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News: Wolodymyr Selenskyj, Olaf Scholz, Wittenberger Judenhass-Relief, Lars Klingbeil

Ein Kanzler reist nach Kiew

Bereits diese Woche wird Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) womöglich nach Kiew reisen, so heißt es, vielleicht am Donnerstag. Das Vorhaben wird vom Umfeld des Kanzlers aus Sicherheitsgründen nicht bestätigt – aber auch nicht dementiert. Scholz hat lange gezögert, eine solche Reise überhaupt anzutreten. Nicht nur dadurch hat er die Erwartungen hoch gehängt. Sondern auch durch Sätze wie diesen: Er wolle nicht nur für einen kurzen Fototermin dorthin.

Bildschirmaufnahme von Selenskyj, Präsident der Ukraine, Mai 2022


Foto: Vianney Le Caer / dpa

Was also will er dort ausrichten? Möglicherweise reist er sogar gemeinsam mit Emmanuel Macron und Mario Draghi. Die drei Politiker vertreten die wichtigsten Länder der EU, müssten also wirklich etwas mitbringen. In der Ukraine hofft man auf Zusagen für Waffenlieferungen und für einen EU-Beitritt der Ukraine.

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In welcher Stimmung Scholz den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj antreffen würde, sollte er wirklich in diesen Tagen reisen, war gestern in einem ZDF-Interview mit Selenskyj zu spüren.

Selenskyj versuchte sich an einer Mischung aus Konzilianz und Strenge und ging dabei geschickt vor. Lang schon bevor Scholz Kanzler geworden sei, habe es eine skeptische Haltung zwischen der deutschen und der ukrainischen Regierung gegeben, sagte er. Diese Aussage lässt sich als Hieb gegen die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel verstehen, die bis Dezember regierte und die sich vergangene Woche in ihrem ersten Interview zu ihrer Russlandpolitik allzu sicher gab, alles richtig gemacht zu haben.

Inzwischen, so Selenskyj, seien die Beziehungen keineswegs schlecht – also erst, so lässt sich das verstehen, seit Scholz im Amt ist und darin auch entscheidende Entwicklungen durchlaufen habe.

Dass die Beziehung zu Scholz aber richtig gut sei, würde Selenskyj wohl nicht behaupten. Jedenfalls sagte er: »Er und seine Regierung müssen sich entscheiden: Es darf kein Spagat versucht werden zwischen der Ukraine und den Beziehungen zu Russland«. Mit anderen Worten: Der ukrainische Präsident fordert vom Kanzler mehr Härte gegenüber Russland.

Zurzeit erlebt die Ukraine an der Front schwere Verluste.

Die Sprache der Bilder


Emmanuel Macron (Mitte links), Wolodymyr Selenskyj (vorne links), Wladimir Putin (Mitte rechts) und die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (vorne rechts) trafen sich im Dezember 2019 zu Gesprächen im Pariser Elysee-Palast

Emmanuel Macron (Mitte links), Wolodymyr Selenskyj (vorne links), Wladimir Putin (Mitte rechts) und die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (vorne rechts) trafen sich im Dezember 2019 zu Gesprächen im Pariser Elysee-Palast


Foto: Thibault Camus / dpa

Vielleicht haben Sie Lust, liebe Leserin, lieber Leser, einmal zu vergleichen? Dieses Bild von Selenskyj mit heutigen Aufnahmen, zum Beispiel der von oben. Wie sich ein Blick, wie sich ein ganzer Mensch verändern kann. Dieses Bild hier ist erst zweieinhalb Jahre alt.

Mehr Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier:

  • Das geschah in der Nacht: Das ostukrainische Sjewjerodonezk ist weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten. Prorussische Separatisten berichten von Beschuss auf Donezk. Und: Die Ukraine hat ein Viertel ihrer Aussaatfläche verloren. Der Überblick.

  • »Wir wissen seit Jahrzehnten Bescheid über dieses schmutzige Geld«: In Großbritannien sind russische Kleptokraten seit jeher besonders aktiv. Seit Putins Invasion hat London Sanktionen auf den Weg gebracht. Wird der Sumpf nun ausgetrocknet? Ein Korruptionsermittler hat seine Zweifel. 

  • Wikimedia klagt vor Moskauer Gericht gegen Zensur: Russlands Medienaufsicht verlangt, dass die Wikipedia Informationen zum Krieg in der Ukraine zensiert. Der Enzyklopädie droht sogar die vollständige Sperre. Doch die Betreiber wehren sich. 

  • Russische Truppen verdrängen ukrainische Armee aus Zentrum von Sjewjerodonezk: Mehrere Wochen konnte das ukrainische Militär das Zentrum der Stadt Sjewjerodonezk im Donbass verteidigen. Aber jetzt mussten sich die Soldaten doch der Feuerüberlegenheit der russischen Armee geschlagen geben.

Wittenberger Judenhass-Relief: Warum die BGH-Richter zu einem anderen Urteil kommen sollten

Heute will der Bundesgerichtshof darüber entscheiden, wie mit dem antijüdischen Relief an der Wittenberger Stadtkirche, über das seit Jahren debattiert wird, verfahren werden soll. Der jüdische Kläger will erreichen, dass die als »Judensau« bezeichnete Sandsteinplastik aus dem 13. Jahrhundert entfernt oder zumindest als Beleidigung eingestuft wird. Bisher blieben seine Klagen gegen die Kirchengemeinde ohne Erfolg: Ein Informationstext auf einem Aufsteller und eine Bodenplatte brächten unmissverständlich zum Ausdruck, dass sich die Gemeinde distanziere, so urteilte zuletzt das Oberlandesgericht Naumburg.


Wittenberg

Wittenberg


Foto: L/Reu / imago images/Shotshop

Die Richter in Karlsruhe werden sich bei ihren Beratungen mit dem Denkmalschutz befasst haben und mit der Frage, ob die Darstellung als Dokument der Zeitgeschichte erhaltenswert sei. Ausschlaggebend wird jedoch die Frage sein, ob die Sätze auf Bodenplatte und Stele auch genügend Distanz schaffen zu dem, was auf dem Relief dargestellt ist.

Denn es braucht schon eine überdeutliche Distanzierung: Man sieht auf dem abscheulichen Bild eine Sau, an deren Zitzen nicht nur Ferkel saugen, sondern auch Menschen, die durch ihre Spitzhüte als Juden zu erkennen sind. Hinter der Sau steht ein Rabbiner, der den Schwanz des Tieres hebt und ihm in den Anus schaut. Das Schwein galt in der christlichen Symbolik des Mittelalters als Verkörperung des Teufels, im Judentum gilt es als unrein – verächtlicher könnte die Darstellung also kaum sein.

Die Informationen auf der Bodenplatte und dem Aufsteller zu dem Relief sind karg. Insofern wäre es das Mindeste, in Wittenberg dem Regensburger Beispiel zu folgen. Am dortigen Dom befindet sich ebenfalls ein solches Schmäh-Relief, die bestehende Informationstafel soll nun durch eine bessere ersetzt werden.

Konsequenter noch wäre es, das Wittenberger Relief abzumontieren und ins Museum zu verfrachten. Dort könnte man nach allen Regeln moderner Museumsdidaktik mit ihm verfahren. Denn zu dem Relief gibt es so viel zu erklären, dass es schwierig würde, mit Schautafeln allein auszukommen. Die Wittenberger Stadtkirche ist ja nicht irgendeine Kirche, sondern die, an der Martin Luther gepredigt hat. Der Antisemitismus des Reformators ist belegt. Zudem ist der Zusammenhang zwischen solcherlei Darstellungen und dem Holocaust nicht abzustreiten. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass auch der heutige Antisemitismus jahrhundertealte Ursachen hat.

Gewinner des Tages…


Lars Klingbeil

Lars Klingbeil


Foto: CLEMENS BILAN / EPA

…ist SPD-Chef Lars Klingbeil. Wie durch ein Wunder hat seine Partei bei den Bundestagswahlen im Herbst so stark abgeschnitten, dass sie nun den Kanzler stellt. Das aber hat, wie immer bei Regierungsverantwortung, eine Menge Ärger zur Folge.

Heute allerdings darf Klingbeil ins Ausland reisen und sich mit anderen Sozialdemokraten an der neu gewonnenen Bedeutung seiner Partei erfreuen. Er wurde zum Jahrestreffen der nordeuropäischen Sozialdemokraten eingeladen und wird dort ein Grußwort halten. Vier der fünf nordischen Länder werden derzeit von Sozialdemokraten regiert.

Alle möglichen Achtsamkeitsratgeber legen nahe, man solle lernen, den Moment zu genießen. Vielleicht möchte sich Klingbeil diesen Rat zu Herzen nehmen? Denn ob wirklich etwas aus dem »sozialdemokratischen Jahrzehnt« wird, das die SPD-Spitze nach dem Sieg bei der Bundestagswahl im Freudentaumel ausgerufen hat, das ist ungewiss. Aus zwei Landtagswahlen in Deutschland ging die SPD jedenfalls kürzlich als Verliererin hervor.


Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

  • Yellowstone Nationalpark wegen Überschwemmungen geschlossen: Erdrutsche, beschädigte Brücken, herabstürzende Felsen: Nach heftigen Regenfällen dürfen aktuell keine Besucher in den Yellowstone Nationalpark kommen. Zahlreiche Menschen wurden in Sicherheit gebracht.

  • Amazon testet Drohnenlieferung in US-Stadt: Bewohner von Lockeford können sich bald für Gratislieferungen registrieren: In einem Ort an der US-Westküste will Amazon den Warentransport per Drohne erproben. Die Reichweite der Flugobjekte ist bemerkenswert.

  • Bodo Ramelow vergleicht Dienstpflicht mit Schulpflicht: Braucht Deutschland einen sozialen Pflichtdienst? Dieser Vorstoß des Bundespräsidenten sorgt für hitzige Debatten. Nun mischt sich Bodo Ramelow ein – mit einer bemerkenswerten Parallele.

Die SPIEGEL+-Empfehlungen für heute

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

Ihre Susanne Beyer

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