Gazprom liefert kein Gas mehr nach Deutschland, das 9-Euro-Ticket und der Tankrabatt sind seit zwei Tagen ausgelaufen, und die Preise steigen weiter – Herbst und Winter drohen für die Deutschen ungemütlich zu werden. Viele sorgen sich, ihre Energierechnungen nicht bezahlen zu können. Die Linke und die AfD sprechen schon von einem »heißen Herbst«, wollen Menschen auf die Straße bringen, um gegen die Regierung zu demonstrieren. Diese fürchtet außerdem, wenn die Stimmung im Land kippt, könnte die Unterstützung in der Bevölkerung für die Sanktionen gegen Russland schwinden. Deshalb trifft sich am Samstag der Koalitionsausschuss, um darüber zu sprechen, wie die Bürgerinnen und Bürger weiter entlastet werden.
Wer trifft sich dort und warum?
Der Koalitionsausschuss besteht aus Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), den beiden Vizekanzlern, Robert Habeck (Grüne) und Christian Lindner (FDP), sowie den Partei- und Fraktionsspitzen der drei Ampelparteien. Am Samstagmorgen tritt der Ausschuss zusammen, um sich auf weitere Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger zu einigen. Es wäre das dritte Entlastungspaket der Regierung.
Welche Maßnahmen sind im Gespräch?
Die SPD fordert »zielgenauere« Entlastungen, vor allem für Geringverdienende, Rentnerinnen und Rentner. Womöglich würde sie auch Steuern für Gutverdienende erhöhen: »Wir müssen denen helfen, die wirklich in existenzielle Nöte geraten«, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil der »Süddeutschen Zeitung«. Das bedeute auch, dass Gutverdiener Einbußen erleiden, »aber das können sie verkraften«. Dass Rentner bei der Energiepauschale von 300 Euro nicht berücksichtigt worden seien, sei »ein Fehler« gewesen, sagte Klingbeil. »Der muss jetzt korrigiert werden.« Auch Studierende wolle man entlasten, hatte es aus der SPD im Vorfeld geheißen.
Der Generalsekretär der SPD, Kevin Kühnert, forderte, dass »Unternehmen, die zufällig und leistungslos von der Krise profitieren, zur Kasse gebeten werden«. Das sagte Kühnert dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Das klingt nach einer Übergewinnsteuer, die die FDP bisher immer abgelehnt hat. Auch Steuererhöhungen hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ausgeschlossen. Lindner möchte vor allem die sogenannte kalte Progression ausgleichen. Sie führt dazu, dass in Zeiten von Inflation die Menschen mehr Steuern bezahlen, obwohl ihre Kaufkraft real nicht steigt. Bundeskanzler Scholz hatte dafür bereits im Vorfeld Unterstützung anklingen lassen.
Ein weiteres Thema wird wohl eine Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket sein – Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte in einem Interview angekündigt, ein solches Ticket solle Anfang 2023 starten.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) warb im Vorfeld des Ausschusses für Entlastungen für Familien: »Familien leiden besonders unter den hohen Preisen. Deshalb sollte das Kindergeld deutlich angehoben werden und mindestens die Inflation ausgleichen«, sagte Paus der Samstagsausgabe der »Rheinischen Post«.
Gibt es weitere Forderungen?
Diverse Interessensverbände warben für unterschiedliche Maßnahmen. So forderte der Hauptgeschäftsführer des Wohlfahrtsverbands Der Paritätische, Ulrich Schneider, eine Erhöhung der Grundsicherung um monatlich 200 Euro und eine Ausweitung der Wohngeldberechtigten von jetzt gut 600.000 auf zwei bis drei Millionen. Das sagte Schneider dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, verlangte im dpa-Audiointerview eine Einmalzahlung vor allem für Rentner, mehr Wohngeldberechtigte und eine Preisdeckelung für den Grundbedarf an Energie.
Der Städte- und Gemeindebund sprach sich für ein Klimaticket nach österreichischem Vorbild aus. »Das dortige Klimaticket hat sich bewährt«, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Österreicher können damit jeden Bus, jede Straßenbahn und jeden Nah- und Fernverkehrszug nutzen und zahlen dafür 1095 Euro pro Jahr beziehungsweise ermäßigt 821.
Auch aus der Opposition kommen Forderungen: Die Linkenfraktionschefs Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch warben für einen Energiepreisdeckel für private Haushalte und einen Stopp der Gasumlage. Mohamed Ali verlangte zudem eine vorübergehende Mehrwertsteuersenkung auf null.
Welche Entlastungen gibt es bereits?
Bisher wurde bereits der Strompreiszuschlag zur Förderung erneuerbarer Energien (EEG-Umlage) abgeschafft, es gibt eine Energiepauschale von 300 Euro für alle Beschäftigten und eine Einmalzahlung von 100 bis 200 Euro für alle Arbeitslosen, das Kindergeld wurde einmalig um 100 Euro pro Kind aufgestockt, drei Monate lang bis August wurde der Spritpreis gestützt und es gab für die Monate Juni, Juli und August das 9-Euro-Ticket im öffentlichen Nahverkehr.