Im Saarland gescheitert, in Schleswig-Holstein verloren, in Nordrhein-Westfalen mehr als halbiert: Seit die FDP im Bund mitregiert, geht es in den Ländern mit ihr bergab. Zum Teil lag es an der jeweiligen Landespolitik, in NRW zum Beispiel an der FDP-Bildungsministerin und ihrem Zickzackkurs bei Corona. Doch wenn drei Landtagswahlen in Folge in die Hose gehen, läuft etwas grundsätzlich schief. Im Fall der FDP hat es mit ihrem Parteichef Christian Lindner zu tun und mit dem Regierungshandeln der FDP in Berlin, das nicht zu den eigenen Grundüberzeugungen passt.
Von einem Finanzminister wird erwartet, dass er aufs Geld aufpasst und den Haushaltsgrundsatz der Klarheit und Wahrheit verteidigt. Zumal dann, wenn der Minister von der FDP ist. Lindner wird dieser Erwartung nicht gerecht. Er tritt auf als der Mann mit den Spendierhosen, verantwortlich für neue Schulden in Rekordhöhe und einen verfassungsrechtlich fragwürdigen Nachtragshaushalt.
Robert Habeck, der grüne Vizekanzler, brachte Lindners Rolle als Zahlmeister auf schonungslose Weise auf den Punkt, als er letzte Woche eine Ölraffinerie besuchte. Man müsse sich wegen der Sanktionen keine Sorgen machen, sagte Habeck in Richtung der Beschäftigten, denn: »Christian Lindner bezahlt«. Es klang wie bei Paris Hilton, wenn sie Daddys Kreditkarte zückt.
Gewiss, die Wirtschaftskrise ist tief und Putins Krieg war nicht vorhersehbar. Doch gerade unter liberalen Wählern erwartet man größere Skrupel beim Geldausgeben. 100 Milliarden Extraschulden für die Bundeswehr nennt Lindner schönfärberisch »Sondervermögen«, so viel zum Thema Klarheit und Wahrheit, auch wenn der Begriff buchhalterisch korrekt sein mag. Säße die FDP in der Opposition, der Finanzminister hätte keine Minute Ruhe vor ihr.
Das zweite Problem für die FDP: Die ewige Diplomatenpartei kommt in der Debatte über Krieg und Frieden, über Waffenlieferungen, Nato und EU-Erweiterung kaum vor. Das Außenministerium war für Lindner in den Koalitionsverhandlungen nicht erreichbar, doch dass er auch bei Verteidigung oder wenigstens beim Ressort für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit nicht zugriff, war aus heutiger Sicht ein Fehler. In Kriegszeiten zählt die Außenpolitik, aber die FDP ist nicht dabei. Einzig Marie-Agnes Strack-Zimmermann sorgt dafür, dass die Liberalen nicht vergessen werden. Ihre Auftritte verschafften der Partei immer mal wieder positive Schlagzeilen. Was man über die FDP-Ministerriege nicht sagen kann.
Als Minister für Digitales und Verkehr hat der frühere FDP-Generalsekretär Volker Wissing gleich zwei liberale Lieblingsthemen am Wickel, mit denen er das Land voranbringen könnte: mehr Mobilität und schnelleres Internet. Stattdessen machte ein offenbar nicht abgestimmtes Papier seines Ministeriums den Vorschlag, die schon jetzt völlig überteuerte Förderung von E-Autos zu erhöhen. Ein Tempolimit lehnte Wissing ab – nicht mit dem unter Liberalen akzeptierten Freiheitsargument, sondern mit der skurrilen Behauptung, dass es zu wenig Verkehrsschilder gebe.
Als Wissing letzte Woche dann auch noch dazu aufrief, in den sozialen Netzwerken keine Essensfotos mehr zu teilen, weil dies Energie verbrauche, lachte das halbe Internet: Sein eigener Instagram-Account ist voll mit Pizza- und Waffelfotos. Gibt es keine ernsteren Themen, um die er sich kümmern kann?
Lindners Spendierhosen, Wissings Abirrungen und die Sprachlosigkeit der Partei in der Außen- und Sicherheitspolitik sind für die FDP deshalb besonders schädlich, weil sie den eigenen Grundüberzeugungen zuwiderlaufen. Dass die FDP die Ampelkoalition bei Corona mit dem Freedom Day genervt hat, war für liberale Wählerinnen und Wähler kein Ärgernis, Wissings Fotoverbot bei Instagram hingegen schon.
Während es die Grünen geschafft haben, ihre Leute sogar beim 180-Grad-Schwenk von der Pazifismus- zur Panzerpartei mitzunehmen, herrscht bei der FDP der Eindruck vor, sie habe beim Regieren ihren Kompass verloren.
Es ist ein allzu hoher Preis, den Christian Lindner bezahlt.