Medienpolitiker von SPD und Grünen fordern in der Affäre um die ehemalige Intendantin des RBB, Patricia Schlesinger, eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. »Die Sender müssen in die Offensive kommen und sich an die Spitze des Neustarts stellen, statt verdruckst-defensive Debatten zu führen«, sagte Helge Lindh, medienpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, dem SPIEGEL.
Auch die Medienexpertin der Grünen, Tabea Rößner, sieht Handlungsbedarf: »Der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss angepasst werden. Ich fordere eine unabhängige Expertenkommission, deren Vorschläge dann von den Ministerpräsidenten umgesetzt werden müssen.«
Am Montag hatte der RBB-Verwaltungsrat die bereits zuvor abberufene Intendantin fristlos entlassen. Seit Ende Juni gibt es gegen Schlesinger zahlreiche Vorwürfen des Filzes und der Vetternwirtschaft, der Fall hat die ARD in eine tiefe Krise gestürzt.
Durch die Berichte sei ans Licht gekommen, wovor Insider schon lange gewarnt hätten, sagte Lindh. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk müsse sich nun neue, hohe Standards in Sachen Compliance und Transparenz setzen, um solche Skandale in der Zukunft zu vermeiden. Konkret forderte der SPD-Abgeordnete:
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einheitliche Compliance-Regeln und einen Schutz von Whistleblowern, die auf Missstände aufmerksam machen,
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Gehälter öffentlich machen – statt geheimer Boni wie in der Privatwirtschaft müsse es nachvollziehbare Löhne geben, orientiert am öffentlichen Dienst,
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viel mehr Mitbestimmung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
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das Modell der Intendanten an der Spitze zu überdenken.
Er nehme »viel Frust und Wut bei den Mitarbeitern« wahr, sagte Lindh. »Da werden Millionen für Boni und ineffiziente Verwaltungen ausgegeben, aber viele freie Journalisten müssen unter prekären Bedingungen arbeiten. Das geht so nicht weiter.« Sparen müssten die Sender bei redaktionsfernen Aufgaben, investieren in die Qualität der Berichterstattung.
Um die Krise der Öffentlich-Rechtlichen zu überwinden, schlägt Lindh vor, dass der Bundestag einen Bürgerrat mit der Reform beauftragt. Auch eine Enquete-Kommission mit externen Experten könne er sich vorstellen.
Tabea Rößner, die selbst einst als freie Mitarbeiterin für das ZDF tätig war, will zudem eine Stärkung der Rundfunkräte. Deren Mitglieder müssten »Kompetenzen mitbringen, sich qualifizieren und externen Sachverstand einholen können. Das fordere ich seit 2008«, sagte Rößner. Auch brauche es jetzt, inbesondere mit Blick auf den RBB, »klare Kriterien für die Qualifikation« der Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräte. »Außerdem muss die Compliance überprüft werden, diese Bedien-Mentalität muss aufhören«, sagte die Grünen-Politikerin.
Aus der Sicht von Rößner ist das Intendantenmodell nicht überholt, das Vier-Augenprinzip auf Leitungsebene sei sinnvoll. Höchstens eine Direktoriumslösung wie etwa bei Radio Bremen sei sinnvoll, sagte Rößner.
Eine Kürzung der Rundfunkbeiträge, wie vom Koalitionspartner FDP vorgeschlagen, lehnt Rößner entschieden ab: »Wenn die FDP eine Kürzung der Rundfunkbeiträge fordert, dann ist das ein Eingriff in die Programmautonomie der Sender, was verfassungsrechtlich problematisch ist. Die Sender müssen bei dem, was sie produzieren, autonom und staatsfern bleiben.«