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Klimawandel: Wie Deutschland den Ausbau der Windenergie beschleunigen könnte

Nicht in meinem Vorgarten: Windräder in Deutschland.


Foto: Shotshop / IMAGO

Am Muttertag köpfte ein Unbekannter alle Tulpen in meinem Vorgarten und verschwand mit ihnen. Doch ich will mich nicht beschweren. Immerhin wachsen vor unserem Münchner Reihenhaus Blumen und keine Windkraftanlagen in die Höhe.

Deutschland steht vor einem massiven Ausbau der Windenergie an Land, darauf hat sich die Ampelkoalition geeinigt. Die Begeisterung darüber hält sich in Grenzen. Von einem »echten Spargel-Schock« sprach Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, den es nun für viele Bür­gerinnen und Bürger zu verhindern gelte. Bayern will zwar seine 10H-Regel, die vorsieht, dass Windräder mindestens das Zehnfache ihrer Höhe von Wohngebäuden entfernt sein müssen, lockern. Im Kern soll das »Nicht vor meiner Haustür«-Prinzip aber Bestand halten.

Windkraft? Nein danke! Das finden inzwischen sogar die Grünen in Sachsen und Brandenburg, die mit ihrer Landesregierung Abstands­regeln nach bayerischem Vorbild beschlossen haben. Der gemeinsame Protest gegen Windkraftanlagen hätte in Thüringen diese Woche fast zu einer Tabubruch-Allianz aus AfD, CDU und FDP geführt. In letzter Sekunde si­gnalisierte Ministerpräsident Bodo Ramelow Kompromissbereitschaft. Der Bau von Windkraftanlagen wird wohl auch in seinem Bundesland künftig eher im Schneckentempo vorangehen.

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In München stehen gerade mal zwei Windräder. Würde man Habecks Ausbaupläne, laut denen die Energieriesen zwei Prozent der Fläche Deutschlands besetzen sollen, auf Bayerns Hauptstadt anwenden, müssten es eigentlich 15 sein. Die herrliche Sicht vom Oktoberfest-­Riesenrad Richtung Alpen wäre dahin.




Foto:

Mikhail Palinchak / SOPA Images / LightRocket / Getty Images / DER SPIEGEL


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Wie die Energiewende dennoch gelingen kann? Vielleicht mit einem Trick, der in der Heimat meiner Schwiegereltern dazu geführt hat, dass sich die Menschen sogar mit einem Atomkraftwerk mit rissigen Rohren arrangierten: Geld für die Gemeinde. Wenn demnächst das Kernkraftwerk Neckarwestheim abgeschaltet wird, entgehen den Neckarwestheimern rund drei Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen pro Jahr.

Bürger mit Windkraft im Vorgarten sollten viel mehr als bislang vom Betrieb der Anlagen profitieren. Es braucht einen Bonus für die Verspargelung im Wohngebiet. Geld scheint Finanzminister Christian Lindner ja zu haben, sonst hätte er kaum über drei Milliarden Euro für einen Tankrabatt rausgehauen, der an den Zapfsäulen verendet wie manch armer Vogel am Rotorblatt eines Windrads.

Utopisch? Der Bund könnte zumindest die Betreiber von Windparks verpflichten, die unmittelbaren Nachbarn und Gemeinden am Gewinn zu beteiligen. Ein solches Modell aus Mecklenburg-Vorpommern hat das Bundesverfassungsgericht kürzlich für zulässig erklärt. Würde der Spargelscheck desto höher ausfallen, je näher die Rotorblätter den Tulpenköpfen meines Vorgartens kommen, würde ich den Bau eines Windrads vor meiner Haus­türe nicht nur tolerieren. Sondern mich womöglich freuen.



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