHEMETOV/ REUTERS

Putin springt schon seit langer Zeit wie ein Diktator mit Gegnerinnen und Gegnern um. Am 21. Februar 2012, zehn Jahre vor Kriegsbeginn, warnten die Punk-Rockerinnen Pussy Riot mit einem kurzen Protestauftritt in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale vor Putins Pakt mit der Orthodoxie. Die Frauen wurden festgenommen, wegen Rowdytums zu zwei Jahren Haft verurteilt – einer absurd hohen Strafe. Es wäre untertrieben, das Urteil als Vorbote des Unheils anzusehen. Es war ein Beleg, dass das Unheil in Russland längst seinen Lauf genommen hatte.

Heute tritt Pussy Riot in Münster auf.

Mehr Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier:

  • Selenskyj feiert angebliche Geländegewinne, 13 Frachter voller Getreide unterwegs: Laut Kiew macht die ukrainische Armee im Osten und Süden Boden gut. Ein explodierter Granatwerfer bei einem Kinderfest wird untersucht. Und: Bundeswehrkräfte treffen in Litauen ein. Das geschah in der Nacht.

  • So verläuft die ukrainische Offensive im Süden: Ukrainische Truppen sind seit einer Woche auf dem Vormarsch. Trotz mutmaßlicher Gebietsgewinne haben die Soldaten einen langen Weg vor sich – der derzeitige Stand in Karten und Bildern. 

  • »Das Atomkraftwerk kann nicht sicher betrieben werden«: Der frühere stellvertretende IAEA-Direktor Olli Heinonen hat selbst nukleare Anlagen in Kriegsgebieten inspiziert. Er sorgt sich um den Zustand des AKW in Saporischschja – und warnt vor einem Ausfall der Kühlung. 

  • »Während ihr Pfennige zählt, zählen wir unsere Opfer«: Olena Selenska äußert sich immer wieder zum Ukrainekrieg. Nun redete die Frau des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit der BBC – und richtete deutliche Worte an die Menschen im Westen.

Hier geht’s zum aktuellen Tagesquiz

Die Startfrage heute: Wo war Angela Merkel am Abend des Mauerfalls am 9. November 1989?


Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

  • Mindestens zehn Tote bei Serie von Messerangriffen in Kanada: Manche Opfer wurden offenbar gezielt attackiert, andere zufällig: Bei mehreren Angriffen mit Messern sind in einer entlegenen Region Kanadas zehn Menschen gestorben. Die Täter befinden sich auf der Flucht.

  • Privatflugzeug stürzt nach Irrflug in die Ostsee: Womöglich waren die Insassen bewusstlos: Eine Cessna, die von Südspanien aus nach Köln unterwegs war, ist vor der Küste Lettlands abgestürzt. Zuvor waren Eurofighter der deutschen Luftwaffe aufgestiegen.

  • Chiles Bevölkerung schmettert neue Verfassung ab: 15 Millionen Menschen in Chile waren aufgerufen gewesen, über einen Verfassungsentwurf abzustimmen – und ihr Urteil ist deutlich: Sie ließen das Papier rundheraus durchfallen



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Die SPIEGEL+-Empfehlungen für heute

  • Wie ein havarierter Segler 16 Stunden auf dem Atlantik überlebte: Mitten auf dem Meer füllt sich das Boot von Laurent Camprubi mit Wasser, kurze Zeit später treibt es mit dem Rumpf nach oben. Stundenlang wartet er auf Hilfe, doch es ist zu dunkel und die See zu unruhig für seine Rettung. 

  • Die Literatur sollte Thomas Melle retten – »vielleicht war das ein naiver Glaube«: Traurig, witzig, wahnwitzig: Mit einem Buch über seine manische Depression berührte Thomas Melle seine Leserschaft. Nun erscheint sein neuer Roman – und ein weiteres Mal muss er den Weg aus der Krankheit zurück ins Leben finden 

  • Der Kampf um das Sperma des Wunderhengstes: Vor einem Gericht duelliert sich der Pferdehändler Paul Schockemöhle mit einem niederländischen Unternehmer. Es geht um rund 120 Milliliter Samenflüssigkeit – und die Frage, wer mit der Hinterlassenschaft eines toten Tieres noch Millionen scheffeln darf. 

  • Die Tücken des Preisdeckels: Die Koalition greift in den Strommarkt ein: Geld aus einer Übergewinn-Umlage soll eine Preisbremse finanzieren. Das entlastet alle Deutschen. Nur wie hoch? Das ist noch völlig unklar – und das Vorhaben sehr komplex. 

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

Ihre Susanne Beyer

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