Teile der CDU sind offen für ein befristetes Tempolimit auf Autobahnen. Partei-Vize Andreas Jung forderte in der »Bild«-Zeitung , auf Denkverbote zu verzichten. Angesichts der Energiekrise schlug er ein »Kraftpaket für Energiesicherheit und Klimaschutz« vor, das verschiedene Maßnahmen enthalten soll: »Energiesparpakt, Kernenergie, Biomasse-Hochlauf und befristetes Tempolimit.« Sein Parteikollege Thomas Gebhart, Obmann im Klimaschutz-Ausschuss, stimmte ihm an gleicher Stelle zu: »Wir können es uns gar nicht leisten, von vornherein aus parteipolitischen Gründen bestimmte Optionen abzulehnen. Für mich bedeutet das auch: ein temporäres Tempolimit von 130 auf Autobahnen.«
Der Grünen-Verkehrsexperte Stefan Gelbhaar begrüßte die aus seiner Sicht »überfällige« Debatte, warnte aber gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: »Bislang hat die Union allerdings noch jeden Vorschlag für ein Tempolimit im Verkehrsausschuss, spätestens aber im Bundesrat blockiert.« Die Union sollte hier ihre Ernsthaftigkeit belegen.
Der CDU-Politiker Jung hatte bereits am Freitag im Deutschlandfunk erklärt , er sei offen für ein befristetes Tempolimit von 130 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen. »Aber dafür braucht es jetzt eine Initiative der Bundesregierung. Es braucht den Bundeskanzler.« Er wäre bereit, in seiner Partei dafür zu werben. Wenn ein Notstand drohe und der Bundeskanzler alle gesellschaftlichen Kräfte einsammele, »dann meine ich, sollten auch wir zu einem solchen Schritt bereit sein«.
Über ein allgemeines Tempolimit wird schon seit Jahren immer wieder erbittert gestritten. Infolge des Ukrainekriegs ist es nun wieder in den Blick gerückt – als möglicher Beitrag zum Energiesparen. In der Ampel-Koalition sperrt sich die FDP gegen eine solche Begrenzung, die sie schon in den Koalitionsverhandlungen abgelehnt hatte. Kanzler Olaf Scholz (SPD) sagte kürzlich dazu: »Das hat diese Regierung nicht vereinbart, und deswegen kommt es auch nicht.«
Dass ein Tempolimit gut für den Klimaschutz wäre, gilt als unstrittig. Nach einer Studie des Umweltbundesamtes von 2020 würde es fast zwei Millionen Tonnen Kohlendioxid einsparen.
Tempolimit könnte 140 Todesfälle pro Jahr verhindern
Bereits 2019 hatte eine Datenanalyse des SPIEGEL ergeben, dass ein Tempolimit bis zu 140 Todesfälle im Jahr verhindern könnte. Nach der Untersuchung gibt es auf Autobahnabschnitten mit Tempolimit weniger schwere Unfälle, die Zahl der Schwerverletzten und vor allem der Todesfälle liegt hier deutlich niedriger. Lesen Sie hier die ganze Analyse. Ein ähnliches Bild zeigte eine Studie aus Brandenburg im selben Jahr. Die Zahl der Unfälle halbierte sich, nachdem auf einem 62 Kilometer langen Abschnitt der A24 ein Tempolimit eingeführt worden war: von 654 Unfällen in drei Jahren ohne Tempolimit auf 337 Unfälle in drei Jahren mit 130 Kilometer pro Stunde.
Untersuchungen zeigen: Durch ein Tempolimit würden die Autobahnen für jeden Verkehrsteilnehmer sicherer. Unabhängig vom technischen Fortschritt führen hohe Geschwindigkeiten zu deutlich längeren Anhaltewegen. Bei einer Geschwindigkeit von 200 Kilometern pro Stunde betragen Reaktions- und Bremsweg zusammen rund 250 Meter. Bei Tempo 130 kommt ein bremsendes Auto bereits nach etwa 118 Metern zum Stehen. »Die Geschwindigkeit ist bei Unfällen entscheidend für die Schwere der Verletzungen«, bestätigte der Unfallchirurg Christopher Spering dem SPIEGEL 2020 in einem Interview.