Während sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck kürzlich vor dem Emir von Katar verneigte, um Deutschlands Handelsbeziehungen zu verbessern, bleibt er einem anderen Staat gegenüber hart: Kanada, nein danke! Es geht um das Handelsabkommen Ceta, das die Europäische Union mit Kanada vor fast sechs Jahren unterzeichnet, aber nicht vollständig in Kraft gesetzt hat. Habecks Grüne wollen es noch immer verhindern, mit der Begründung, es gefährde unsere Umwelt- und Sozialstandards. Die Ampelkoalition sieht sich deshalb außerstande, den Ceta-Vertrag zu ratifizieren. Halten die Grünen Kanada für einen Schurkenstaat? Die grüne Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge, eine Anti-Ceta-Aktivistin der ersten Stunde, sagt: »An unserer Haltung hat sich nichts geändert.«
Katar hui, Kanada pfui – kurz hatte ich mich gefragt, ob womöglich eine Verwechslung vorliegt, immerhin fängt beides mit K an. Deshalb hier noch mal die Unterschiede: Katar belegt beim weltweiten Demokratieindex Platz 114 hinter Burkina Faso. Kanada belegt Platz zwölf vor Deutschland. Katar hat einen CO₂-Ausstoß von 37 Tonnen pro Kopf und Jahr. Kanada hat 14 Tonnen. Katar: Zwangsarbeit, Scharia, Muslimbrüder. Kanada: Platz eins im »Gay Travel Index«. So viel zum Thema Umwelt- und Sozialstandards.
Kanada besitzt, was Deutschland gerade dringend braucht, um sich aus seiner selbst verschuldeten Abhängigkeit von Putins Russland zu befreien. Es hat Erdöl und Erdgas, Metalle, Holz und Düngemittel, stabile Lieferketten ohne Kinderarbeit und einen Premierminister, der sich als Feminist bezeichnet und auf das 1,5-Grad-Ziel schwört. Wo also liegt Habecks Problem?
Die deutsche Protestbewegung gegen Handelsabkommen wie Ceta und TTIP mit den USA wirkt wie aus der Zeit gefallen. 2015 gingen mehr als 150.000 Menschen in Berlin auf die Straße, um gegen mit Chlor desinfizierte US-Hühnchen zu protestieren, die angeblich gesundheitsschädlich seien. Klingt heute wie ein Witz über Wohlstandsverwahrlosung, war aber ernst gemeint. Dass deutsche Rechtspopulisten, Frankreichs Marine Le Pen und Amerikas späterer Präsident Donald Trump im Geiste bei den Freihandelsgegnern mitliefen, hätte die zumeist linken Aktivistinnen und Aktivisten damals stutzig machen können.
Dass Freihandel den beteiligten Staaten nutzt, ist dank David Ricardo seit 200 Jahren jedem Volkswirt bekannt. Welche Chance mit TTIP vertan wurde, zeigte sich unter Trump, als dieser einen Handelskrieg gegen Deutschlands Autohersteller vom Zaun brach.
Das Bundesverfassungsgericht hat alle Klagen von Ceta-Gegnern vor einigen Wochen endgültig abgewiesen. Es gibt jetzt keinen Vorwand mehr, hinter dem sich die Bundesregierung verstecken kann. Das Ceta-Abkommen würde Zölle und Handelsbarrieren zwischen Kanada und der EU beseitigen, die Beziehungen verbessern, die Preise senken und dabei helfen, uns mit Energie zu versorgen. Einen besseren Zeitpunkt, sich mit Kanada zu verbünden, wird Habeck nicht finden.