Trotz der eklatanten Holocaust-Verharmlosung von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas bei seinem jüngsten Besuch im Kanzleramt in Berlin hat sich der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, dafür ausgesprochen, den Gesprächsfaden mit ihm nicht abreißen zu lassen. Abbas sei »wiederholt aufgefallen mit mündlichen und schriftlichen Aussagen zu Israel«, sagte Klein am Mittwochabend im Interview mit den ARD-»Tagesthemen«. Andererseits sei er der Repräsentant der Palästinenser, »und mit dem muss man nun zurechtkommen«. Er hoffe, dass auch die palästinensische Seite gelernt habe, »dass solche Äußerungen in Deutschland inakzeptabel sind«, sagte Klein.
Abbas hatte am Dienstag nach einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz gesagt, Israel habe seit 1947 »50 Massaker, 50 Holocausts« an Palästinensern begangen. Gefragt worden war er nach einer möglichen Entschuldigung der Palästinenser für das Olympia-Attentat in München 1972. Abbas relativierte seine Äußerungen am Mittwoch.
Klein nimmt Scholz in Schutz
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung nahm Scholz trotz des Vorfalls in Schutz, obwohl er der Aussage von Abbas nicht sofort vor Ort widersprochen hatte und deshalb massiv kritisiert wurde. Aus seiner Sicht habe es sich vor allem um »ein Kommunikationsproblem zwischen dem Bundeskanzler und seinem Regierungssprecher« gehandelt, sagte Klein. Mit der Erklärung des Regierungssprechers in der Bundespressekonferenz sei bereits alles gesagt.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit hatte die Pressekonferenz enden lassen, ohne dass der Kanzler sich zu Abbas’ Worten äußern konnte. Am Mittwoch räumte der Sprecher einen schweren Fehler bei der Leitung der Pressekonferenz ein und sagte, er habe nach Abbas’ Äußerungen »nicht schnell genug« reagiert, um dem Kanzler die Möglichkeit zu einer Erwiderung zu geben. Den Fehler müsse er »auf meine Kappe nehmen«.
Klein betonte in der ARD, »die Haltung des Bundeskanzlers zu Israel und israelbezogenem Antisemitismus ist ja ganz klar«. Der Kanzler stehe »auf festem Boden« und werde »sicher Gelegenheit haben, in den nächsten Tagen und Wochen hierzu Stellung zu nehmen«.
Es sei »vielleicht nicht so ganz optimal, wenn man einen internationalen Gast hat, der in einer Art und Weise reagiert, wie man es nicht erwartet«, sagte Klein. Der Eklat könne zum Anlass genommen werden, »um zu sehen, wie man sich vorbereiten kann auf derartige Anlässe«.
FDP-Generalsekretär: Keine Fortschritte mit dieser Generation palästinensischer Politiker
Der Generalsekretär der FDP Bijan Djir-Sarai äußerte sich mit kritischen Worten gegenüber Abbas. Dessen Aussagen seien mit Blick auf den Friedensprozess im Nahen Osten kontraproduktiv. »Es wird einmal mehr deutlich, dass mit dieser Generation palästinensischer Politiker keine Fortschritte im Friedensprozess zu erwarten sind. Den Palästinensern hat Abbas mit seinem Auftritt in Berlin keinen Gefallen getan«, sagte Djir-Sarai der »Rheinischen Post«. »Geschmacklose und historisch falsche Behauptungen zum Holocaust ausgerechnet in Deutschland zu tätigen, stellt eine ungeheure Provokation dar.« Die Äußerungen des Palästinenserpräsidenten seien »absolut inakzeptabel und geradezu grotesk«.
Die CDU legte bei ihrer Kritik am Auftreten des Bundeskanzlers nach. Die Vizevorsitzende der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe, Gitta Connemann, forderte eine Entschuldigung von Scholz. Es sei ein Skandal, dass der Kanzler nach den Äußerungen von Abbas geschwiegen »und Abbas dann auch noch die Hand gereicht« habe, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Das Schweigen des Kanzlers schade Deutschland außenpolitisch, »vorneweg gegenüber Israel«. Der Kanzler müsse den Schaden begrenzen und sich erklären. »Und er muss sich entschuldigen«, sagte die CDU-Politikerin.
Auschwitz-Komitee: Scholz unvorbereitet
Rückendeckung erhielt Scholz aus den Reihen der Grünen. Die Bundestagsabgeordnete Lamya Kaddor warf dem Kanzler zwar ebenfalls Fehler vor, wies die weitreichenden Vorwürfe gegen ihn aber zurück. Es sei »absolut unangebracht«, politisches Kapital aus Scholz’ Verhalten gewinnen zu wollen, so wie es die CDU versuche.
Das Internationale Auschwitz-Komitee bemängelte, Scholz habe sich unzureichend vorbereitet »auf zu erwartende Provokationen« durch Abbas. »Es ist auch eine Düpierung des Kanzlers und der Versuch, Druck aufzubauen gegen die Bundesregierung und gegen Olaf Scholz«, sagte Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner den Zeitungen der Funke Mediengruppe.