Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,
heute geht es um das Treffen der G7-Außenminister an der Ostseeküste, um wichtige Weichenstellungen in Finnland und um die Frage, wer eigentlich das Sagen hat in der CDU-Zentrale.
Ist genug Geld da, Herr Lindner?
Heute wird im Bundestag der Ukrainekrieg in all seinen dramatischen Facetten auf die deutsche Innenpolitik heruntergebrochen. Es gibt eine aktuelle Stunde zum Ölembargo, die Abgeordneten debattieren über das geplante Steuerentlastungspaket der Ampelkoalition, über einen Sofortzuschlag für Kinder aus ärmeren Familien, über das 9-Euro-Ticket, über den schnelleren Bau von Windrädern und vieles mehr. Ob für all diese Vorhaben genug Geld da ist, erfahren wir, wenn Christian Lindner heute das Ergebnis der Steuerschätzung vorstellt.
Christian Lindner
Foto: CLEMENS BILAN / EPA
Später am Tag erreicht der Krieg dann auch Weißenhäuser Strand in Schleswig-Holstein, jedenfalls als Gesprächsthema. Hier treffen sich ab Nachmittag die G7-Außenministerinnen und -minister mit Gastgeberin Annalena Baerbock in einem Luxushotel an der Ostsee.
Finnland ist zwar nicht Mitglied dieser Runde, trotzdem werden die G7-Vertreter heute auch immer wieder nach Helsinki blicken: Dort will der finnische Präsident Sauli Niinistö verkünden, wie seine Position zur Frage einer Nato-Mitgliedschaft seines Landes ist. Denn ein Beitrittsantrag bräuchte seine Zustimmung. Auch die Regierungschefin Sanna Marin hat für heute angekündigt, ihre Meinung erläutern zu wollen.
Wem das an internationaler Krisenpolitik noch nicht reicht, für den richtet US-Präsident Joe Biden heute einen internationalen Videogipfel zur Coronapandemie aus. Deutschland ist Co-Gastgeber, gemeinsam mit Belize, Indonesien und Senegal. Kanzler Olaf Scholz wird eine Rede halten und vielleicht dabei das eine oder andere Goldnugget einbauen, das er am Vorabend auf seinem Treffen mit dem Corona-Expertenrat eingesammelt hat.
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Friedrich Merz bleibt Angela Merkel treu
Heute treffen die Spitzenkandidaten zur Landtagswahl in NRW im TV-Duell aufeinander. CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst und sein SPD-Herausforderer Thomas Kutschaty streiten 75 Minuten lang über ihre Konzepte für die Landespolitik.
Friedrich Merz
Foto: SASCHA STEINBACH / EPA
Für CDU-Chef Friedrich Merz ist diese Wahl der bislang wichtigste Prüfstein für sein zentrales Wahlversprechen: Mit mir wird alles besser als mit Angela Merkel. Bisher steht es 2:1 für Merkel: Unter ihrem Vorsitz siegte die CDU im Saarland und in Schleswig-Holstein. Merz schaffte nur ein Bundesland.
Sollte Hendrik Wüst nicht Ministerpräsident bleiben, könnte der CDU-Basis auffallen, dass die versprochene Erneuerung ihrer Partei nicht gerade mit Siebenmeilenstiefeln vorangeht. Das neue Grundsatzprogramm, das schon Ex-Ex-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer begonnen hatte, ist immer noch in Arbeit. Die Wahlkampfhilfe des neuen Generalsekretärs Mario Czaja für die Landesverbände sei eher mau ausgefallen, klagen CDU-Leute. Zumal er sogar vor der Wahl intern verkündet haben soll: »Das Saarland haben wir verloren.«
Auch beim Personal weht nicht gerade der Wind of Change: Viele Spitzenleute saßen schon in der Parteizentrale, als Merz noch draußen vor der Tür schimpfte, das CDU-Establishment sei gegen ihn. Der Bundesgeschäftsführer ist derselbe geblieben, sein neuer Stellvertreter arbeitete zuvor für die Fraktionschefs von Angela Merkel. Auch die CDU-Pressestelle musste in letzter Zeit kaum neue Namensschilder anbringen.
Eine neue Büroleiterin, die Merz mitgebracht hatte, warf nach kurzer Zeit schon wieder das Handtuch. Einen Nachfolger hat der Parteichef schon ausgesucht – aber der stammt ausgerechnet aus dem Lager derjenigen, die früher gegen Merz gearbeitet haben.
Nichts spricht gegen Kontinuität und klassische Töne, schon gar nicht in einer konservativen Partei. Es sei denn, das Wahlversprechen war Rock’n’Roll, die Revolution.
Wo bei der CDU nicht Kontinuität herrscht, herrscht Konfusion: Da wäre der neue »Politische Koordinator« Markus Kerber, ein stets bestens gelaunter Schwabe, der zuvor Staatssekretär war, in der Regierung von – Sie ahnen es – Angela Merkel. Wie Kerber seine Zuständigkeiten zu Generalsekretär Czaja und Bundesgeschäftsführer Stefan Hennewig abgrenzt, bleibt diffus.
Denn Kerber sind wichtige Themen zugeordnet, die strategische Planung und Gegnerbeobachtung etwa, auch die Reden und die Demoskopie – worum kümmern sich dann nochmal die anderen beiden? Für die fünf Fachabteilungen scheinen wiederum alle drei Chefs zugleich zuständig zu sein. Aber vielleicht hat auch nur jemand vergessen, im neuen Organigramm noch ein paar Striche einzuziehen.
Steffi Lemke spricht über das Klima
Heute tagen die Umweltministerinnen und -minister in Wilhelmshaven. Es geht unter anderem um den Artenschutz, konkret das »Wolfsmanagement«. Außerdem werden die »Scientists for Future Wilhelmshaven« den Politikern ein Thesenpapier zur Klimapolitik überreichen. Man gönnt es Steffi Lemke, der Ministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, dass sie auch mal über den Klimaschutz sprechen kann.
Steffi Lemke
Foto: Bernd von Jutrczenka / dpa
Denn diese wichtige Zuständigkeit wurde bei der Regierungsbildung aus Lemkes Ministerium herausgesäbelt und Vizekanzler und Klimaminister Robert Habeck anvertraut. Lemkes übrig gebliebene Themen, obwohl für sich genommen alle eminent wichtig, wirken etwas zusammengeschustert.
Lemke hat übrigens einen Sohn. Ob er gerne mit ihr verreist, oder doch lieber mit Freunden, will ich lieber nicht wissen. Diese Frage mit Blick auf den Sohn von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht haben viele Lage-Leserinnen und -Leser gestern als ungehörig und gar nicht witzig empfunden, was mir aufrichtig leid tut. Vielleicht war es meine Art der Traumabewältigung: Meine eigene Mutter hat auch ohne Posten im Bundeskabinett einen so vollen Kalender, dass sie weder mit mir verreisen, noch die Lage am Morgen lesen kann.
Beim Thema Zuständigkeiten haben wir Journalisten übrigens ähnliche Probleme wie Steffi Lemke. Auch wir balgen uns um spannende Themen, verlieren aber auch schnell wieder das Interesse, dafür ist die Klimakrise ein gutes Beispiel. Sie war vor Ukrainekrieg und Pandemie das Thema Nummer 1 und hätte diesen Status angesichts des Ernstes der Lage auch noch immer verdient.
Berichten die Medien noch genug über Klimapolitik? Wie lässt sich die Krise abbilden, ohne das Publikum zu überfordern oder aktivistisch zu werden? Darum wird es heute in einer neuen Folge des SPIEGEL-Podcasts »Klimabericht« gehen. Zu Gast ist diesmal der Klimaforscher Stefan Rahmstorf.
Gewinner des Tages…
Raúl Krauthausen
Foto: Jens Kalaene/ dpa
…ist der Talkshow-Moderator Raúl Krauthausen. Hä, nie gehört, denken Sie jetzt, und zugegeben, Krauthausens Sendung läuft bei Sport 1 auch nicht gerade zur besten Sendezeit, aber immerhin schon seit 2015. In seiner Show »Krauthausen – Face to face« interviewt der 41-Jährige Menschen, die wie er eine Behinderung haben, aber auch besondere Talente oder interessante Berufe.
Krauthausen, Aktivist für mehr Inklusion in Deutschland, hat die sogenannte »Glasknochen«-Krankheit, ist kleinwüchsig und sitzt im Rollstuhl. Nun wurde er selbst interviewt, von meinem Kollegen Alexander Kühn. Ihm erzählte Krauthausen von seiner Kindheit , die von finanzieller Not geprägt war, und von der aus seiner Sicht ungerechten Vergütung für Behinderte. Wer in einer Behindertenwerkstatt arbeite, verdiene nicht einmal den Mindestlohn, jeder Praktikant bekomme mehr. »Es heißt dann immer: Ach, die Behinderten arbeiten ja nicht richtig. Doch, die schuften, acht Stunden am Tag«, sagt Krauthausen.
Mich hat das Interview sehr berührt, weil es einen mal wieder daran erinnert, dass man sich glücklich schätzen kann, einfach einen funktionierenden Körper zu haben.
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Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.
Ihre Melanie Amann