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und der Krieg in der Ukraine: Wie sich die Rechtspopulisten als Friedenspartei inszenieren //

AfD-Chef Chrupalla fordert Verhandlungen der Ukraine und Russlands in Berlin, Rechtsextremist Hocke ubernimmt einen Slogan der Friedensbewegung. Doch in der Fraktion sind nicht alle mit dem Kurs der Partei einverstanden.

AfD-Partei- und Fraktionschef Tino Chrupalla bei der Debatte vor der Abstimmung zum Waffenantrag: >>Beitrittsbekundung zu einem Krieg<<


Foto by MICHELE TANTUSSI/REUTERS

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Wenn es darum geht, Anleihen beim politischen Gegner zu suchen, kennt Bjorn Hocke wenig Hemmungen. >>Frieden schaffen ohne Waffen<<, twitterte der Thuringer AfD-Landeschef jungst zum Krieg in der Ukraine, unterlegt in den hellblau-weissen Farben, wie sie auf Fahnen bei Anti-Kriegs-Demonstrationen zu sehen sind.

Der Slogan aus der linken Friedensbewegung der 1980er-Jahre, der in Westdeutschland ebenso wie in den kleinen Oppositionszirkeln der DDR popular war, dient Hocke als Folie fur sein Nein zur deutschen Waffen-Unterstutzung der Ukraine. Der Krieg sei zwar >>schrecklich, aber er ist nicht unser Krieg<<.

Hockes Vorstoss ist Teil seiner Strategie, uber die eigene Kernklientel hinaus zu wirken. Frei nach dem Motto des italienischen und auch in rechten Kreisen seit Langem aufmerksam rezipierten Neomarxisten Antonio Gramsci, der einst den Begriff der >>kulturellen Hegemonie<< pragte. So versucht nun Hocke mit sprachlichen Aneignungen im gesellschaftlichen Diskurs zu punkten.

Im Visier ist dabei der Thuringer Ministerprasident und Linkenpolitiker Bodo Ramelow, der, anders als viele in seiner Partei, sich jungst in der >>Thuringer Allgemeine<< offen fur weitere Waffenlieferungen an Kiew zeigte und auch forderte, Schritt fur Schritt Moskau den Gashahn zuzudrehen. Er schloss daran den Satz an: >>Bevor Putin eskaliert, mussen wir eskalieren.<< Eine Bemerkung, an der sich Hocke nun abarbeitet, wie jungst auf seiner Facebook-Seite. Offenkundig in der Absicht, mit seinem vorgeblichem Friedenskurs auch enttauschte Wahler der Linken zu erreichen.

Chrupalla mit harter Rhetorik

Hocke, vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist gefuhrt, steht mit seinem Kurs nicht allein. Seit Wochen versucht der AfD-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla, die Partei als eine Art neue Friedenskraft zu verorten. Wie Hocke auf Twitter, so erklarte er vor wenigen Tagen in der >>Welt<>nicht unser Krieg<>Das ist die Aufgabe der Ukraine, nicht meine. Als Bundesrepublik Deutschland haben wir keinerlei Bundnis-Verpflichtungen. Ich vertrete deutsche Interessen.<< Berlin, schlug er vor, sollte als Austragungsort fur Gesprache zwischen der Ukraine und Russland dienen, die Bundesregierung als neutraler Mittler agieren.

Chrupalla, der aus dem sachsischen Gorlitz stammt, glaubt, mit seiner Anti-Kriegs-Rhetorik auch ostdeutsche Befindlichkeiten auffangen zu konnen. Auf Twitter lobte er Mitte April, als die Ampel-Koalition noch um ihren Kurs zur Lieferung schwerer Waffen rang, den SPD-Kanzler in einem Duktus, der aus dem weit links stehenden Teil der Friedensbewegung hatte stammen konnen: Olaf Scholz setze >>sich gegen die vereinten Kriegstreiber aus FDP, Grunen und Union durch – keine Lieferung schwerer Waffen, kein Embargo, keine Kriegsbeteiligung der Nato<<.

Russischer Aussenminister Sergej Lawrow, AfD-Politiker Tino Chrupalla im Dezember 2020 in Moskau: >>Wichtiger Besuch<<


Foto: Russian Ministry of Foreign Affa/imago Images/ITAR-TASS

Die Positionierung Chrupallas, seit dem Austritt Jorg Meuthens einzig verbliebener Parteichef an der Spitze, hat auch mit der kunftigen Machtkonstellation in der Partei zu tun. Mitte Juni will der 47-Jahrige auf dem Bundesparteitag im sachsischen Riesa wiedergewahlt werden. Der Umgang mit dem Krieg in der Ukraine durfte, sofern er bis dahin anhalt, eines der zentralen Themen auf der Zusammenkunft werden.

Die Haltung der Partei zum Uberfall Russlands ist keinesfalls abschliessend geklart. Nach muhseligen internen Debatten hatte sich zwar die Bundestagsfraktion, die von Chrupalla und Alice Weidel gefuhrt wird, nach dem 24. Februar auf ein Papier geeinigt, in dem der Angriff als volkerrechtswidrig verurteilt wurde, zugleich aber lehnten die AfD-Parlamentarier Wirtschaftssanktionen gegen Russland ab, billigten nur Sanktionen gegen Verantwortliche und Unterstutzer des Angriffskrieges.

Chrupalla steht emblematisch fur die Nahe der AfD zu Putins Russland. Wie wohl kaum ein anderer AfD-Politiker pflegte er noch in jungerer Vergangenheit demonstrativ Kontakte zum Kreml. Im Dezember 2020 weilte der Parteichef mit einer kleinen AfD-Delegation rund drei Stunden zu einem Arbeitsessen beim russischen Aussenminister Sergej Lawrow, im Juni 2021 war Chrupalla erneut in Moskau, diesmal im russischen Verteidigungsministerium. Dazwischen besuchte auch seine Fraktionskollegin Alice Weidel Moskau – im Marz 2021 fuhrte sie Gesprache im Aussenministerium und mit der russischen Zentralbank.

In den vergangenen Jahren waren AfD-Politiker, ob aus Ost oder West, immer wieder gern gesehene Interviewpartner beim Propaganda-Staatskanal >>Russia Today<<. Oder sie weilten wie der damalige sachsische AfD-Bundestagsabgeordnete Ulrich Oehme sogar auf Kosten des Auswartigen Ausschusses der Duma im Marz 2018 auf der von Russland annektierten Krim.

Oehmes Besuch war kein Einzelfall, zuvor hielten sich auch acht AfD-Landtagsabgeordnete auf der Halbinsel auf, >>privat<<, wie sie indes betonten. Auch sorgten Besuche des AfD-Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier auf der Krim und in den von russischen Separatisten besetzten Gebieten im Osten der Ukraine in den vergangenen Jahren fur Schlagzeilen.

Wladimir Putin und die AfD, das ist eine lange Geschichte. Der heutige AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland reagierte im Fruhjahr 2014, nach der Annexion der Krim, mit einer verbalen Doppelbotschaft: Er nannte die Annexion zwar volkerrechtswidrig, sprach aber auch vom >>Einsammeln russischer Erde<>Es darf auch nicht verlieren.<>Nur ein Kompromiss kann diesen Krieg beenden<<, so Gauland. Zu welchem Preis fur Kiew, das sagt er nicht.

Unmut in der AfD

Der Uberfall auf die Ukraine kam auch fur viele AfD-Politiker uberraschend. Vorhersagen amerikanischer Geheimdienste zum Angriffskrieg hatte mancher intern in den Wochen davor noch als westliche Propaganda abzutun versucht.

Kurz nach dem 24. Februar war Chrupalla, wie er bei einem damaligen Gesprach mit dem SPIEGEL in seinem Bundestagsburo deutlich machte, noch von einem baldigen Ende des Krieges ausgegangen. Mit seiner Einschatzung lag Chrupalla daneben, womit er allerdings nicht allein war. Auch in der Ampel-Koalition hatten manche nicht damit gerechnet, dass die ukrainischen Streitkrafte derart heftigen und erfolgreichen Widerstand leisten wurden.

Seit dem Uberfall laviert Chrupalla bei seinem Versuchen zwischen pflichtschuldiger Verurteilung und weitaus grosserem Verstandnis fur russische Belange. Das Einfrieren russischer Devisen durch den Westen nannte er erst am Freitag gegenuber der russischen staatlichen Nachrichtenagentur Ria Novosti >>eine destruktive Massnahme<<, die Russland dazu gezwungen habe, die Gas-Zahlungen auf den Rubel umzustellen.

Die Versuche Chrupallas und anderer in der Partei, die AfD auf eine Art >>rechte Friedenskraft<>Welt<>unser Krieg<>nicht fur mich und auch nur fur einen Teil<>jedes Recht auf Selbstverteidigung<>Sie sollten sich uberlegen, ob es noch ihre Partei ist, wenn er nicht fur Sie spricht<<.

Der Konflikt uber den Kurs gegenuber Russland treibt auch die Bundestagsfraktion um. Als in der vergangenen Woche SPD, FDP und Grune zusammen mit der Union im Bundestag einen Antrag verabschiedeten, der auch die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine ermoglicht, wetterte Chrupalla zwar, der Antrag lese sich wie >>die Beitrittsbekundung zu einem Krieg<<. Doch nicht alle in der AfD-Fraktion mochten seinen Ausfuhrungen folgen.

Am Ende gab es im Plenum bei der namentlichen Abstimmung vier Stimmen aus der AfD-Fraktion fur den Waffen-Antrag und drei Enthaltungen, sieben weitere AfD-Abgeordnete (die Fraktion zahlt derzeit 80 Parlamentarier) nahmen gar nicht erst teil.

Wenngleich die Gruppe derer, die sich offen zu Waffenlieferungen fur Kiew bekannten, ubersichtlich blieb, kam es In den sozialen Medien bei manchen AfD-Mitgliedern zu wutenden Reaktionen. So listete der AfD-Politiker Matthias Hofmann, Burgermeisterkandidat aus dem sachsischen Burgstadt, einige der Abgeordneten auf und schrieb unter der Zeile >>Abweichler in der AfD<>Merkt Euch die Namen und deren Umfeld<<, fur den kommenden Bundesparteitag.


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