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SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch lehnt längere AKW-Laufzeiten ab

Kernkraftwerk Isar 2 in Bayern: Länger laufen lassen?


Foto: Peter Widmann / imago images/Peter Widmann

SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch hat sich ablehnend zu längeren Laufzeiten für die drei noch verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland über das Jahresende hinaus geäußert. Miersch erklärte am Dienstag, natürlich sollten alle Optionen auf den Tisch, das gehöre zu guter Krisenprävention. »Nur muss dann eben auch sachgerecht geprüft und entschieden werden: Alle Erkenntnisse zeigen bislang, dass eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke nicht bei der Kompensation von Gas hilft, gigantische Kosten entfacht und aus Sicherheitsgründen ausscheidet.«

Miersch sagte weiter: »Wir sollten unsere Kraft jetzt für wirkliche Lösungen einsetzen und dafür sorgen, dass der hohe Gaspreis nicht auch den Strompreis in die Höhe treibt. Es ist absurd, wenn Strom aus Kohlekraftwerken und Erneuerbaren systembedingt genauso hoch vergütet wird, wie Strom aus Gaskraftwerken. Gerade die Erneuerbaren produzieren viel günstiger.« Das Strommarktdesign werde der augenblicklichen Situation nicht mehr gerecht.

CDU hatte Kompromiss ins Spiel gebracht

Einen »Kuhhandel« zwischen einem Weiterbetrieb der Atomkraftwerke und der Einführung eines Tempolimits nannte Miersch absurd. Dies entspreche dem »Blindflug«, in dem die Union seit Monaten unterwegs sei. Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) hatte gesagt, das Tempolimit mache zwar einen relativ geringen Unterschied beim Energieverbrauch aus – »aber wenn die Grünen sagen, das wäre dann ein nationaler Kompromiss, wir machen bei der Kernenergie für ein halbes Jahr länger eine Nutzung in der Mangellage, dann finde ich, sollten wir auch über ein Tempolimit reden können.«

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Die SPD hatte längere Laufzeiten der Atomkraftwerke bisher stets abgelehnt – sich in den vergangenen Tagen aber merklich zurückgehalten. Einzig Parteichefin Saskia Esken hatte die Debatte noch als »komplett unsinnig« bezeichnet. In Parteikreisen hieß es hingegen, in diesen Zeiten müsse man pragmatisch sein und die Lage zumindest noch einmal ergebnisoffen prüfen.

Offen zitieren ließ sich damit bislang nur Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke. Die drei AKWs machten »derzeit etwa sechs Prozent unserer Stromversorgung aus«, sagte der SPD-Politiker: »Wenn dieser Termin um drei oder vier Monate verlängert wird, um Gas sparen zu können, dann muss das ernsthaft und ideologiefrei diskutiert werden.«

Stellt Gazprom das Gas wieder an?

Deutschland sorgt sich derzeit, dass Russland bei der Ostseepipeline Nord Stream 1 nach einer routinemäßigen Wartung den Gashahn nicht wieder aufdreht. Deswegen verschärft sich nun die Debatte darüber, ob drei Atomkraftwerke weiterlaufen sollen.

Die Position der Bundesregierung ist bisher gewesen, dass die drei Kernkraftwerke Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 nach geltendem Recht spätestens am 31. Dezember 2022 abgeschaltet werden. Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hatten in einem Prüfvermerk im März von längeren Laufzeiten der Atomkraftwerke abgeraten. Einem kleinen Beitrag zur Energieversorgung stünden große wirtschaftliche, rechtliche und sicherheitstechnische Risiken entgegen, hieß es damals.

Eine Verlängerung der Laufzeiten der noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke würde im kommenden Winter keine zusätzlichen Strommengen bringen, hieß es weiter – sondern frühestens ab Herbst 2023 nach erneuter Befüllung mit neu hergestellten Brennstäben. Die drei Atomkraftwerke produzieren rund fünf Prozent des deutschen Stroms. Auch die drei Betreiber der Anlagen haben Laufzeitverlängerungen eine Absage erteilt.

Jüngst hatte Habeck jedoch einen weiteren Stresstest zur Sicherheit der Stromversorgung angekündigt. Auf Basis der dabei gewonnenen Erkenntnisse wolle man dann über einen möglichen Weiterbetrieb der Atomkraftwerke entscheiden, hieß es.


Ein erster Stresstest vom März bis Mai kam zum Ergebnis, dass die Versorgungssicherheit im kommenden Winter gewährleistet ist. In einem weiteren Stresstest sollen aber verschärfte Szenarien durchgerechnet werden. Dazu gehören laut Ministerium etwa noch höhere Preisannahmen als im ersten Stresstest, ein noch gravierenderer Ausfall von Gaslieferungen und ein stärkerer Ausfall von französischen Atomkraftwerken. Außerdem solle die Sondersituation in Süddeutschland in den Blick genommen werden. Es gebe in Bayern zwar Gaskraftwerke, aber wenige Kohlekraftwerke und auch wenige Windkraftanlagen.


slü/dpa

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