Helfen schwere Waffen der Ukraine, den Krieg gegen Russland zu gewinnen – oder stürzen sie das Land in lang anhaltendes Unglück? Geht es nach Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), müsste Deutschland die Ukraine deutlich rascher und deutlich umfangreicher mit schwerem Kriegsgerät ausrüsten. Sie sieht im Widerstand gegen Kremlchef Wladimir Putin nicht nur eine Hilfe für die Ukraine, sondern auch ein »starkes Zeichen« für die Weltgemeinschaft.
»Typen wir Putin wird es immer geben«, sagte die Chefin des Bundestags-Verteidigungsausschusses im SPIEGEL-Spitzengespräch mit Moderator Markus Feldenkirchen. Und Menschen im Westen würden es ihnen mit ihrer Appeasementpolitik leicht machen. An Linkenchefin Janine Wissler gerichtet sagte die FDP-Politikerin, der Stärkere werde gewinnen, »so lange es immer Politikerinnen wie Sie gibt, die sagen, das muss jetzt aufhören« – ein Verweis auf Wisslers Position, militärische Unterstützung für die Ukraine zu beenden und mit Russland zu verhandeln.
Strack-Zimmermann und Wissler waren gemeinsam zum Spitzengespräch geladen. Die FDP-Politikerin pocht seit Längerem auf die rasche Lieferung schweren Geräts, die Linkenchefin lehnt eine weitere militärische Unterstützungen der Ukraine durch die Nato ab.
»Weiter Waffen liefern, wird den Krieg nicht schneller beenden«
»Niemand weiß, was man jetzt machen kann«, sagte Wissler, es gebe keine Antwort, um rasch aus dem Ukrainekrieg zu kommen. »Aber weiter Waffen liefern wird den Krieg nicht schneller beenden.« Wissler fürchtet hingegen eine »Eskalationsspirale«: Russland habe eine »klare militärische Überlegenheit« und sei eine »potenzielle atomare Bedrohung«. »Von allen schlechten Szenarien, die es gibt, kommen wir in einen langen Abnutzungskrieg«, so Wissler, »der zulasten der ukrainischen Zivilbevölkerung gehen könnte.«
Die Linkenchefin pocht auf Verhandlungen. Putin müsse man wieder an den Tisch holen, indem man zum Beispiel auch Drittländer wie China in die diplomatischen Bemühungen einbeziehe oder russischen Dissidenten Asyl gewähre. »Waffen ziehen diesen Krieg in die Länge«, so Wissler. Strack-Zimmermann widersprach deutlich: »Aber die Ukraine ruft nach Hilfe!« Auch wenn Waffenlieferungen zu einem »langem Zermürbungskrieg« führen könnten, seien sie die einzige Antwort, um Russland etwas entgegenzusetzen.
»Es ist nichts aufgegangen, was sich Putin erhofft hat«
»Ist das denn wirklich ein realistisches Szenario, dass Russland eine militärische Niederlage erfährt?«, fragte Wissler. »Das halte ich für realistisch«, antwortete Strack-Zimmermann. Die Kraft der russischen Armee sei nicht unendlich. »Es ist nichts aufgegangen, was sich Putin erhofft hat.« Die EU stehe geschlossen da, die Nato werde um Schweden und Finnland erweitert, eine rasche Einnahme der Ukraine sei gescheitert.
Auch in der Beurteilung des geplanten Sondervermögens für die Bundeswehr gingen die Meinungen der beiden Politikerinnen deutlich auseinander. Wissler kritisierte eine »ganz schiefe Priorität«, die Bundeswehr bekomme in wenigen Wochen 100 Milliarden Euro, aber für den Pflegebonus sei nur eine Milliarde verfügbar. Strack-Zimmermann verteidigte hingegen die Ausgabe mit einem Vergleich: Die Sicherheit der Bundesrepublik sei jahrelang vernachlässigt worden. Man müsse erst mal das eigene Haus sichern, Türen und Fenster schließen, bevor man sich Gedanken über das Sofa mache.
Allein in einer Sache waren sich beide Politikerinnen abschließend einig: Den Krieg in der Ukraine bezeichneten beide als brutalen und völkerrechtswidrigen Angriff Russlands.