Jahrelang saß der türkische Philanthrop Osman Kavala ohne Urteil im Gefängnis, nun soll eine lebenslange Haftstrafe folgen. Das Urteil sorgt für internationale Kritik. Nun hat das Auswärtige Amt den türkischen Botschafter in Berlin einbestellt.
Das »schockierende Urteil gegen Osman Kavala und auch die harten Strafen gegen seine Mitangeklagten« seien eine »weitere schwere Belastung für die Beziehungen der EU zur Türkei wie auch für unsere bilateralen Beziehungen«, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts. Die Bundesregierung habe dem türkischen Botschafter bei dem Gespräch am Vormittag ihre Haltung »noch einmal sehr deutlich gemacht«.
Zudem habe die Bundesregierung auch die Partner in der EU aufgerufen, mit Botschaftereinbestellungen auf Kavalas Verurteilung zu reagieren. »Wir erwarten, dass Osman Kavala unverzüglich freigelassen wird«, sagte der Sprecher. »Dazu hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Türkei verbindlich verpflichtet.«
Kavala war am Montag wegen des Vorwurfs des versuchten Umsturzes der Regierung von einem Gericht in Istanbul zu lebenslanger Haft verurteilt worden. International wurde das Urteil scharf kritisiert. In der Türkei kam es zu Protesten.
Erdoğan weist Kritik scharf zurück
Kavala ist bereits seit mehr als vier Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Silivri nahe Istanbul inhaftiert. Der Geschäftsmann war 2017 ursprünglich wegen des Vorwurfs festgenommen worden, die gegen die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan gerichteten Gezi-Proteste in Istanbul im Jahr 2013 finanziert und organisiert zu haben.
Im Februar 2020 sprach ein Gericht ihn von diesem Vorwurf frei. Kavala wurde damals aus der Haft entlassen, jedoch wenige Stunden später erneut festgenommen – diesmal im Zusammenhang mit dem Putschversuch gegen Erdoğan im Jahr 2016 und wegen Spionagevorwürfen. Kavala weist die Anschuldigungen zurück.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte bereits im Dezember 2019 Kavalas Freilassung angeordnet, doch die türkische Regierung ignoriert die Entscheidung. Im Dezember leitete der Europarat, dessen Mitglied die Türkei ist, deswegen ein Strafverfahren gegen Ankara ein. Das türkische Außenministerium forderte den Europarat auf, auf jegliche »Einmischung« in seine Justizangelegenheiten zu verzichten. Nach der Verurteilung Kavalas hat Erdoğan die internationale Kritik an dem Urteil scharf zurückgewiesen.