Zwei Vorstandsmitglieder der Linken in NRW haben ihre Posten abgegeben, nachdem sie Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe erhoben hatten. In einer Erklärung, die intern verschickt wurde, werfen sie der Parteiführung Untätigkeit vor: »Innerhalb des Landesvorstandes kam es von Seiten eines hochrangigen Mitglieds zu Sexismus und Übergriffen. Doch anstatt im Gremium auf Verständnis und den Willen zur Aufklärung wie Veränderung zu treffen, reagierte der Großteil des Landesvorstands mit Täter-Opfer-Umkehr sowie dem Silencing der Betroffenen.« Deshalb könne und wolle man »nicht weiter in diesem Gremium arbeiten«.
In einer weiteren Mail wird Vorstandsmitgliedern vorgeworfen, Falschbehauptungen über die Betroffene zu verbreiten. Man sei froh gewesen, dass das Thema in einer geschlossenen Sitzung angesprochen wurde und habe »einen reflektierten Umgang mit dieser sensiblen Thematik« erhofft. »Leider war das Gegenteil der Fall«, heißt in der Mail. Die Debatte »strotzte nur so vor Täter-Opfer-Umkehr«.
Der Klassensprecher
Mit seiner ungewöhnlichen Art, zu den Menschen zu sprechen, ist Robert Habeck in der Krise einer der beliebtesten Politiker der Bundesregierung geworden. Ist der Wirtschaftsminister authentisch? Oder steckt eine Masche dahinter? Im Koalitionsstreit um die Gaskrise muss er seine Widersacher erst überzeugen.
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Dem Gremium wird vorgeworfen, den mutmaßlichen Täter zu schützen: »Seine Jungs waren natürlich gleich zur Stelle, um ihn zu decken.« Als eine Genossin im Landesvorstand klar Stellung bezog, sei sie »teils sehr aggressiv, angegangen und wiederholt als asozial bezeichnet« worden.
Wagenknecht als Symptom
Es zeige sich wiederholt, dass der Landesvorstand in NRW ein »sträfliches Verhältnis zu Feminismus an den Tag legt«. Hier wird auch auf Sahra Wagenknecht angespielt, die in dem Landesverband zur Spitzenkandidatin gewählt wurde. »Die kritiklose Unterstützung von Sahra Wagenknecht, auch nach ihrem neusten Buch, ist dabei nur eins von vielen Symptomen.«
In einer Antwort darauf fordert die Vizevorsitzende Ulrike Eifler, den Fall unter der Decke zu halten. Sie gehe davon aus, die Mail der Zurückgetretenen werde »keiner Strömung und erst recht nicht der Presse zugespielt«. Die Vorgänge müssten aufgeklärt werden, solange »sollte die Diskussion den geschützten Rahmen des LaVo nicht verlassen«, angeblich weil man die Privatsphäre der Beteiligten schützen müsse. Dem Beschuldigten gebe sie soweit ihr »uneingeschränktes Vertrauen«.
Die Anwälte des Beschuldigten wiesen die Vorwürfe zurück: »Es gibt keine #MeToo-Vorfälle bei der nordrhein-westfälischen Linken.« Die Expertenkommission der Bundespartei soll den Fall jetzt untersuchen.
Die Linke befindet sich seit Monaten in Auseinandersetzungen über sexuelle Übergriffe. Besonders der hessische Landesverband gilt als problematisch, hier werden derzeit mehrere Vorfälle untersucht. Zuletzt war die rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Melanie Wery-Sims wegen eines Falls aus der Partei ausgetreten. Sie beklagte unter anderem, dass die Partei nicht agierte, nachdem ein Kreisvorsitzender sie als »Wichsvorlage« bezeichnet hatte .
Erst nach dem Austritt schaltete sich die Bundespartei ein, gegen den Kreischef läuft nun ein Parteiausschlussverfahren. Auch die Parteivorsitzende Janine Wissler ist in einem Fall in Hessen verwickelt und gilt als Befangen in der Aufklärungsarbeit. Der neue Bundesgeschäftsführer Tobias Bak erklärte kürzlich im SPIEGEL-Interview: »Ich kann Ihnen versichern, dass ich das Vorgehen gegen Sexismus zur Chefsache mache.«