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Mehr deutsche Waffen für die Ukraine – so geht’s – Meinung

Leopard 2-Panzer


Foto: Csaba Krizsan / dpa

Westliche Hilfe hat entscheidend dazu beigetragen, dass die Ukraine als unabhängiger Staat überhaupt noch existiert. Neben der finanziellen, humanitären und politischen Unterstützung sind Waffenlieferungen entscheidend, um das Überleben der Ukraine zu sichern.

Wir sehen uns in der Pflicht, Kiews Überlebenskampf zu unterstützen – denn die Ukraine verteidigt auch unsere Interessen und Werte. Russlands Angriffskrieg ist eine Zeitenwende und das erfordert auch, neue Wege einzuschlagen, um unser Ziel einer regelbasierten Weltordnung zu verteidigen, in der die Stärke des Rechts regiert und nicht das Recht des Stärkeren. Denn darum geht es: in welchem Europa und in welcher Welt wir zukünftig leben wollen.

Viele Staaten, auch Deutschland, haben es der Ukraine, zunächst mit leichten Waffen, von Gewehren bis Flugabwehrraketen, und nun auch mit schweren Waffen, von gepanzerten Fahrzeugen bis Mehrfachraketenwerfern, ermöglicht, sich gegen die russische Aggression zu verteidigen. Anders als noch am 24. Februar 2022 sieht es gegenwärtig danach aus, dass der militärische Konflikt zwischen Russland und der Ukraine noch lange andauern wird. Russland hat bisher keinen Anlass gegeben, davon auszugehen, dass es seine Aggression beenden wird. Um angesichts dessen die Unterstützung der Ukraine auf eine neue und dauerhafte Basis zu stellen, braucht es jetzt neue Ideen, wie die starken Volkswirtschaften Europas mehr Unterstützung organisieren können.

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Deutschland leistet bereits viel. Aber als wirtschaftlich bedeutendes Land in Europa können und sollten wir noch mehr tun. Es liegt in unserem eigenen sicherheitspolitischen Interesse, dass die Ukraine als demokratischer Staat überlebt und Russland keinen Erfolg mit seinem Angriffskrieg hat. Deshalb plädieren wir dafür, die Waffenlieferungen an die Ukraine signifikant zu steigern.

Das Ziel ist dabei ein langfristiger Plan für die dauerhafte Versorgung der Ukraine mit Waffensystemen (Ausbildung, Munition und technische Unterstützung eingeschlossen), anstatt wiederholt nur auf aktuelle Herausforderungen zu reagieren. Dies soll durch ein mit unseren Partnern sowie der Rüstungsindustrie koordiniertes Vorgehen erreicht werden. Neues Gerät für die Bundeswehr, für unsere Verbündeten und die Ukraine muss schnell zulaufen. Ein koordiniertes Vorgehen ermöglicht es, temporäre Einschnitte in der Bundeswehr in Kauf zu nehmen, beispielsweise durch die Abgabe von gebrauchtem Material, das dann zeitnah ersetzt wird.


Es gibt keinen Zielkonflikt zwischen Landesverteidigung und der Unterstützung für die Ukraine

Bislang wird der vergleichsweise geringe Umfang der deutschen Waffenlieferungen vor allem damit begründet, dass die Bundeswehr mit vielen Ausrüstungsgegenständen unter dem Sollstand ist. Dieser Argumentation zufolge gibt es einen Zielkonflikt zwischen Landes- und Bündnisverteidigung einerseits und der Unterstützung für die Ukraine andererseits, wobei dem ersten Punkt Vorrang eingeräumt wird.

Dies ist jedoch ein konstruierter Zielkonflikt. Denn die Sicherheit und die Stabilität Europas werden zum gegenwärtigen Zeitpunkt in der Ukraine verteidigt. Der Ausgang des Krieges hat unmittelbare Folgen für Europa und damit auch für Deutschland: Ein Sieg Russlands würde die Sicherheit der Europäer verringern. Moskau würde nicht nur seine Grenze näher an die Europäische Union heranschieben. Es hätte auch gezeigt, dass man mit einem Angriffskrieg in Europa seine politischen Ziele durchsetzen kann. Global wäre mit einer dramatischen Erosion der in der VN-Charta verankerten Gewaltverbotsnorm zu rechnen. Eine Niederlage Kiews würde daher mehr Unsicherheit, Instabilität und Eskalationsrisiko für Europa bedeuten; ein Erfolg der Ukraine hingegen mehr Sicherheit.

Grundlage für die Nato-Planungen sind Szenarien: hier wird durchgespielt, wie ein Gegner angreifen könnte und was jedes Land zur Verteidigung beisteuern müsste. Doch der Ukrainekrieg findet jetzt und konkret statt. Er ist kein Planspiel. Je besser sich die Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland schlägt, desto materiell und personell geschwächter ist Russland – und umso geringer sind, zumindest kurzfristig, die Anforderungen an die Nato. Hinzu kommt, dass Russland schon aus Mangel an militärischen Ressourcen kaum eine zweite Front eröffnen kann. Bislang hat es eine Eskalation gegenüber der Nato vermieden. Die Abschreckungslogik funktioniert. Das Ende des Krieges in der Ukraine wird die zukünftige Sicherheitsordnung in Europa und auch die Aufgaben der Europäer definieren – eine souveräne Ukraine wäre dafür das beste Ergebnis.


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Wir sehen aber auch deswegen keinen Zielkonflikt, weil sowohl die gestiegenen Anforderungen an die Landes- und Bündnisverteidigung als auch die Hilfe der Ukraine letztlich von demselben Faktor abhängen: der Leistungsfähigkeit der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Und diese Leistungsfähigkeit ist potenziell sehr groß. Wir müssen die Industrie befähigen, ihre Kapazitäten signifikant zu steigern – zur Neuausrüstung der Bundeswehr, zur Ausstattung unserer Bündnispartner und zur fortgesetzten Unterstützung der Ukraine. Unter dieser Voraussetzung kann und sollte das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr in der derzeitigen kritischen Lage temporär hinter die Durchhaltefähigkeit der Ukraine zurücktreten. Denn das Überleben der Ukraine ist im deutschen sicherheitspolitischen Interesse.

Wir sind uns dabei der Tatsache bewusst, dass Russland in diesem Konflikt wiederholt mit einer nuklearen Eskalation gedroht hat und gerade uns durch die Erpressung mit Gasdrosselung von der Unterstützung für die Ukraine abhalten will. Wir sollten uns jedoch von den Erpressungsversuchen nicht einschüchtern lassen. Es liegt in unserem Interesse, erfolgreiche Erpressungen zu verhindern, denn sonst liefern wir Russland die Blaupause für zukünftige Konflikte. Ein Eingehen auf derartige Drohungen würde zukünftige Erpressungsversuche wahrscheinlicher machen – mit potentiell dramatischen Folgen.

Wir sind uns der Tragweite unseres Vorschlags bewusst:

  • Eine solche Entscheidung sollte erstens immer in Absprache mit unseren Partnern getroffen werden, um zu verdeutlichen, dass es nicht um deutsche Alleingänge geht. Wir nehmen bei unseren Verbündeten eine große Offenheit für ein solches Vorgehen wahr.

  • Zweitens dürfen Einschnitte nur temporär sein und müssen daher mit einem verlässlichen Plan zur Auffüllung der Fähigkeitslücken begleitet werden.

  • Drittens erfordert es eine Aktivierung der deutschen Verteidigungsindustrie und eine fundamentale Reform des Zusammenspiels von Industrie, Gewerkschaften, Politik und Streitkräften, auf nationaler, aber auch europäischer Ebene. Nur mit mehr Transparenz, Verlässlichkeit und Planbarkeit können die entstehenden Lücken gefüllt und zukünftige Bedarfe gedeckt werden. Mit dem Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz hat die Ampelkoalition den ersten Schritt dahin getan. Weitere Schritte müssen und werden folgen.


Unsere aktuellen friedensmäßigen Strukturen und Prozesse sind noch nicht geeignet für den Zulauf großer Mengen an Gerät, vom Panzer bis zum Schiff, was die Abgabe von Material an die Ukraine erschwert. Daher müssen wir diese so ändern, dass wir die Fähigkeitslücken in einem vertretbaren Zeitraum schließen können. Die Zeitenwende muss sich auch in der Rüstungsproduktion widerspiegeln. Ein nationaler Rüstungsgipfel wäre ein erster Schritt dahin. Die Aktivierung unseres volkswirtschaftlichen Potenzials und die Unterstützung der Ukraine bedingen einander also: Sie müssen Hand in Hand gehen.

Die Zeitenwende stellt Deutschland vor historische Entscheidungen. Die Bundesregierung hat in den letzten sechs Monaten viele solcher Entscheidungen getroffen. Wir sollten diesen Weg weitergehen. Unsere Kinder und Enkel werden uns eines Tages fragen, was wir damals zur Verteidigung der Uno-Charta und der friedlichen Weltordnung getan hatten. Unser Vorschlag ist ein Baustein für ein Mehr an Unterstützung für die Ukraine.


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