Mit dem Vorschlag zur Öffnung der Ostseepipeline Nord Stream 2 hat sich FDP-Vize Wolfgang Kubicki bei vielen in seiner Partei unbeliebt gemacht.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte dem SPIEGEL: »Nord Stream 2 nicht in Betrieb zu nehmen, war richtig und ist richtig. Wir Freien Demokraten setzen auf neue Handelspartnerschaften, LNG-Terminals und eine Laufzeitverlängerung der drei verbliebenen Kernkraftwerke, damit unser Land gut durch den Winter kommt.«
Russland setze Energiepolitik als Waffe ein, Projekte wie Nord Stream 2 hätten Deutschland »in eine gefährliche Abhängigkeit gebracht, die jetzt diese schwierige Lage mit sich bringt«. Der Generalsekretär verwies auch auf die außenpolitischen Dimensionen, die mit einer Inbetriebnahme von Nord Stream 2 berührt würden: »Die große Einigkeit innerhalb von EU und Nato gegen Putins Krieg darf nicht aufs Spiel gesetzt werden, denn sie dient letztlich auch unserer eigenen Sicherheit.«
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai
Foto: Michael Kappeler / picture alliance/dpa
Die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann wandte sich ebenfalls gegen den Vorstoß ihres Parteifreunds. »Nord Stream 2 ist tot. Es darf keine Unterstützung von russischen Kriegsverbrechen geben«, sagte sie dem SPIEGEL. Der Gasspeicherstand in Deutschland liege zudem bei 77,79 Prozent, auch arbeite die Bundesregierung mit Hochdruck an neuen Bezugsquellen.
»Den Erpressungen Putins nachzugeben, wäre ein Offenbarungseid und würde die Position Europas schwächen. Wir könnten uns bei unseren Verbündeten gerade im Baltikum und Osteuropa zu Recht nicht mehr blicken lassen und würden im Übrigen jede Selbstachtung verlieren«, sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag. Europa müsse gerade jetzt zusammenstehen, daher lehne die FDP Nord Stream 2 schon lange ab, dies sei »aktueller denn je«.
Auf Twitter schrieb der FDP-Politiker Konstantin Kuhle: »Wer jetzt Nord Stream 2 öffnet, der braucht unseren Nachbarn und Verbündeten in Polen oder im Baltikum über Jahrzehnte nicht unter die Augen zu kommen – von der Ukraine oder unserer Selbstachtung ganz zu schweigen.«
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Auch FDP-Politiker und Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff kritisierte Kubickis Einschätzung als falsch.
Der Fraktionsvorsitzende der FDP-Fraktion, Christian Dürr, schrieb auf Twitter, die FDP habe »verschiedene Vorschläge gemacht, um die drohende Energiekrise im Winter abzuwenden. Die Inbetriebnahme von #NordStream2 gehört nicht dazu. Sie wäre ein falsches Signal an unsere europäischen Partner.«
FDP-Parteivize Johannes Vogel schloss sich der Kritik auf Twitter an: »Auf die Erpressungen eines Aggressors einzugehen, liefert einen weiter voll seiner Willkür aus und schwächt nur die Position Europas. Europa muss aber gerade jetzt zusammenstehen. Daher lehnen wir Freie Demokraten Nord Stream 2 ja schon lange ab – aktueller denn je.«
Junge Liberale kritisieren Kubicki scharf wegen Nord Stream 2
Auch die FDP-Jugendorganisation Junge Liberale (Julis) reagierte mit scharfer Ablehnung auf die Forderung. »Es ist mir völlig unbegreiflich, wie man auf so eine skurrile Forderung kommen kann«, sagte die Bundesvorsitzende der Julis, Franziska Brandmann, der Nachrichtenagentur dpa.
Der russische Präsident Wladimir Putin führe einen Energiekrieg gegen Deutschland, sagte Brandmann, die auch Mitglied im FDP-Bundesvorstand ist. »Wer in dieser Situation meint, gegenüber Russland getroffene Sanktionen aufheben zu wollen, der argumentiert zutiefst unlogisch. Es ist genau diese Art der Blauäugigkeit gegenüber Russland, die uns erst in diese prekäre Lage der massiven Energieabhängigkeit von Russland gebracht hat.«
In einer internen Nachricht an den FDP-Bundesvorstand, die dem SPIEGEL vorliegt, hatte die Juli-Vorsitzende Brandmann am frühen Freitagmorgen geschrieben, die Julis würden bei jeder auch »nur minimalen Abschwächung von Sanktionen auf die Barrikaden« gehen. »In der Ukraine sterben Freunde von uns, Mitglieder in liberalen Jugendorganisationen. Eine Inbetriebnahme von Nord Stream 2 in dieser Situation schleunigst öffnen zu wollen, ist für mich unvorstellbar.« Es sei »sehr schade, dass unsere Partei jetzt öffentlich diese Debatte führen wird«.
Kubicki hatte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am Freitag gesagt, es gebe »keinen vernünftigen Grund, Nord Stream 2 nicht zu öffnen« und auch darauf verwiesen, die Bundesregierung müsse Schaden von Deutschland abwenden. Brandmann sagte dazu, die russische Armee habe seit dem 24. Februar in der Ukraine unzählige Menschen ermordet, Tausende Frauen vergewaltigt und Kinder verschleppt. Brandmann: »Das russische Regime verübt am laufenden Band Kriegsverbrechen, viele haben sicherlich noch die Bilder des Butscha-Massakers vor Augen. Wer darin keinen vernünftigen Grund für Sanktionen sieht, dem empfehle ich ganz eindringlich, seinen moralischen Kompass zu hinterfragen.«
Die Forderung Kubickis lasse sich in keiner Weise mit der Beschlusslage der FDP in Einklang bringen. Brandmann: »Wir erwarten von Wolfgang Kubicki als dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden der FDP, diese in Zukunft zu respektieren und energie- und außenpolitische Irrfahrten den Putin-Verstehern zu überlassen.«