Das 9-Euro-Ticket hat keine Zukunft – zumindest, wenn es nach Finanzminister Christian Lindner geht. Das hat er in einem Interview am Sonntag noch einmal bekräftigt. Aufsehen löste der FDP-Chef aber mit einer Äußerung aus, die suggerierte, es seien vor allem linke Gruppen wie die Antifa, die sich für das Ticket einsetzten. Clips des Zitats gingen bei Twitter viral.
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Moderatorin Tina Hassel sprach Lindner im ARD-Sommerinterview vor dem Hintergrund der Energiekrise auf einen drohenden kalten Winter und einen damit verbundenen »heißen Herbst« an. Bundeskanzler Olaf Scholz sei zuletzt bei einer Veranstaltung ausgebuht worden, vor der FDP-Parteizentrale habe es eine Demonstration gegeben. Hassel fragte: »Was braut sich da zusammen?«
Lindner antwortete, es sei eine »herausfordernde Situation für viele Menschen«, deswegen habe man bereits ein großes Entlastungspaket geschnürt. Es gebe aber auch Wünsche, die nicht erfüllt werden könnten, sagte Lindner: »Es wurde vor der FDP-Parteizentrale demonstriert. Das waren viele linke Gruppen, Antifa zum Beispiel und andere. Und die setzen sich dafür ein, dass das 9-Euro-Ticket verlängert wird. Das würde 14 Milliarden Euro kosten. Geld, das uns fehlt für die Bildung. Geld, das uns fehlen würde für das Schienennetz, also die Modernisierung.« Das Ticketangebot endet diesen Monat. Lindner schloss auch einen kostenfreien ÖPNV aus. Gratisnahverkehr sei »nicht finanzierbar, das wäre nicht nachhaltig.«
Meiser: Gezielte Entlastungen notwendig
Pascal Meiser, Bundestagsabgeordneter der Linken, der bei der Demo vor der FDP-Parteizentrale dabei war, äußert sich auf SPIEGEL-Anfrage kritisch zu Lindners Aussagen. »Es ist schon bemerkenswert, wie zuverlässig es Herr Lindner immer wieder schafft, die Stimmung im Land zu verkennen«, sagte Meiser: »Alle Umfragen zeigen, dass eine große Mehrheit der Menschen in unserem Land weitere gezielte Entlastungen wie das 9-Euro-Ticket oder einen Gaspreisdeckel für den Grundbedarf, finanziert durch eine Übergewinnsteuer, fordert.«
Der Ampelkoalition sei es bislang nicht gelungen, ein umfassendes Entlastungsprogramm für kleine und mittlere Einkommen zu schnüren. Das sei »hochgradig verantwortungslos«, so Meiser.
Lindner habe aber nicht ganz Unrecht, es seien vor allem linke Gruppierungen und seine Partei Die Linke, die den Unmut auf die Straße tragen würden. »Das ist auch gut so, denn wer will, dass die Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung in Deutschland ungebrochen hoch bleibt, der muss jetzt mit guten Konzepten und mit allem Nachdruck für eine wirksame Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen kämpfen«, sagte Meiser.
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Linkenchefin Janine Wissler wünscht sich, dass Lindners Regierungskollegium Einfluss nimmt. Sie hoffe, »dass die Nicht-Porschefahrer in der Bundesregierung hier an dieser Stelle noch mal Druck machen«, sagte Wissler: »Natürlich könnte man es finanzieren, wenn man über so etwas wie das Dienstwagenprivileg mal ernsthaft redet, über umweltschädliche Subventionen, über eine Übergewinnsteuer.« Am Vortag hatte Lindner in Bezug auf das Dienstwagenprivileg »linkes Framing« beklagt.
Verbände fordern Verlängerung des Tickets
Nach Angaben des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) waren bis zum 8. August etwa 38 Millionen 9-Euro-Tickets verkauft worden. Pro Monat kämen außerdem zehn Millionen Abonnenten und Abonnentinnen hinzu, die das Ticket automatisch erhielten. Dass das 9-Euro-Ticket nicht nur in der linken Szene positiv aufgenommen wurde, zeigt auch eine SPIEGEL-Umfrage. Die Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Civey von Anfang August kam zu dem Ergebnis, dass 55 Prozent der Deutschen sich eine Verlängerung des Tickets wünschten. 34 Prozent der Deutschen sprachen sich dagegen aus.
Die Nahverkehrsbranche forderte Ende Juli eine Verlängerung des 9-Euro-Tickets um zwei weitere Monate. Die Verbraucherzentralen drängen auf ein Folgeangebot für das Ticket.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Wochenende von dem Ticket geschwärmt. Es sei »eine der besten Ideen, die wir hatten«, sagte Scholz beim Tag der offenen Tür der Bundesregierung. Zu einer möglichen Nachfolge für das 9-Euro-Ticket äußerte sich Scholz auf Nachfrage von Bürgern aber nicht.