n Hofreiter uber Ukraine-Krieg: >>Wir hatten die letzten 15 Jahre Unrecht<< //
Anton Hofreiter, Bundnis90/Die Grunen
>>Es sind sich meiner Beobachtung nach in Deutschland alle demokratischen Parteien. Und ich kenne keinen einzigen Abgeordneten, der anderer Meinung ist, vollig darin einig, dass wir nicht Kriegspartei werden durfen. Es sind sich auch alle darin einig, dass wir den Wunsch der Ukraine, eine Flugverbotszone einzurichten, auf gar keinen Fall erfullen konnen. Und das verstehen auch die Abgeordneten in der Ukraine. Aber deren Punkt ist nicht eine Rustungsspirale, sondern deren Punkt ist, dass sie uberfallen werden von Russland, dass die Menschen ermordet werden, dass schwerste Kriegsverbrechen begangen werden. Und die bitten uns nach den schweren Fehlern, die wir in Deutschland gemacht haben, im Umgang mit Russland. Wir haben Russland ermoglicht, so aufzurusten, indem wir Milliarden und Abermilliarden an Finanzmitteln uber die Energie zur Verfugung gestellt haben. Und wir haben uns und da haben wir auch Fehler gemacht. Da habe ich auch Fehler gemacht. Ich war auch als Fraktionsvorsitzender nicht laut genug, als 2015 die Vertrage zu Nordstream 2 unterschrieben worden sind. Wir haben dagegen protestiert, aber nicht laut genug. Und das war ein Jahr nach dem. Wir haben uns lustig gemacht uber die Sorgen der Osteuropaer. Wir haben gesagt, die haben ein Russentrauma und so weiter. Ich kann mich noch gut erinnern an die Debatten. Das Schlimme ist, die hatten exakt recht mit ihren Warnungen. Die hatten einen viel realistischeren Blick. Und deshalb ist mein Pladoyer, dass wir, nachdem wir die ganzen letzten 15 Jahre Unrecht hatten, diesmal genau zuhoren, was sie sagen. Und sie sagen uns, wenn die Ukraine nicht in der Lage ist, sich zu verteidigen, wird Putin das nachste Land angreifen. Und wir sehen bereits erste Massnahmen in der Republik Moldau. Und deswegen mussen wir dafur sorgen, dass die Ukraine in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen.<<
Michael Muller, SPD
>>Ich sage auch, die Ukraine zu unterstutzen, sich wehren zu konnen gegen Russland ist vollig richtig, aber wir mussen im Blick behalten, was da fur eine Rustungs- und Waffenspirale in Gang gekommen ist. Und ich mache mir Sorgen nach Panzern, die jetzt geliefert werden, dann ist die nachste Forderung Flugzeuge sollen geliefert werden, dann kommt die Flugverbotszone. Und das im Blick zu behalten, ist mir sehr wichtig. Was der Kanzler betont: aufzupassen, dass wir nicht uber kurz oder lang durch diese Spirale Kriegspartei werden und auch Prasident Macron sagt das. Es also offensichtlich nicht nur eine Position im Kanzleramt.<<
Markus Feldenkirchen, DER SPIEGEL
>>Wir haben dieses Zitat, auf das Herr Muller angespielt hat, vom Bundeskanzler mal vorbereitet. Er hat den Kolleginnen und Kollegen vom Spiegel gesagt: >>Ich halte es nicht fur gerechtfertigt, dass Deutschland und die NATO Kriegsparteien in der Ukraine werden. Ich tue alles, um eine Eskalation zu verhindern, die zu einem dritten Weltkrieg fuhrt. Es darf keinen Atomkrieg geben.<< Teilen Sie diese Angst des Bundeskanzlers, Herr Hofreiter?<<
Anton Hofreiter, Bundnis90/Die Grunen
>>Ich gehe jetzt nicht davon aus, sozusagen, dass im Kreml lauter Selbstmordattentater sitzen. Und deshalb, das muss man selbstverstandlich wagen, deswegen sind wir uns ja auch einig, dass wir nicht direkt Kriegspartei werden. Aber wie sagt Frau Strack-Zimmermann immer so klug: Der Krieg findet nicht nur mit Waffen und auf dem Boden statt, sondern eben auch mit Propaganda und mit Angst einjagen. Und der Kreml ist sehr, sehr gut darin, unsere Debatten zu reflektieren und das mit Propaganda dann zu verstarken. Also man sollte auf gar keinen Fall die Angstpropaganda des Kremls ubernehmen, namlich wie gesagt, das sind auch keine Selbstmordattentater. Und wie gesagt, dass wir das abwagen mussen, das ist ja vollkommen klar. Und ich habe da schon mal das eine oder andere Wort benutzt und deswegen wurde ich das auch nicht zu hart sozusagen jeweils spielen.<<
Markus Feldenkirchen, DER SPIEGEL
>>Tun Sie das, Herr Muller und der Bundeskanzler, die Angstpropaganda des Kreml ubernehmen?<<
Anton Hofreiter, Bundnis90/Die Grunen
>>Nein. Also da drehen Sie mir bitte nicht das Wort im Mund um. Ich sage nicht, dass der Bundeskanzler Angstpropaganda macht, sondern wir sollten immer bedenken. im Kreml sitzen auch keine Selbstmordattentater.<<
Michael Muller, SPD
>>Naja, aber es ist schon eine ernsthafte Sorge. Zumindest fur mich kann ich das sagen. Es ist eine ernsthafte Sorge, weil, Herr Hofreiter, wir konnen ja nicht an der Stelle mal ausprobieren, was wurde passieren wenn, sondern wir mussen uns ja ernsthaft damit auseinandersetzen, dass wir alles tun mussen, um diese Gefahr auf allen Wegen zu verhindern, dass es in diese Richtung eskaliert. Und da sage ich mal, man muss sich mal uberlegen, was in acht Wochen passiert ist und dass wir diese Debatte fuhren. Vor acht Wochen hatten wir noch gesagt, uber einen Atomkrieg mussen wir uberhaupt nicht reden, ist doch absurd. Und auf einmal spielen wir Szenarien durch, wann und wie konnte so etwas passieren? Und wie verhindern wir das? Und ich finde, damit ruckt es schon so nahe ran, dass es eine ernsthafte Diskussion und ernsthafte Option offensichtlich ist fur einige. Und das ist es, was mich umtreibt. Und deswegen sage ich auch und das wissen auch wir beide auf jeden Fall, ob 20 deutsche Panzer geliefert werden oder nicht, es ist fur die Ukrainer eine wichtige Hilfe, sich verteidigen zu konnen, aber es wird moglicherweise das Kriegsgeschehen nicht komplett verandern. Und man muss sich deshalb immer genau fragen: Was tut man, wie weit geht man, damit die Ukraine weitestgehend unterstutzt wird, aber eben andere Eskalationen moglichst ausgeschlossen sind?<<
Markus Feldenkirchen, DER SPIEGEL
>>Herr Muller, Sie haben vor kurzem die Ukraine Reise kommentiert, die unser Gast Anton Hofreiter, Frau Strack-Zimmermann von der FDP und ihr Parteikollege Michael Roth unternommen haben. Sie warfen den dreien vor, die Reise habe nicht geholfen. Sie seien, ich zitiere: >>Durch die Bilder und die Gesprache vor Ort voller Emotionen zuruckgekommen und hatten dann zu schnell harte Forderungen an die Bundesregierung gestellt.<<
Michael Muller, SPD
>>Der Punkt ist ja nur, dass nicht irgendwer gefahren ist. Es sind drei fuhrende Kopfe der Koalition gefahren, drei Ausschussvorsitzenden und naturlich sind wir dann auch davon ausgegangen, dass vor Ort auch erklart wird, wie die Bundesregierung und warum sie so handelt und auch die Position des Kanzlers vermittelt wird. Und es ist das Gegenteil eingetreten. Die drei haben gesagt, der Kanzler ist das Problem, und Deutschland muss viel mehr machen. Und das spiegelt nicht wieder, welche Meinungsvielfalt wir zu diesem Thema haben, auch in der Koalition.<<
Markus Feldenkirchen, DER SPIEGEL
>>Nehmen Sie die Kritik von Herrn Muller an, Herr Hofreiter?<<
Anton Hofreiter, Bundnis90/Die Grunen
>>Ich weiss gar nicht, wo die Kritik exakt liegt, namlich es gab ein heftiges Ringen.<<
Markus Feldenkirchen, DER SPIEGEL
>>Sie hatten vor Ort, die Regierungsposition erklaren mussen und nicht das Gegenteil tun sollen.<<
Anton Hofreiter, Bundnis90/Die Grunen
>>Wir haben sogar die Regierungsposition vor Ort erklart. Wir haben bloss auch erklart, dass wir diese Position in erheblichen Teilen nicht teilen, weil wir die Analyse von unseren osteuropaischen, mittelosteuropaischen Freunden und von den Freunden vor Ort teilen. Wir waren davor auch in Polen und wir sehen es so und ich personlich sehe es auch so, dass wir die Ukraine moglichst stark unterstutzen mussen, aus einer ganzen Reihe von Grunden.<<
Markus Feldenkirchen, DER SPIEGEL
>>Reden wir uber einen anderen Genossen, uber den dieser Tage alle reden, Herr Muller. Gerhard Schroder, der Ex Bundeskanzler. Er hat in der vergangenen Woche ein Interview der New York Times gegeben, wie es hiess, unter reichlicher Begleitung von Weisswein, aber egal. Er hat darin auch noch mal bekraftigt, dass ein Ende seiner Tatigkeit fur russische Konzerne nicht in Frage komme, trotz der russischen Invasion. Was ist in diesen Tagen Ihr Rat an Gerhard Schroder von Genosse zu Genosse?<<
Michael Muller, SPD
>>Ja, erst mal finde ich das peinlich. Und zum Gluck ist es aber auch nicht so, dass alle uber ihn reden, weil er ja gar nicht mehr diese Bedeutung hat. Ich glaube, es wird medial auch uberhoht. Es wird immer so dargestellt, als ob Gerhard Schroder, der Russlandsexperte der Sozialdemokratie ist und der Berater Putins. Ich glaube, nichts davon stimmt.<<
Markus Feldenkirchen, DER SPIEGEL
>>Sozialdemokrat stimmt schon.<<
Michael Muller, SPD
>>Sozialdemokrat stimmt, aber innerhalb der Partei und auch in der Offentlichkeit spielt er ja politisch praktisch keine Rolle, sondern er arbeitet in Gremien von Putin eingesetzt. Und ich finde, er muss sich selbstkritisch fragen, ob das geht oder ob es vereinbar ist mit seinem politischen Auftreten und auch seiner Mitgliedschaft in der Sozialdemokratie.<<
Anton Hofreiter, Bundnis90/Die Grunen
>>Er ist halt einer der schlimmsten Lobbyisten. Er ist ein Lobbyist eines Kriegsverbrechers. Und das, also ich glaube die SPD ware einfach heilfroh, wenn er endlich austreten wurde und die Klappe halten wurde. Aber es ist halt einfach peinlich fur die gesamte Bundesrepublik, dass ein Altkanzler sich zu diesem Lobbyisten macht.<<
Markus Feldenkirchen, DER SPIEGEL
>>Herr Muller, waren Sie heilfroh, wenn Gerhard Schroder aus der SPD austrete?<<
Michael Muller, SPD
>>Das wurde die Situation klaren und eindeutig klaren fur beide Seiten.<<
Markus Feldenkirchen, DER SPIEGEL
>>Ihre Parteivorsitzende Saskia Esken fordert das sogar. Fordern Sie das auch?<<
Michael Muller, SPD
>>Es wurde der SPD helfen. Wir konnten freier und unbelasteter naturlich dann auch und mussten nicht standig in Rechtfertigungen verfallen. Wir konnten das dann unsere Position darstellen. Und ich glaube, fur ihn ware es genauso. Er will doch offensichtlich weiter diese Mandate ausuben und fur Putin arbeiten. Dann soll er das unbelastet von sozialdemokratischen Positionen doch machen.<<
Markus Feldenkirchen, DER SPIEGEL
>>Mit dem Argument, er hatte dadurch noch Einfluss auf Wladimir Putin.<<
Michael Muller, SPD
>>Wodurch?<<
Markus Feldenkirchen, DER SPIEGEL
>>Dadurch, dass er eben nicht alles hinschmeissen wurde.<<
Michael Muller, SPD
>>Naja, also ich habe da eine andere Position. Ich glaube eher, dass Putin ihn benutzt, als dass er tatsachlich ein wichtiger strategischer Ratgeber ist, aber das ist ja ein Punkt, wo ich nicht in Details einblicken kann und dann ist es eben so.<<
Markus Feldenkirchen, DER SPIEGEL
>>Vitali Klitschko sagt uber Gerhard Schroder: Zieh doch nach Moskau. Sollte er das?<<
Anton Hofreiter, Bundnis90/Die Grunen
>>Das ist seine Entscheidung, aber wie gesagt. Man muss sich halt wirklich uberlegen, wie man zukunftig auch mit solchen Lobbyisten umgeht. Namlich Schroder hat mit dazu beigetragen, dass Deutschland jetzt in einer Abhangigkeitssituation von einem Kriegsverbrecher ist und das ist doch skandalos genug. Und wie gesagt, diese ganzen Geschichten sind aufzuarbeiten. Wir haben so viel falsch gemacht als Bundesrepublik Deutschland in den letzten 15 Jahren. Und wir waren so arrogant gegenuber denjenigen, die uns gewarnt haben, dass wir das insgesamt als Politik aufzuarbeiten haben.<<
Mehr Videos zum Thema