Sieg in NRW: Friedrich Merz und sein fast perfekter Abend //
Friedrich Merz ist am Sonntagabend nicht in Berlin, er ist auf dem Weg aus seiner Heimat im westfalischen Sauerland in die Bundeshauptstadt, schliesslich tagen am Montagvormittag die Parteigremien in der CDU-Zentrale. Ob der Vorsitzende sich wenigstens einen Piccolo im Wagenfond leistet, als er die ersten Prognosen und Hochrechnungen zur nordrhein-westfalischen Landtagswahl erfahrt? Die Stimmung im Konrad-Adenauer-Haus, wo sich in den oberen Etagen einige aus der engeren Parteifuhrung versammelt haben, ist jedenfalls sehr heiter, so ist zu horen.
Merz wusste genau, welche Hurde dieser Abend fur ihn bedeutet.
Die Landtagswahl im Saarland Ende Marz, bei der seine Partei furchterlich absturzte und die Staatskanzlei verlor, war ein herber Ruckschlag fur den neuen Vorsitzenden. Dann folgte der CDU-Triumph vor einer Woche in Schleswig-Holstein. Aber was zahlte, war dieser Sonntag. NRW, gut 13 Millionen Wahlberechtigte, Gigant unter den Bundeslandern, dazu seine Heimat: Hier wurde auch uber die Halbjahresbilanz des im Dezember gewahlten Parteichefs Merz entschieden – und die Stimmung in der CDU fur die kommenden Monate gesetzt.
Und nun das: Mit deutlichem Abstand hat Ministerprasident und Landeschef Hendrik Wust die CDU auf Platz eins gefuhrt, die SPD gleichzeitig ihr historisch schwachstes NRW-Ergebnis erzielt.
Kein Wunder, dass die Laune in der CDU-Bundesspitze bestens ist, auch Generalsekretar Mario Czaja gibt sich bei seinem obligatorischen Auftritt vor der Presse in Berlin sehr zufrieden. Von Merz selbst gibt es nur eine Mitteilung auf Twitter, in der er Wust gratuliert und das Ergebnis >>herausragend<>bundespolitischer Stimmungstest<>Die @CDU ist zuruck, unser nach vorn gerichteter Kurs wurde bestatigt.<<
Welche Rolle er und die Bundespartei tatsachlich beim Erfolg in Dusseldorf gespielt haben, ist eine spannende Frage. Merz ist oft aufgetreten im Wahlkampf, funfmal gemeinsam mit Wust. Der Bundestrend der Union, die in allen aktuellen Umfragen vor der SPD von Kanzler Olaf Scholz liegt, durfte in NRW jedenfalls nicht geschadet haben.
Und dass Merz als Unionsfraktionschef und Oppositionsfuhrer die Ampelkoalition in der Debatte uber die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine zuletzt vor sich hergetrieben hat und vor dem ersten Regierungsmitglied nach Kiew gereist ist, scheint jedenfalls bei den eigenen Leuten gut anzukommen.
Ganz gleich, ob und inwieweit NRW nun also auch eine Merz-Wahl war: Es war wohl eine Anti-Scholz-Wahl – und das gefallt dem CDU-Vorsitzenden und seiner Partei an diesem Abend naturlich ausserordentlich gut. SPD-Spitzenkandidat Kutschaty hatte sich beim Kanzler eingehakt, sogar gemeinsame Plakate mit Scholz aufhangen lassen. Doch der vermeintliche Kanzlerbonus ist offenbar verpufft.
Dennoch ist es nur ein fast perfekter Abend fur Merz und seine Partei.
Eine Sache gibt es namlich, die sowohl in Dusseldorf als auch im Adenauer-Haus das Triumphgefuhl bei der CDU ein wenig trubt: Noch gibt sich die SPD, wenn auch deutlich unterlegen, nicht geschlagen. Selbst wenn es nach Auszahlung der Stimmen nicht fur die von den Sozialdemokraten angestrebte Regierung mit den Grunen reicht, konnte die SPD immer noch – wie im Bund – mit einem Ampelbundnis zu einer Mehrheit kommen, also mit der FDP als weiterem Koalitionspartner.
Die SPD argumentiert wie Laschet nach der Bundestagswahl
Staunend verfolgen die Christdemokraten an diesem Abend, wie die SPD die Strategie des gescheiterten Unionskanzlerkandidaten Armin Laschet wiederholt, dem Wust in Dusseldorf als Regierungschef folgte. Laschet hatte bei der Bundestagswahl im vergangenen Herbst noch nach den ersten Platz-zwei-Hochrechnungen fur die Union betont, dass CDU und CSU dennoch einen Regierungsauftrag hatten, weil eine Koalition mit Grunen und FDP moglich war. Tatsachlich lud man beide Parteien anschliessend zu Sondierungsgesprachen ein.
Der Unterschied ist allerdings, dass zwar auch die Union mit Laschet seinerzeit ihr historisch schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl einfuhr, der Ruckstand zur SPD am Ende allerdings nur gut anderthalb Prozentpunkte betrug. In NRW lauft es auf eine Differenz von rund acht Prozentpunkten zwischen CDU und Sozialdemokraten hinaus.
Suffisant halt man der SPD nun die Satze fuhrender Sozialdemokraten vom Bundestagswahlabend entgegen, mit denen diese damals die Berechtigung des Erstplatzierten zur Regierungsbildung betont hatten.
Fur die CDU kommt es auf die Grunen an
Wenn die SPD dennoch bei ihrem Kurs bleibt? Dann kommt es vor allem auf die Grunen an: Die mussten sich in Dusseldorf dann am Ende zwischen CDU und SPD entscheiden.
Kein Wunder also, mit welch freundlichen Worten der grune Wunschkoalitionspartner an diesem Abend von fuhrenden Christdemokraten bedacht wird. Das Rekordergebnis der Grunen – etwa 18 Prozent bei einem Zuwachs von rund zwolf Prozentpunkten – sei auch >>auf die gute Arbeit der Ministerinnen und Minister in Berlin<< zuruckzufuhren, sagt Generalsekretar Czaja. Gemeint sein durften damit in erster Linie Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck und Aussenministerin Annalena Baerbock.
Auch Parteichef Merz ist der Meinung, dass die beiden zu den Leuchtturmen der Ampelregierung gehoren. Er hatte wohl auch keine Probleme, mit ihnen zusammen zu regieren.
Aber jetzt ist erst mal NRW dran.