an Papo (CDU): >>Das Leben verlauft eben nicht immer geradlinig<< //
Der Wahlkreis Kiel-Ost galt immer als sichere Bank fur die SPD. Noch nie hat eine andere Partei dort das Direktmandat geholt – bis Seyran Papo antrat. Bei der Landtagswahl am vergangenen Sonntag gewann die CDU-Politikerin uberraschend den Wahlkreis. Ausgerechnet gegen die Landesvorsitzende der SPD.
Papo ist damit die erste CDU-Abgeordnete mit Migrationshintergrund im schleswig-holsteinischen Parlament. Und vielleicht auch die erste mit linker Vergangenheit. Denn die 34-Jahrige kandidierte schon einmal fur den Landtag – damals allerdings noch als Mitglied der Linkspartei. Vor einigen Jahren trat sie dann den Christdemokraten bei.
Im Interview erzahlt Papo vom Weg von der Linken zur CDU, sagt, warum ihr Name mal in einem Bericht des Verfassungsschutzes auftauchte und wie die eigene Migrationsgeschichte ihren Blick auf die Politik pragt.
SPIEGEL: Sie sind die erste CDU-Abgeordnete mit Migrationshintergrund im schleswig-holsteinischen Landtag. Was bedeutet das fur Sie?
Papo: Es ist ein total schones Gefuhl. Ich finde es wichtig, dass wir als Partei alle Teile der Gesellschaft abbilden, auch Migrantinnen und Migranten.
SPIEGEL: Fur andere Parteien ist es im Jahr 2022 langst normal, Abgeordnete mit Migrationsgeschichte in den Landtag zu schicken. Was ist los mit der CDU?
Papo: Ja, die CDU kann da noch besser werden. Wir brauchen Leute mit Migrationsgeschichte in der Partei. Wir mussen den Menschen da draussen ein uberzeugendes Angebot machen. Und in Deutschland gibt es nun mal viele Migrantinnen und Migranten, die schon lange hier leben und sich gut integriert haben. Denen muss die CDU zeigen: Wir nehmen euch, eure Probleme und eure Anliegen ernst. Meine Kandidatur war da schon ein wichtiges Signal. Und sie hatte ja auch Erfolg.
SPIEGEL: Sie stammen aus einer kurdischen Familie. Als Kind flohen Sie mit Ihrer Familie aus der Turkei nach Deutschland. Wie hat das Ihren Blick auf die Politik gepragt?
Seyran Papo, 34, ist Mitglied im Kreisvorstand der CDU Kiel und Vorsitzende des Arbeitskreises Integration und Migration dort. Sie arbeitet als Dolmetscherin fur Gerichte und Sicherheitsbehorden. Bei der Wahl in Schleswig-Holstein zog sie uber ein Direktmandat in den Landtag ein.
Papo: Ich kenne die Probleme, mit denen viele Migrantinnen und Migranten konfrontiert sind. Als ich hierherkam, gab es noch viel weniger Moglichkeiten als heute. Es wurden zum Beispiel kaum Sprachkurse angeboten. Deshalb konnte ich anfangs nicht zur Schule gehen. Die wussten gar nicht, was sie mit mir ohne Deutschkenntnisse anfangen sollten. Ich habe mir die Sprache dann selbst beigebracht, ubers Fernsehen zum Beispiel. Solche Erfahrungen pragen einen naturlich, ich musste mich Stuck fur Stuck hocharbeiten. Das ist ein Grund, warum ich politisch aktiv geworden bin. Weil ich es wichtig finde, dass Menschen mit Migrationsgeschichte Unterstutzung bekommen, wenn sie diese wollen.
SPIEGEL: Die CDU ist nicht die erste Partei, in der Sie sich engagieren. Fruher waren Sie Mitglied der Linkspartei, 2012 haben Sie schon mal fur den Landtag kandidiert. Wie kam es dazu?
Papo: Das ist schon ein paar Jahre her. Ich war damals in einem eher linken Freundeskreis unterwegs, das hat mich naturlich beeinflusst. Zudem habe ich mich vor allem fur Migrationspolitik interessiert und hatte das Gefuhl, dass die Linke da am meisten Angebote macht. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass ich mich mit vielen Aspekten auch nicht identifiziere. Dann bin ich ausgetreten und habe mich erst mal eine Weile aus der Politik zuruckgezogen.
SPIEGEL: Der Schritt von der Linken zur CDU ist aber ein ziemlich grosser, oder?
Papo: Das sind zwei sehr unterschiedliche Parteien, ja. Aber das Leben verlauft eben nicht immer geradlinig. Als ich irgendwann Lust hatte, mich wieder mehr zu engagieren, habe ich mir alle Parteiprogramme angeschaut. Die CDU hat mich am meisten uberzeugt, vor allem wegen der sicherheitspolitischen Aspekte. Ich arbeite selbst seit Jahren als Dolmetscherin fur Justiz- und Sicherheitsbehorden. Ich weiss, wie schleppend Verfahren dort manchmal laufen. Eine Starkung von Justiz und Polizei ist mir daher sehr wichtig. Deshalb bin ich in die CDU eingetreten.
SPIEGEL: Wahrend der Zeit bei der Linken tauchte Ihr Name in einem Bericht des Verfassungsschutzes auf. Was war da geschehen?
Papo: Als Person im linken Spektrum ist man naturlich vermehrt im Visier, vor allem wenn man auch noch einen Migrationshintergrund hat. In dem Bericht wurde ich erwahnt, weil kurdische Organisationen meine Kandidatur fur die Linkspartei damals positiv bewerteten. Das war naturlich unangenehm. Aber ich wurde nie beobachtet oder so.
SPIEGEL: War das in der CDU mal Thema?
Papo: Nicht wirklich. Da ich im Sicherheitsbereich arbeite, werde ich ohnehin regelmassig uberpruft. Und da gab es nie Probleme.
Daniel Gunther und Seyran Papo bei der CDU-Wahlparty in Kiel
Foto by Christian Charisius/ dpa
SPIEGEL: Daniel Gunther hatte vor einigen Jahren mal eine mogliche Kooperation zwischen Linkspartei und CDU im Osten ins Spiel gebracht. Was halten Sie als Ex-Linke davon?
Papo: Ich halte das fur schwierig, dafur sind die Parteien zu verschieden.
SPIEGEL: Bei der Landtagswahl haben Sie fur die CDU den Wahlkreis Kiel-Ost gewonnen, der sonst immer an die SPD ging, gegen die Landesvorsitzende der Sozialdemokraten. Wie haben Sie das geschafft?
Papo: Ich habe mich bewusst fur diesen Wahlkreis entschieden, weil ich das Gefuhl hatte: Dort gibt es ein Potenzial, das wir bisher noch nicht richtig ausgeschopft haben. Kiel-Ost ist sehr bunt, sehr divers. Gleichzeitig gibt es auch ernste Probleme, etwa Drogenhandel. Da habe ich angesetzt und mit den Menschen vor Ort gesprochen, wie wir die Gegend sicherer machen konnen. Und ich habe mich fur die Polizei starkgemacht. Gleichzeitig war auch meine eigene Biografie wichtig. An den Wahlkampfstanden hatte ich oft das Gefuhl, dass Leute mich als Vorbild sehen. Die konnten sich mit mir und meiner Migrationsgeschichte identifizieren.
SPIEGEL: Auch insgesamt war die CDU in Schleswig-Holstein sehr erfolgreich. Was konnen andere Landesverbande von Ihnen lernen?
Papo: Wir hatten durch Daniel Gunther einen riesigen Bonus. Er macht seit funf Jahren einen sehr guten Job, die Menschen mogen ihn. Das habe ich auch im Wahlkampf oft gehort.
SPIEGEL: Das ist der Tipp? Die anderen Landesverbande brauchen Vorsitzende wie Daniel Gunther?
Papo: Es schadet zumindest nicht. Als Partei haben wir uns fur die Wahl zudem breit aufgestellt. Es haben Frauen kandidiert, Menschen mit Migrationsgeschichte, Lehrer, Polizisten, Landwirte. Wir bringen viele verschiedene Perspektiven mit. Das kommt bei den Wahlern gut an.
SPIEGEL: Frauen sind in der Fraktion trotzdem unterreprasentiert. Nur ein Viertel der CDU-Abgeordneten im Landtag ist weiblich.
Papo: Ja, wir hatten die Liste paritatisch besetzt. Aber bei den Direktkandidaten gab es mehr Manner. Wir haben dieses Mal schon einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Das ist dann die Aufgabe fur das nachste Mal: Noch mehr Frauen in die Fraktion bringen und noch ein bisschen diverser werden.