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News: Robert Habeck, Friedrich Merz, Krieg in der Ukraine

Gib mir meine Legionen zurück!

Normale Menschen machen sich an diesem Wochenende vielleicht Gedanken darum, ob das Wetter eher zu heiß oder eher zu regnerisch für einen Ausflug wird. Die Bundesregierung dagegen fiebert dem Ergebnis des Stresstests entgegen, der zeigen soll, ob es nötig ist, die deutschen Atomkraftwerke länger als geplant laufen zu lassen, um die Stromversorgung zu stabilisieren.

Wann genau das Ergebnis vorliegt, kann niemand sagen, aber da die Regierung sich schon ab Dienstag in Schloss Meseberg zur Klausurtagung treffen wird, wo die Energiepreise und die Entlastung der Deutschen von selbigen eine zentrale Rolle spielen werden, kann man davon ausgehen, dass die Dinge an diesem Wochenende in Bewegung geraten.

Weil die Konsequenzen des Testergebnisses politisch so brisant sind, geraten sie zum ganz eigenen Stresstest für den grünen Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck. Als hätte der Mann es nicht stressig genug! Die Gasumlage, bei der sein Ressort federführend ist, gerät zum bürokratischen und juristischen Albtraum, ehe sie in Kraft getreten ist.

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Bundeswirtschaftsminister Habeck


Foto: Bernd von Jutrczenka / dpa

Ursprünglich angekündigt war, dass alle Gaskunden draufzahlen sollten, um wankende Versorger vor dem Kollaps zu retten. Doch mehrere Gasimporteure in Deutschland stehen unter dem Strich sehr solide da, etwa weil sie zu einer Konzernmutter gehören, die in anderen Geschäftsbereichen große Gewinne einfährt. Die Umlage fließt aber an alle gleichermaßen.

O-Ton Robert Habeck: »Das hat mir die letzten 48 Stunden den Tag ganz schön versauert.« Der Minister war zu Gast auf dem westfälischen Unternehmertag in Münster – sage niemand in der Lage-Leserschaft, er hätte von diesem Termin nichts gewusst! – und redete sich dort um Kopf und Kragen.

Einerseits beteuerte Habeck, man habe genau dieses Problem kommen sehen: »Eine Legion von Juristen hat mir das so erklärt«, dass alle Gaskonzerne gleich kassieren müssten. Andererseits will Habeck nicht gewusst haben, wie genau diese Branche aussieht, die er mit dem Geld ihrer Kunden retten wollte: »Weil wir aber nicht wussten, das muss man ehrlicherweise sagen – und niemand wusste das – wie dieser Gasmarkt verflochten ist, wie er im Undurchsichtigen, welche Firmen irgendwelche Anteile an Töchtern und so weiter haben, ist durch diese im Prinzip richtige Entscheidung, ein Problem entstanden.«

Es wusste niemand, wirklich? Keiner in Habecks Ministerium, niemand in der Bundesnetzagentur kannte die Eigentümerstruktur von einem Dutzend Gaskonzernen? Das macht einem dann doch etwas Angst.

Aber jetzt will Habeck sich »noch mal genau angucken, ob es nicht doch einen Weg gibt«, die starken Gasimporteure von der Umlage fernzuhalten. Zu seinem Glück dürfte es darüber in einer Legion von Juristen mindestens eine Fantastillion Meinungen geben.

Lange schien Habeck alles zu gelingen, alles spielerisch leicht zu fallen. Jetzt ist es, als würde er sich zurückverwandeln, von einer Cinderella der Kommunikation zurück zum Aschenputtel.

Ins Kriegsgebiet gezwungen

Viel ist seit dem Kriegsbeginn über das Geschäft mit Leihmüttern aus der Ukraine geschrieben worden. Wie sollen verzweifelte Eltern zu ihrem Nachwuchs gelangen, wer kümmert sich um die Frauen, die die Kinder ausgetragen haben?

Meine Kolleginnen Juliane Löffler und Katrin Langhans schildern nun eine neue, nicht weniger deprimierende Facette des Babybusiness: die Härte der Agenturen beim Beharren auf ihren Vertragsklauseln. So wird es den Leihmüttern offenbar mitunter schwer gemacht, das Land zu verlassen – schließlich haben sie sich vertraglich dazu verpflichtet, die Kinder in der Ukraine zu gebären.


Familienglück: Für viele Paare ist eine Leihmutterschaft die einzige Chance auf ein leibliches Kind

Familienglück: Für viele Paare ist eine Leihmutterschaft die einzige Chance auf ein leibliches Kind


Foto: Marina Rosa Weigl / DER SPIEGEL

Meine Kolleginnen haben mit einem Paar gesprochen, das der ukrainischen Agentur angeboten hatte, die Leihmutter bei sich in Deutschland bis zur Geburt aufzunehmen. »Ihre Idee ist alles andere als gut«, lautete die kühle Antwort. Es würden »enorm riesige Strafen« drohen, sollte die Leihmutter nicht am vereinbarten Ort gebären. Die Gründe der Agentur – Sorge vor Haftungs- und Schadenersatzforderungen oder Konflikten mit dem jeweiligen heimischen Recht – halten deutsche Juristen für konstruiert.

Vielleicht interessieren Sie, liebe Leserin, lieber Leser, sich dafür, wie unsere Redaktion solche heiklen Themen recherchiert? Dann sind die SPIEGEL Backstage-Veranstaltungen vielleicht etwas für Sie. Am 30. August wird unser Investigativ-Chef Jörg Diehl gemeinsam mit unserer Kollegin Maria Christoph über die Recherchen zu russischen Spionen und den heimlichen Reiseaktivitäten von Wladimir Putins Tochter berichten.

Die Veranstaltung ist exklusiv für Abonnentinnen und Abonnenten gedacht, die sich direkt hier anmelden können .

Mehr Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier:

  • Was ist im Atomkraftwerk Saporischschja passiert? Alle sechs Reaktoren des AKW im Kriegsgebiet waren abgeschaltet – nur eine Notstromversorgung funktionierte noch. Sebastian Stransky, Experte für Kernkraftwerke russischer Bauart, erklärt die Sicherheitslage vor Ort .

  • Ein Abriss als Kriegsprotest: Fast 30 Jahre lang stand das 80 Meter hohe »Siegerdenkmal« in Riga. Jetzt hat die Stadt das sowjetische Monument abgerissen – wegen des Ukrainekriegs. Aber nicht alle Letten finden das richtig.

  • »Kertsch-Brücke, wir haben dich im Blick…«: Immer wieder explodieren russische Munitionsdepots auf der Krim: Die ukrainische Armee ist offensichtlich in der Lage, eine der empfindlichsten Stellen des Gegners zu treffen. Und sie nimmt das nächste Ziel ins Visier .

  • Hier finden Sie alle aktuellen Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine: Das News-Update

Wem kann Merz vertrauen?

Seit gut einem halben Jahr ist Friedrich Merz nun CDU-Vorsitzender, aber die Dinge laufen nicht rund. Es ist dem neuen Chef nicht gelungen, die Parteizentrale auf sich auszurichten. Seine neue Büroleiterin warf nach kurzer Zeit das Handtuch, sein Generalsekretär Mario Czaja bleibt blass, von seinem Chefstrategen Markus Kerber weiß niemand genau, was er eigentlich tut. Und der Rest des Teams im Konrad-Adenauer-Haus stammt größtenteils noch aus der Merkel-Ära. Dafür, dass Merz immer als Kandidat der schweigenden Mehrheit der CDU galt, hat er nun einen erstaunlich kleinen Personalpool.

Jetzt hat Merz auch noch den zweiten Büroleiter verschlissen, wie der Kollege Michael Bröcker von »The Pioneer« am Freitag vermeldete. Vermutlich lag es daran, dass dieser Büroleiter in die Entscheidung involviert war, eine Veranstaltung der konservativen Splittergruppe »The Republic« abzusagen, bei der Merz mit dem US-Senator und Trump-Fan Lindsay Graham auftreten sollte. Auf dem Programm standen noch Teilnehmer, deren Geisteshaltung jedenfalls für Außenstehende besser zur AfD zu passen scheint, als zur CDU. Doch als Merz den Termin cancelte, stand er bei seiner konservativen Anhängerschaft plötzlich da, als biedere er sich an den linken Mainstream an.


Friedrich Merz (r.) mit CDU-Generalsekretär Mario Czaja

Friedrich Merz (r.) mit CDU-Generalsekretär Mario Czaja


Foto: Fabian Sommer / dpa

Die Situation ist gefährlich für Merz. Er hat versprochen, den konservativen Markenkern der CDU wieder herauszuschälen, den Mitte-Kurs Merkels zu korrigieren. Jetzt will seine Fanbasis Ergebnisse sehen. Stattdessen wirbt Merz für die Frauenquote und zaudert bei Themen wie Mindestlohn und Rentenpolitik, oder beim sozialen Pflichtjahr, zu dem Merz noch keine Meinung hat, wie er kürzlich bekannte.

In seinem zweiten Job als Unionsfraktionschef sieht die Lage zwar besser aus. Als Oppositionsführer kann Merz sich zugutehalten, die Regierung etwa bei der Impfpflicht und den Waffenlieferungen für die Ukraine vorgeführt zu haben. Doch auch in der Unionsfraktion knirscht es. Viele Abgeordnete sind im Kopf noch nicht in der Opposition angekommen. In jeder Sitzungswoche schreiben sie einen imposanten Stapel von Anträgen, »bis hin zu Nischenthemen wie dem Walfang in Ossetien«, spottet ein altgedienter Unionsmann. Merz soll mehrmals im Fraktionsvorstand darauf gedrungen haben, die Zahl der Papiere und ihre Länge zu reduzieren, was prompt den Schweinezyklus ausgelöst haben soll, dass man in einer Sitzungswoche plötzlich mit zu wenigen Anträgen dastand.

Personell kann Merz auch in der Fraktion nicht aus dem Vollen schöpfen, so diente etwa sein neuer Stabschef früher in Angela Merkels Kanzleramt. Auch die Vorbereitung der nächsten Fraktionsvorstandsklausur hakt noch. Auf der hektischen Suche nach prominenten internationalen Gästen sollen sich der Stabschef und der Fraktionsdirektor von Merz jüngst ein Wortgefecht in epischer Lautstärke geliefert haben.

Zur Erinnerung: Auf der letzten Klausur von Merzens Vorgänger Ralph Brinkhaus war Tesla-Chef Elon Musk zu Gast gewesen. Promis aus dieser Liga erwarten die Unionsleute jetzt auch von Merz.

Hier geht’s zum aktuellen Tagesquiz


Verlierer des Tages …

… ist die MLPD, die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands. Die Partei von ganz links unten lässt heute eine Statue von Karl Marx vor ihrer Parteizentrale in Gelsenkirchen aufstellen. Dieser Schritt ist konsequent, hatte die Partei doch schon 2020 eine Lenin-Statue aufstellen lassen. »Auf einem Bein kann man nicht stehen«, das pflegte unser dem Alkohol sehr zugeneigter Nachbar zu sagen, wenn er sich früher auf Partys in unserem Reihenhausgarten von meinen Eltern ein neues Glas Bowle einschenken ließ.

Die gut zwei Meter hohe Marx-Statue aus Aluminium wird im Rahmen der 40-Jahr-Feier der MLPD aufgestellt. Anders als im Fall von Lenin dürfte die Stadt Gelsenkirchen nicht noch einmal versuchen, den Bau mit Hinweis auf Denkmalschutz zu verhindern. Schließlich stehen beide Statuen auf dem Privatgrundstück der Partei. Vielleicht gibt es sogar keine großen Demonstrationen oder Proteste gegen den Marx.

Und warum auch? Die Statuen taugen schließlich auch als Warnhinweis auf die Betonköpfe drinnen in der Parteizentrale.


Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

  • Berlin kündigt eigene Nachfolge für 9-Euro-Ticket an: Bund und Länder ringen schon länger um eine Nachfolgelösung für das populäre 9-Euro-Ticket. Berlin will nun nicht mehr warten und plant ein neues Angebot ab Oktober.

  • Selenskyj warnt vor weiteren Notfällen an AKW Saporischschja: Auch der Zweite der zuletzt betriebenen Reaktorblöcke im ukrainischen AKW Saporischschja ist wieder ans Stromnetz angeschlossen. Präsident Selenskyj sieht die Gefahr einer Katastrophe jedoch nicht gebannt.

  • »Ich habe bei mir zu Hause einen abgetrennten Raum, der vollkommen sicher ist«: Zu den laufenden Ermittlungen gegen Donald Trump äußert sich US-Präsident Joe Biden nicht. Wohl aber dazu, wie er selbst mit geheimen Dokumenten umgeht.



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Die SPIEGEL+-Empfehlungen für heute

  • Über sie lachte schon Hitler: Eine Kölner Ausstellung über das Satiremagazin »Simplicissimus« verhehlt Hinweise auf die NS-Karrieren einiger Karikaturisten. Angeblich wusste man es nicht besser .

  • »Wir hätten gerne mal wieder ernsthafte Politiker«: Hat Großbritannien mit dem Brexit und Boris Johnson das Schlimmste hinter sich? Von wegen, sagen Ex-Labourmann Campbell und Ex-Tory Stewart. Ein Gespräch über verlorenen Anstand und die Instagrammisierung der Macht .

  • Wie ein Oligarch offenbar eine Bank kapern konnte: 2009 versprach das Fürstenhaus: Liechtenstein wird kein Hafen mehr für Geld aus trüben Quellen sein. Ein vertraulicher Bericht zeigt nun am Fall eines Oligarchen, was bei Superreichen davon zu halten war. Anscheinend nicht viel .

  • »Wir zeigen keine Hackentricks von Mario Götze«: 16 Jahre trieb Christian Seifert die Vermarktung der Bundesliga voran. Jetzt will der Manager eine Streamingplattform aufbauen, auf der vernachlässigte Sportarten gewürdigt werden – und auf keinen Fall Fußball .

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

Ihre Melanie Amann

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