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Welt

News des Tages: Der »Tag des Sieges« in Moskau, die Wahl in Kiel, Alternativen zum Fleisch

Guten Abend, die drei Fragezeichen heute:

  1. Der »Tag des Sieges« in Moskau: Wo fliegen sie denn?

  2. Nach der Wahl in Kiel: Wer regiert denn da?

  3. Alternativen zum Fleisch: Was wollen wir denn essen?

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1. Wo fliegen sie denn?

Zum 77. »Tag des Sieges«, der traditionellen Militärparade in Moskau, ist die allseits erwartete Flugshow in letzter Minute abgesagt worden. Dabei war bereits das Vorbeifliegen in Z-Formation geübt worden, wie man weiß. Grund für die Absage sei das Wetter in Moskau (zehn Grad, teils bewölkt, Nieselregenwahrscheinlichkeit von 50 Prozent) gewesen. Wir erinnern uns: Das Wetter war angeblich auch die Ursache für den Untergang der »Moskwa«, die – man weiß nicht, wie! – im Schwarzen Meer plötzlich Feuer gefangen hatte.

In seiner Rede auf dem Roten Platz begründete Putin erneut die »militärische Sonderoperation« mit dem notwendigen Kampf gegen den Faschismus überall dort, wo Russland nicht ist. Überdies sei ihm, grob zusammengefasst, der Westen zu sehr auf den Leib gerückt, wodurch eine »für uns absolut inakzeptable Bedrohung geschaffen« worden sei. Sucht man eine gute Nachricht, dann besteht sie im Ausbleiben der Ankündigung einer General- oder wenigstens Teilmobilmachung. Eingeschworen wird das Volk auf weitere Opfer.

Während wiederum in Berlin der russische Botschafter seinen Kranz am sowjetischen Ehrenmal niederlegte, musste sich in Odessa der EU-Ratspräsident offenbar vor russischen Raketen in Sicherheit bringen, drohte der russische Raumfahrt-Chef dem US-Raumfahrt-Nerd Elon Musk wegen dessen Satelliten über der Ukraine – und zeigte das russische Satellitenfernsehen, bei dem Elon Musk seine Finger ausnahmsweise nicht im Spiel hat, subversive Antikriegsbotschaften.

Und hier weitere Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine:

  • Warum Russlands Wirtschaft taumelt, aber noch nicht fällt: Die Autoindustrie ist kollabiert, IT-Spezialisten fliehen ins Ausland – und doch ist es dem Kreml bislang gelungen, den großen Crash zu vermeiden. Das liegt auch an der verstörenden Duldsamkeit der Russen .

  • Prorussische Kundgebungen an sowjetischen Ehrenmalen – Botschafter legt Kranz nieder: Auch in diesem Jahr zelebriert Russland seinen Sieg über Nazideutschland in Berlin. Dazu, ob man dabei auch der getöteten Soldaten in der Ukraine gedenke, äußerte sich Botschafter Sergej Netschajew ausweichend.

  • EU-Kommission will schon im Juni Beitrittschancen der Ukraine beurteilen: Die Ukraine drängt angesichts des Angriffskriegs von Russland auf einen Beitritt in die EU. Kommissionschefin Ursula von der Leyen macht bei einer Entscheidung offenbar Tempo.

  • Hier finden Sie alle aktuellen Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine: News-Update

2. Wer regiert denn da?

Das Schöne an der Demokratie (oder »Demograzy«, wie Gerhard Polt sagen würde) ist ihre Fähigkeit zur Überraschung. Wenig bis gar nicht überraschend ist, dass CDU-Ministerpräsident Daniel Günther die Wahl in Schleswig-Holstein gewonnen hat . Rausgeflogen aus dem Parlament in Kiel sind die Extremen und Überbetonten von rechts wie links, geblieben sind – trotz Abstrichen – drei starke Parteien. Allzu glückselige Grüne, einigermaßen gerupfte Liberale. Auf einen Bündnispartner festlegen lassen will sich der alte und neue Ministerpräsident jedoch noch nicht. Buhlen müssen wird vor allem die FDP, die viele Stimmen ausgerechnet an die CDU verloren hat. Die Grünen wiederum konnten, wie üblich, nur in den urbanen Zentren punkten; dort aber dann sehr.

Aus dem vergleichsweise fernen Thüringen grüßte derweil ein anderer Landesvater, dessen Beliebtheit die seiner Partei weit hinter sich lässt: »Ich schätze seinen Politikstil und achte es, wie er drei Parteien gut und erfolgreich moderiert und repräsentiert«, sagte Bodo Ramelow: »Das ist eine kluge und moderne Form, Politik zu gestalten.« Und wer kritisiert, im Guten wie im Schlechten, spricht dabei doch immer auch ein wenig über sich selbst.

Nun wird wieder viel interpretiert, was das Ergebnis in Schleswig-Holstein für die Ampel bedeutet  (nichts Gutes) – wurde gewonnen oder verloren trotz oder wegen der Politik in Berlin? Das wird wohl erst die kommende Wahl in Nordrhein-Westfalen klären, nach der sich diese Fragen erneut stellen.

Ein etwas unterkomplexer Kommentar zur Wahl kam von der grünen EU-Abgeordneten Terry Reintke, dafür kam das »Ja« mit exakt 128 A vermutlich direkt von Herzen: »JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA.«

3. Was wollen wir denn essen?

In »Der himmlische Jäger« beschreibt der italienische Intellektuelle Roberto Calasso eindrucksvoll die anthropologische Theorie, wonach der Menschenaffe sich erst über den Zwischenschritt des Aasfressers in einen Jäger verwandelt habe. Demnach hätten unsere Vorfahren aus sicherer Entfernung nicht das elegante Raubtier beobachtet und nachgeahmt (etwa den Säbelzahntiger), sondern die Hyäne. Die entsprechende Passage hat das Zeug, Leserinnen und Leser schlagartig zu Vegetariern zu machen.

Womit sie dann auch bald zur wachsenden Kundschaft von Rügenwalder Mühle gehören könnten. Die Firma meldete unlängst, erstmals mehr vegetarische Produkte als Wurst und Fleisch verkauft zu haben. Insgesamt nahm der Wert dieser Produkte im vergangenen Jahr um 22,2 Prozent auf 458,2 Millionen Euro zu – mit Fleischprodukten wurde zuletzt noch das 80-Fache umgesetzt.

Wobei das, was es da zu essen gibt, wie Mortadella, Salami, Hackfleisch oder Bratwurst aussieht und – mehr oder weniger – auch so schmeckt. Basis dieser kuriosen Konstruktionen sind Soja oder Erbsen, es wird aber bereits an anderen Alternativen zur Tötung von Tieren geforscht. Es spricht nicht nur ethisch das eine oder andere Argument gegen den Fleischverzehr. Aufzucht, Ernährung und Schlachtung lebendiger Biomasse für den heimischen Grill ist zu einem großen Teil für die weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich.

Über eine Änderung unserer Nahrungsgewohnheiten aber entscheidet nicht Roberto Calasso oder die Moral, sondern der Markt. Es genügt nicht, wenn Fleischersatzprodukte  »so schmecken wie« Fleisch. Erst wenn sie besser schmecken, ist die Wende erreicht.

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Was heute sonst noch wichtig ist

  • Wissing plant offenbar Abwrackprämie – und deutlich höhere Kaufprämie für E-Autos: Um den CO₂-Ausstoß in den Griff zu kriegen, will Verkehrsminister Wissing laut einem Bericht viel Geld einsetzen. Der Erwerb von E-Autos solle enorm bezuschusst werden – auf teils mehr als 25 Prozent des Kaufpreises.

  • SPD-Chef Klingbeil kündigt Kurswende bei Chinapolitik an: »Eng an der Seite Russlands stehen« zu wollen, sei ein Fehler gewesen, gesteht SPD-Chef Lars Klingbeil ein. Für den Umgang mit China will der Co-Chef der Kanzlerpartei daraus Lehren ziehen.

  • Studie warnt vor massivem Konjunktureinbruch: Ohne russisches Gas könnte die Wirtschaft um bis zu zwölf Prozent einbrechen, warnt eine neue Untersuchung. Möglich ist demnach »eine Wirtschaftskrise, wie sie Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg nicht erlebt hat«.

  • Sylthaft teuer: Die Immobilienpreise auf den Nordseeinseln sind laut dem Küstenreport einer Maklerfirma explodiert. In Nordfriesland ist es dabei noch teurer als in Ostfriesland – das hat Folgen vor Ort.

Meine Lieblingsgeschichte heute: …

… ist das Gespräch, das Wolfgang Höbel und Stefan Kuzmany mit Gerhard Polt geführt haben. Gleich zwei aktuelle Anlässe hatte dieses Interview: erstens Polts Unterschrift unter dem umstrittenen »Emma«-Brief an Olaf Scholz und zweitens, erfreulicher, der 80. Geburtstag dieses Solitärs in einer deutschen Humorlandschaft , die wirkt, als hätten sich eben erst die Gletscher der letzten Eiszeit daraus zurückgezogen. Was seinen Pazifismus betrifft, gab Polt zu Protokoll, dass München nach dem Zweiten Weltkrieg ausgesehen habe »wie Mariupol«. Ein anderer großer Bayer, Karl Valentin, sagte einmal: »Jedes Ding hat drei Seiten, eine positive, eine negative, eine komische.« Das Interview ist ein bezaubernder Versuch, das Komische im Finsteren zu entdecken – und erinnert daran, dass »so einer wie Polt« heute kaum mehr möglich wäre. Und, ja, wie schade das ist: »Ich finde interessant«, sagt Polt, »dass es Leute gibt, die wissen, wo der Spaß aufhört«. Mein Kollege Stefan Kuzmany, ebenfalls überzeugter Bajuware, sagt: »Es war der Höhepunkt meiner journalistischen Karriere, Polt zu Hause besuchen zu dürfen und mit ihm die Weißwürste zu verspeisen, die er zubereitet hat.«

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Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • Das Erfolgsdilemma der Grünen im hohen Norden: Die Grünen haben in Schleswig-Holstein viel erreicht: viele Stimmen und Platz zwei. Aber die Staatskanzlei ist außer Reichweite und die Regierungsbeteiligung wohl verloren. Ist die Partei erfolgreicher, als ihr guttut? 

  • Talk ohne Gast: Der »Petersburger Dialog« wurde einst von Putin und Schröder gegründet, um die Völker ins Gespräch zu bringen. Seit dem Ukrainekrieg herrscht Stille. Jetzt streiten die Deutschen nur noch mit sich selbst. Über Russland .

  • Schale Feier, Ibiza und der Wunsch nach »Pressingmaschinen«: Zum zehnten Mal in Folge Meister, der Jubel bei den Bayern fällt verhalten aus: Viele Fans gehen bei der Titelübergabe vorzeitig – schon jetzt dominiert die Sorge um den künftigen Kader .


Was heute weniger wichtig ist

  • Königin Elisabeth II. (vollständiger Titel: »Elizabeth the Second, by the Grace of God, of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and of Her other realms and territories Queen, Head of the Commonwealth, Defender of the Faith«) ist reich. Sehr reich. Das mag nun eine etwas kleinliche Feststellung sein, einerseits. Andererseits ist die Königin auch nur ein Staatsoberhaupt, und nicht wenige Verächter der Krone rechnen den Royals gerne vor, was sie die Steuerzahler kosten. Gleichwohl ist es gar nicht so leicht, das exakte Vermögen zu bestimmen – es reicht von einem ganzen Fuhrpark an Automobilen bis zu Briefmarkensammlungen, von ganzen Pferdeherden in Rennställen bis zu Schlössern. So ganz genau weiß wohl nicht einmal ihre Steuerberaterin, was die Königin und ihre Familie so auf den diversen Konten hat. Faszinierend nur, dass dieses Thema weit weniger Aufmerksamkeit erregt, als das bei den Karrieren von Prinz Harry und Meghan Markle der Fall ist. Sebastian Borger hat für uns aus London dennoch aufgeschrieben, was sich wie eine Mischung aus Wirtschaftskrimi und Sozialstudie liest .

Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: »Das Außenministerium biete ›bis zu zehn Millionen Dollar für Informationen, die zur Identizierung oder zur Lokalisierung von Individuen führen, die eine Schlüsselrolle spielen‹«

Cartoon des Tages: Putins Parade


Foto:

Thomas Plaßmann


Und heute Abend?

Fürchterlich ist die Angewohnheit mancher Leute, nicht einfach nur einen Wein trinken zu wollen, nein, »ein guter Wein« muss es sein. Gleiches gilt für Leserinnen und Leser, die nichts gegen ein »gutes Buch« haben, das sie im Urlaub aufschlagen. Buch allein genügt nicht. Dieser umständlichen Vorrede zum Trotz sei an dieser Stelle ein Buch empfohlen, das nicht nur gut, sondern sogar sehr gut ist: »Mary Shelleys Zimmer«  (Rowohlt). Darin schildert Timo Feldhaus die Auswirkungen auf Kunst, Kultur und Gemüt der Menschheit, »als«, so der Untertitel, »1816 ein Vulkan die Welt verdunkelte«. Der Roman ist auf beinahe altmodische Weise leicht zu lesen und verknüpft den Ausbruch des Tambora auf Indonesien mit den surrealen Landschaftsmalereien eines Caspar David Friedrich, die Wolkenwissenschaft von Goethe – und den »Monstern der Moderne«, die nicht zuletzt Mary Shelley (»Frankenstein«) unter dem Eindruck eines »Jahrs ohne Sommer« in die Literatur eingeführt hat. Feldhaus verknüpft wie ein hyperauktorialer Erzähler eine frühe Klimakatastrophe mit einer Liebesgeschichte, das nationale Erwachen in Deutschland mit Napoleon im Südatlantik – und springt so hurtig von einem Schauplatz zum nächsten, dass es eine Freude ist. Mein Kollege Xaver von Cranach hat den Roman im aktuellen Heft empfohlen und erzählt, dass er einst in einem Museum in London vor den »völlig unrealistisch farbensatten Sonnenuntergängen eines William Turner« stand: »Jetzt weiß ich, warum die so farbensatt waren.«

Ich wünsche Ihnen einen unspektakulären Sonnenuntergang.
Herzlich
Ihr Arno Frank

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