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News des Tages: Hitze in Deutschland, Russische Gaslieferungen, Shinzo Abe

1. Hitzewarnungen sind auch in Deutschland seit Langem üblich – in Frankreich aber rufen Behördenmitarbeiter auch bei gefährdeten Menschen an

Der große amerikanische Sprücheklopfer Mark Twain hat mal den Satz formuliert: »Sommer ist die Zeit, in der es zu heiß ist, um das zu tun, wozu es im Winter zu kalt war.« Für die Menschen, die heute und in den nächsten Tagen auch in Deutschland unter der extremen Hitze leiden, ist derzeit ein bisschen Aufmunterung durchaus nötig. Tatsächlich ist unser Land wohl vergleichsweise schlecht vorbereitet darauf, dass die Zahl der heißen Tage in Europa stetig zunimmt.

Während etwa Frankreich, Belgien oder die Niederlande seit Jahren Hitzenotfallpläne haben, sei »die Bundesrepublik für den Katastrophenfall durch mögliche große Hitzewellen nicht gerüstet«, heißt es in einem Dossier von Forschern und Ärzten, das meine Kollegin Johanna Jürgens und mein Kollege Philipp Kollenbroich in einer Geschichte zitieren (hier mehr ).

Ein Mann liegt in Köln auf einer ausgedorrten Wiese: Was nach Sommerurlaub klingt, belastet viele Alte, Schwangere, aber auch Kleinkinder

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Foto:

Michael Gottschalk / Getty Images


Der Aufbau von längerfristigen Hitze-Schutzmaßnahmen in Städten, Kommunen und Gesundheitseinrichtungen kommt offenbar nur sehr langsam in Gang. Temperaturen über 35 Grad belasten Alte, Schwangere, aber auch Kleinkinder. Eine neue Studie unter Beteiligung des Robert Koch-Instituts zeigt das Ausmaß der hitzebedingten Sterbefälle von 1992 bis 2021 in Deutschland. So gab es im Jahr 2018 eine ungewöhnlich lange Hitzeperiode, schätzungsweise 8700 Menschen starben dadurch – das sind mehr als doppelt so viele wie im selben Jahr im Straßenverkehr ums Leben kamen.

Im SPIEGEL Daily-Podcast berichtet meine Kollegin Sandra Sperber, was die hohen Temperaturen mit dem Körper machen und welche Warnzeichen er sendet .

Sie befragt den Medizinprofessor Hanns-Christian Gunga vom Zentrum für Weltraummedizin und Extreme Umwelten der Berliner Charité. Gunga sagt über Hitzewellen in Deutschland: »Wenn wir drei Tage hintereinander eine sehr hohe Temperatur haben, dann ist das in der Regel mit einer höheren Sterblichkeit verbunden.«

Für Menschen potenziell lebensgefährlich sind auch die Waldbrände, die derzeit in vielen von Hitzewellen betroffenen europäischen Ländern ausbrechen. In der Nacht auf heute ist aus dem Nationalpark Sächsische Schweiz ein solcher Brand gemeldet worden, rund einhundert Feuerwehrleute bekämpften Flammen, die sich in unwegsamem Gelände ausbreiteten – unter anderem nahe der berühmten Basteibrücke, über die ich auch schon mal spaziert bin.

»Nehmen Sie zur Kenntnis, dass Hitze keine Waldbrände erzeugt. Es braucht 250–300 Grad, damit Vegetation brennt«, erklärt der Wetterfachmann Jörg Kachelmann, praktisch alle Brände seien von Menschen verursacht. Kachelmann hält auch eher wenig von den Tipps, die manche Behörden und Medien in diesen Tagen hitzegeplagten Menschen geben. »Damit Oma und Opa überleben, brauchen sie steten Durchzug und je mindestens einen Ventilator vor die Nase«, schreibt er.

Und was könnten deutsche Behörden längerfristig von den in langen Wintermonaten erarbeiteten »Hitzeplänen« anderer Länder wie Belgien oder Frankreich lernen? »Es sind oft kleine Maßnahmen, die helfen«, sagt mein Kollege Philipp Kollenbroich. »In Frankreich etwa werden Ältere zu Hause angerufen, um sie daran zu erinnern, genug zu trinken.« Auch in Deutschland mangle es keinesfalls an grundsätzlichem Wissen. Hitzewarnungen des Deutschen Wetterdiensts gebe es schon seit 2005, so Philipp. »Nur sollten Behörden, Unternehmen und Nachbarn die Hitze auch endlich ernst nehmen als das, was sie ist: eine tödliche Gefahr für einen Teil der Bevölkerung.«

2. Die Turbine, die angeblich für die Wiederaufnahme der Gaspipeline Nord Stream 1 nötig ist, wurde aus Kanada ausgeflogen – der Nervenkrieg um die Lieferungen geht trotzdem weiter

Zu den Dingen, für die es jetzt eigentlich zu heiß und im kommenden Winter nicht zu kalt, sondern ganz sicher zu spät ist, gehört die Vorbereitung auf eine mögliche Heizmittelkrise in den nicht so warmen Monaten des Jahres. Heute hat die russische Zeitung »Kommersant« berichtet, dass eine für den Weiterbetrieb der Gaspipeline Nord Stream 1 offenbar wichtige Turbine am Sonntag per Flugzeug nach Deutschland gebracht worden sei.

Wenn es keine Probleme mit der Logistik oder dem Zoll gebe, werde es weitere fünf bis sieben Tage dauern, bis die Turbine in Russland ankommt.

Es wirkt ein bisschen wie das Herumtapsen in einem kalten, leeren Kohlenkeller, was viele europäische Politikerinnen und Politiker mit ihren Warnungen vor einem möglichen Gasnotstand in den kommenden Monaten in diesen Tagen vorführen. Wird die Gaskrise kommen oder wird Russland die Lieferungen per Nord Stream 1 nach der angeblich planmäßigen Reparaturpause wieder aufnehmen? Nach einer zwischenzeitlichen Drosselung des Gas-Transports wird durch die Pipeline wegen der Wartungsarbeiten derzeit gar kein Gas mehr geliefert. Die Arbeiten sollen bis Donnerstag andauern. Dass der Einbau der Turbine bis dahin erfolgt, ist nach dem »Kommersant«-Zeitungsbericht äußerst fraglich.

Viele in der deutschen Bundesregierung scheinen zu denken, dass aus Russland in den nächsten Wochen allenfalls gedrosselte Lieferungen kommen werden. Heute wurde bekannt, dass die Bundesregierung zur Vermeidung eines Energienotstands in naher Zukunft einen Weiterbetrieb der drei noch verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland nicht mehr ausschließt.

Die Regierenden rücken damit von einem strikten Nein zur Laufzeitverlängerung der Kraftwerke ab. Eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte, es werde nun eine weitere Stresstest-Berechnung erstellt. »Wir rechnen jetzt noch mal und entscheiden dann auf der Basis von klaren Fakten.«

Wie geht der Nervenkrieg ums Gas weiter? »Putin wird ein Katz-und-Maus-Spiel spielen«, sagt mein Kollege Gerald Traufetter. »Wenn die Wartung der Pipeline Donnerstag beendet sein wird, fehlt die Turbine immer noch. Dann wird kein Gas fließen, oder vielleicht 20 oder 30 Prozent, was zu wenig ist, um die Gasspeicher in Deutschland aufzufüllen. Die Bundesregierung sitzt damit in einer Falle, in der ihre Vorgängerregierungen das Land hineinmanövriert haben.«

3. In Japan wird nach dem Mordanschlag auf Shinzō Abe über die Verflechtung von Politik und religiösen Sekten debattiert

Japan komme ihr »frem­der vor als alle an­de­ren Län­der«, hat Deutschlands populärste Botschafterin für die japanische Kultur, die Filmregisseurin Doris Dörrie, einmal geschrieben. Gerade wegen des Fremdheitsgefühls bei jedem ihrer Besuche habe auch sie gelernt, »mich mit an­de­ren Augen zu se­hen«.

An Dörries durchaus manchmal selbstkritische Beschreibung ihrer Japan-Faszination musste ich heute denken, als ich den Bericht von Wieland Wagner, der lange als SPIEGEL-Korrespondent in Tokio gearbeitet hat, über die derzeitige Stimmung im Land las .

Der Kollege schreibt über die kollektive Trauer in Japan nach der Ermordung des Ex-Premier Shinzō Abe in der vorvergangenen Woche. Er sei »zu einer Art Heiliger geworden«. Vor allem aber handelt sein Bericht von den Verstrickungen zwischen Politik und religiösen Sekten, die durch die Ermittlungen nach den Motiven des Attentäters zutage gefördert werden.

Die Mutter des 41-jährigen Tetsuya Y. war offenbar der Moon-Sekte verfallen. Abes Mörder macht die Sekte und ihre Spendengier für den Abstieg seiner Familie und seine eigene Misere verantwortlich. Um sich zu rächen, wollte er eigentlich die Führerin der Sekte umbringen. »Die Vorgeschichte des Attentats geht rund drei Jahrzehnte zurück, sie handelt von einem Land ohne Hoffnung«, schreibt der Kollege, »einer Gesellschaft, in der Verzweifelte oft nur noch einen Ausweg sehen: Sie begeben sich in die Fänge geschäftstüchtiger Sektengurus.« Seit den Neunzigerjahren soll die Mutter des Abe-Attentäters über hundert Millionen Yen (rund 700.000 Euro) an die »Vereinigungskirche« der Moon-Sektierer gespendet haben.

Tetsuya Y. bezeichnete sein Opfer Abe »als einflussreichsten Sympathisanten« der Sekte. Tatsächlich hatte der Politiker offenbar einen guten Draht zur Sekte. Im vergangenen Herbst sandte der Politiker per Video eine Grußbotschaft an deren Schwesterorganisation. Die Verbindungen gehen wohl zurück auf Abes Großvater, auch er ein ehemaliger japanischer Premier. Nach dem Attentat auf Abe scheuten sich große Zeitungen und TV-Sender zunächst, die Sekte namentlich zu benennen; verdruckst sprachen sie von einer »bestimmten religiösen Vereinigung«.

Der Regierung in Tokio komme eine Debatte über den Einfluss religiöser Vereinigungen auf die japanische Politik ungelegen, berichtet Wieland Wagner. »Laut der Verfassung sind Staat und Religion zwar getrennt, doch im Alltag verfließen die Grenzen.« Das aktuelle Erwachen in Tokio erinnere an den März 1995. Damals verübten Mitglieder der Aum-Sekte einen Giftgasanschlag auf die Tokioter U-Bahn – in der morgendlichen Rushhour, direkt im Regierungsviertel. Dabei starben 29 Menschen. Auch Aum war von Politik, Justiz und Medien lange verschont worden. »Klar, das Attentat auf Ex-Premier Abe lässt sich nicht einfach vergleichen mit dem Aum-Anschlag«, schreibt der Kollege. Aber in beiden Fällen mussten Menschen sterben, damit Japan sich aufraffte, über das Tabuthema der Verstrickung von Sektenwesen und Politik zu debattieren.

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Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine

Was heute sonst noch wichtig ist

Meine Lieblingsgeschichte heute: Wirbel um »Minions«-Kinofilm

Mein Kollege Markus Böhm schreibt in einer Geschichte über einen Teenagerspaß, der einigen Kinobetreibern ziemlich auf die Nerven geht. Der vor zwei Wochen angelaufende Film »Minions – Auf der Suche nach dem Mini-Boss« wird derzeit oft von jungen Menschen in Anzügen besucht.

Die betont schicken Besucher verhalten sich offenbar oft unschicklich, grölen herum oder werfen Bananen Richtung Leinwand, die Lieblingsspeise der Minions. Der seltsame Trend, »irgendwo zwischen Coronabewältigung, Flashmob und Jagd auf Klicks«, mache seit Anfang Juli weltweit Schlagzeilen, so Markus. Erste Videoclips aus dem Mathäser Filmpalast in München zeigten, »wie eine Gruppe junger Schlipsträger im dortigen Kinosaal einen Moshpit startete, einen Mix aus Tanzkreis und Schubserei«.

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen


Was heute weniger wichtig ist

Späte Blitzhochzeit: Jennifer Lopez, 52, und Ben Affleck, 49, haben in Las Vegas geheiratet. Mit den Worten »We Did It« versandte Lopez am Sonntag die Nachricht an ihre Fans. In gleichfalls verbreiteten Videos sind Braut und Bräutigam in Weiß gekleidet zu sehen. Eine Klatsch-Website meldete, Lopez und Affleck seien »durchgebrannt«. Affleck und Lopez waren bereits zwischen 2002 und 2004 ein Paar. Über das aktuelle Glück des Paars schrieb die Sängerin nun: »Und es stellt sich heraus, Liebe ist geduldig. 20 Jahre geduldig.« 

Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: »Dabei schlage die Flut vor allem in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mit über 40 Milliarden Euro zur Buche.«

Cartoon des Tages: Bayern-Bashing



Klaus Stuttmann


Und heute Abend?

Könnten sie damit anfangen, sich die achtteilige Serie »The Girl from Plainville« auf dem Streamingdienst Starzplay anzusehen. Die Serie erzählt von einem US-Teenager, der sich unter dem Einfluss einer Freundin das Leben nimmt, und basiert auf einem wahren Fall. Besonders bemerkenswert darin findet meine Kollegin Annett Scheffel die Schauspielerin Chloë Sevigny , die in »The Girl from Plainville« die Mutter des offenbar zum Suizid ermutigten Jungen spielt.

Die Karriere von Chloë Sevigny sei »einzigartig«, so die Kollegin. Als Schauspielerin sei sie in Hollywood berühmt und berüchtigt »für die Furchtlosigkeit, mit der sie ihre Rollen auswählt«. Und in der Mode sei Sevigny seit 30 Jahren eine Kultfigur und ein dank ihrer originellen Outfits und ihrer Arbeit als Designerin allseits gefeierter »Indie-Superstar«.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Herzlich
Ihr Wolfgang Höbel

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