Deutschland rutscht im Sommer in eine neue Coronawelle, für den Herbst sind die Aussichten nicht besser. Um wenigstens neue Massenansteckungen gegen Jahresende zu verhindern, will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wieder Einschränkungen ab Oktober beschließen. »Es ist betrüblich, dass der Herbst nicht so verlaufen kann wie in Vor-Pandemie-Zeiten«, sagte Lauterbach. Eine Maßnahme schloss der Gesundheitsminister jedoch direkt aus: »Wir werden keinen neuen Versuch starten, die allgemeine Impfpflicht einzuführen.«
Konkret stellte Lauterbach eine neue Impfkampagne voraussichtlich ab September in Aussicht, sie soll Menschen von einer Auffrischungsimpfung überzeugen. Es werde an aktuelle Varianten angepasste Impfstoffe geben. Der SPD-Politiker empfiehlt die Auffrischung nicht nur wie die Ständige Impfkommission für Risikopatienten oder Menschen über 70 Jahre, »sondern für alle, die sich schützen wollen«.
Zudem will Lauterbach die Nutzung von Arzneimitteln wie Paxlovid bei der Behandlung Erkrankter verstärken und die Bürgertests im Herbst fortführen. Neue Hygienekonzepte sollen gezielt vulnerable Gruppen und Menschen in Pflegeheimen schützen, auch für Schulen und Kindergärten sollen Schutzkonzepte erarbeitet werden. Schließungen müssten jedoch »mit allen Mitteln vermieden werden«, so Lauterbach.
Zudem will der Gesundheitsminister das Infektionsschutzgesetz im Dialog mit dem Justizministerium überarbeiten – in dieser Frage hatten Lauterbach und Justizminister Marco Buschmann (FDP) zuletzt konträre Ansichten vertreten.
Das aktuelle Infektionsschutzgesetz läuft am 30. September aus und bietet den Ländern nur einen geringen Instrumentenkasten im Kampf gegen Corona. Bei Grünen und SPD pochen bereits Politikerinnen und Politiker auf eine Neufassung, die FDP will eine für den 30. Juni erwartete Evaluation zu den bisherigen Maßnahmen abwarten. Gegenwärtig gibt es keine Zugangsbeschränkungen zu Restaurants und Geschäften, die Maskenpflicht ist weitgehend aufgehoben. Auch Lauterbach sprach sich gegen eine frühere Einführung von Coronabeschränkungen aus. Gegenwärtig genüge es, dass sich jede und jeder selbst schützen kann.
Lauterbach warb jedoch aktiv für das freiwillige Tragen der Maske in Innenräumen. »Die Daten geben das zum jetzigen Zeitpunkt nicht her, dass man das verpflichtend machen kann«, so Lauterbach. Aber das freiwillige Tragen müsse »Normalität« werden. Deutschland rutsche in eine »Sommerwelle«, jeden Tag gebe es zwischen 50 und 130 Todesfälle. »Das ist keine Kleinigkeit, sondern nach wie vor eine deutliche Übersterblichkeit.«
Nach Angaben von Vizepräsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lars Schaade, ist die neue Omikron-Virus-Variante BA.5 in Deutschland für den starken Anstieg verantwortlich. Die Variante sei mittlerweile dominant. Es gebe keine Hinweise, dass BA.5 zu schwereren Krankheitsverläufen führe, sie sei aber deutlich ansteckender, sagt der RKI-Vize.
Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz sinkt auf 427,8 von 480,0 am Vortag. Allerdings liefert die Inzidenz kein vollständiges Bild der Infektionslage, weil die Behörden von vielen nicht erfassten Fällen ausgehen. In der Vorwoche lag die Inzidenz bei 318,7.
Die Sommerwelle müsse man ernst nehmen, »aber nicht in Panik geraten«, so Lauterbach. Die Variante BA.5 verlaufe harmloser und besser als der vorherige Delta-Typ und eine Vielzahl der Menschen in Deutschland seien geimpft oder genesen. Gerade Genesene, die mit der im Winter verbreiteten Variante BA.2 infiziert waren, dürften nun gut gegen den Nachfolgetyp geschützt sein, sagte Lauterbach.