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Welt

News des Tages: Olaf Scholz zu seiner Kriegspolitik, Corona-Maßnahmen, Roland Wöller

Guten Abend, die drei Fragezeichen heute:

  1. Warum ziert sich Olaf Scholz, die Ukraine mit schweren Waffen zu beliefern?

  2. Was, wenn einer im Hörsaal seine Maske nicht freiwillig tragen will?

  3. Warum verlor Sachsens Innenminister sein Amt?

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1. Krieg ohne Schnellschüsse

Olaf Scholz ist kein Pazifist. »In der Welt, in der wir leben, ist es notwendig, die eigene Sicherheit auch mit einer ausreichenden Verteidigungsfähigkeit zu gewährleisten«, sagt der Kanzler im Gespräch mit SPIEGEL-Chefredakteurin Melanie Amann und dem Leiter des SPIEGEL-Hauptstadtbüros Martin Knobbe.

Vor Ausbruch des Ukrainekriegs wirkte Scholz zumindest bei seiner Wortwahl wenig pazifistisch. Als Finanzminister wollte er im März 2020 mit der »Bazooka« die Wirtschaft aus dem Coronatief reißen, später versprach er ein Konjunkturprogramm mit ordentlich »Wumms«. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sprach heute gegenüber der dpa davon, er sei froh über einen Kanzler, der ohne »Schnellschüsse, sondern durchdacht, entschieden und konsequent« handele. Klingt alles ziemlich militaristisch.

Warum tut sich Scholz dennoch so schwer, schwere Waffen ohne Ringtausch-Geschäft mit Nato-Partnern an die Ukraine zu liefern? Die deutsche Vergangenheit mahne zur besonderen Besonnenheit bei Konflikten der Gegenwart, findet Scholz. »Zur Tradition unseres Landes gehört das Wissen um die dramatischen Konsequenzen zweier von Deutschland ausgehender Weltkriege, das den Rahmen unserer Politik bildet«, sagt er im SPIEGEL-Gespräch.

Scholz wählt wuchtige Sätze, um die Richtlinien seiner Ukrainepolitik zu erklären. Er tue »alles, um eine Eskalation zu verhindern, die zu einem dritten Weltkrieg führt«. Im Gespräch, das Sie ab morgen auch im gedruckten SPIEGEL nachlesen können, verspricht Scholz außerdem weitere Waffen für die Ukraine.

Der Druck auf den deutschen Kanzler, Waffen mit sehr viel Wumms sehr viel schneller als bisher ins Kriegsgebiet zu liefern, lässt auch heute nicht nach. Die FDP will auf ihrem Bundesparteitag am Wochenende beschließen, dass Deutschland die Ukraine schnell mit militärischer Ausrüstung unterstützt.

Außerdem versucht auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit einem Antrag im Bundestag, die Bundesregierung zu Bewegung in der Frage von Lieferungen schwerer Waffen an die Ukraine zu drängen.

In Umfragen ist Scholz die letzte Woche deutlich abgsackt. Ist er der richtige Kanzler für Zeiten wie diese? Das fragt sich Chefredakteur Steffen Klusmann im SPIEGEL-Leitartikel. Er findet, Scholz stecke in einem schwer auflösbaren Dilemma: »Sein klar definiertes Ziel ist es, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden, darauf hat er seinen Eid geleistet. Deutschland darf auf keinen Fall in diesen Krieg hineingezogen werden, weil Putin alles zuzutrauen ist.« Was, wenn der Mann im Kreml als letztes Mittel Atomwaffen einsetzen könnte? Die womöglich nicht auf ukrainischem Boden niedergehen, sondern in Warschau oder in Berlin?

Das Problem sei, dass es Scholz »einfach nicht gelingt, dieses Dilemma zu erklären«. Auch, wenn er im SPIEGEL mehrere Seiten Platz dafür bekommt.

Und hier weitere Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine:

  • »Wie eine Walze«: Die Kremltruppen beginnen im Donbass die zweite, noch brutalere Phase ihrer Invasion. Ukrainische Soldaten und ein Heer von Freiwilligen halten dagegen. Die Frage ist: Wie lange halten sie den Angriffen stand?

  • Sie sehen harmlos aus – und sind doch eine tödliche Gefahr: Russische Streuminen und Sprengfallen verbreiten Schrecken in der ukrainischen Zivilbevölkerung. Bis sie geräumt sind, können Jahre vergehen.

  • Viele Menschen sind weiterhin in einem Stahlwerk eingekesselt, Anwohner warten in Trümmern auf ihre Evakuierung: Die Lage in Mariupol scheint ausweglos, der ukrainische Präsident Selenskyj will die Stadt aber nicht aufgeben.

  • Russischer General veröffentlicht Pläne zur Eroberung der Südukraine: Ursprünglich wollte Russland bei seinem völkerrechtswidrigen Angriff Gebiete in der Ostukraine einnehmen. Nun gab ein hochrangiger General einen Strategiewechsel bekannt.

  • Hier finden Sie alle aktuellen Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine: Das News-Update

2. Sturm und Zwang

Zu den absurdesten Coronamaßnahmen, die mir während der Pandemie begegnet sind, gehört das Ausschankverbot von Pausensekt in bayerischen Konzertsälen mit mehr als 1000 Plätzen. Viele dieser Vorsichtsmaßnahmen sind inzwischen Geschichte, doch der neue Alltag ist nicht immer einfacher. Das zeigt der Fall eines Studenten, der rechtmäßig ohne Maske eine Vorlesung besuchen wollte – und hinausgeworfen wurde.

Meine Kollegin Swantje Unterberg schildert den Fall eines Physikstudenten der Uni Heidelberg, der am ersten Vorlesungstag nach den Semesterferien aus dem Saal geworfen wurde, weil er als Einziger keine Maske trug.

Das sei eigentlich sein gutes Recht, schreibt Swantje. »Jedenfalls gilt auch in Baden-Württemberg seit dem 3. April keine generelle Maskenpflicht mehr, und auch seine Universität schreibt ihren Studierenden nicht vor, Mund und Nase zu bedecken.«

Der Student ist laut eigener Aussage geimpft und kein »Querdenker«. Er argumentiert, aus epidemiologischer Sicht sei die Maske nicht mehr notwendig, da die Krankenhäuser nicht überlastet seien und das Virus sowieso jeden treffen werde, die Maske zögere das nur heraus. Ihn und, wie er sagt, »sein Demokratieverständnis« stört, dass er unter Druck gesetzt wurde, freiwillig eine Maske zu tragen, damit die Vorlesung nicht wieder wie in der Vergangenheit online stattfinden müsse.

Swantje schreibt: »Der Einzelfall aus Heidelberg zeigt dennoch, dass mit dem Wegfall vieler Coronamaßnahmen neue Fragen auftauchen können. Wie damit umgehen, wenn die Mehrheit eine Maske freiwillig trägt – und es von der Minderheit fordert? Wie viel ist eine Empfehlung wert, wenn eine Vorschrift gefallen ist? Das sind Fragen, die sich auch an vielen anderen Orten stellen könnten.«

Dabei dürfen wir nicht vergessen, was für ein Privileg es ist, sich die Fragen stellen zu dürfen. Seit Ende März sind zum Beispiel fast alle 26 Millionen Menschen in Shanghai unter Quarantäne gestellt. Die Coronabeschränkungen bestehen nicht aus Sektverboten während Konzerten. Die Bürgerinnen und Bürgern dürfen offenbar noch nicht mal im Supermarkt einkaufen, sondern bekommen Bestellungen von Supermarkt-Mitarbeitern geliefert, die inzwischen in den Lebensmittelgeschäften campieren, um überhaupt noch Schlaf zu bekommen.

3. Ein Skandal zu viel

Was ist nur los in der Bundesrepublik? Dass Rücktrittsforderungen neuerdings Rücktritte zur Folge haben, ist man als politische Beobachterin schon gar nicht mehr gewöhnt. Jahrelang fegte jedenfalls Andreas Scheuer Rücktrittsforderungen vom Tisch wie Scheibenwischer die Tropfen vorm Fahrersitz im Auto.

Nach Nordrhein-Westfalens Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) und Familienministerin Anne Spiegel (Grüne) musste heute Sachsens Innenminister gehen. Streng genommen war es kein Rücktritt, sondern eine Entlassung. Roland Wöller stand in der Vergangenheit oft in der Kritik, aber der CDU-Politiker saß zahlreiche Skandale einfach aus. Was nun anders war?

»Vorausgegangen waren gleich mehrere zweifelhafte Vorgänge in kürzester Zeit«, sagt SPIEGEL-Kollege Peter Maxwill aus dem Deutschland-Ressort. Wöller wird Günstlings- und Vetternwirtschaft vorgeworfen, er soll Stellen ausschließlich mit ihm ergebenen Vertrauten besetzt haben. So wollte er den Posten der Kanzlerin an der sächsischen Polizeihochschule in Rothenburg offenkundig an eine frühere Kommilitonin seiner Ehefrau vergeben, und sein früherer persönlicher Referent und Parteifreund Florian Oest leitet inzwischen die Stabsstelle Kommunikation der Landespolizei. In anderen Fällen soll der Minister ihm Untergebene regelrecht gegängelt und abgestraft haben, von Mobbing war die Rede. Wöller wies die Vorwürfe zurück. Gehen muss er nun trotzdem.

Sein Nachfolger wird wohl der Ex-CDU Bundestagsabgeordnete Armin Schuster. Schuster war zuletzt Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK).

Peter Maxwill schreibt: »Zumindest zwei Dinge also werden sich in Sachsen so bald nicht ändern: dass ein in Westdeutschland geborener CDU-Mann das Innenressort leitet. Und, dass der zuständige Minister ständig in der Kritik steht.«

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Was heute sonst noch wichtig ist

  • Linke verlangen Basisabstimmung zu Parteivorsitz: Nach Verwerfungen in der Linken wegen Vorwürfen sexueller Übergriffe fordern Linkenpolitiker einen Neuanfang mit einer Basisabstimmung über die Parteispitze. In Thüringen wird der Rücktritt der Vorsitzenden Wissler vorgeschlagen.

  • Berliner Landgericht bestätigt AfD-Ausschluss von Kalbitz: Der frühere Brandenburger AfD-Chef Andreas Kalbitz ist mit seiner Klage gegen die Annullierung seiner Parteimitgliedschaft gescheitert. Das Landgericht Berlin befand, diese sei »wegen arglistiger Täuschung« zu Recht angefochten worden.

  • Ex-Regierungschef Sellering will seine umstrittene Klimastiftung erhalten: Mecklenburg-Vorpommerns Regierung fördert den Bau der Ostseepipeline mit einer umstrittenen Klimastiftung. Nun hat Ex-Regierungschef Sellering – zugleich Vorsitzender der Stiftung – einer Auflösung widersprochen.

  • Wo der Schulbuchkauf auf Kosten der Eltern geht: Kostenlose Schulbücher gibt es nur noch in wenigen Bundesländern. Die Initiative Nachrichtenaufklärung kritisiert, dass über das Thema zu wenig berichtet wird. Sie hat recherchiert, wo Eltern selbst zahlen müssen.

  • US-Behörde wirft YouTuber absichtlichen Flugzeugabsturz vor: Fast zwei Millionen Mal wurde ein Video vom Absturz des Extremsportlers Trevor Jacob angesehen. Manche glauben, er habe das Unglück für Klicks inszeniert. Nun hat sich die US-Flugaufsicht geäußert.

Meine Lieblingsgeschichte heute: Die Frau, die Watergate verriet

Kennen Sie Martha Mitchell? Sie ist die Ehefrau des früheren US-Justizministers John Mitchell. Und die Erste, die Details des Watergate-Skandals an die Presse verriet. Damals allerdings glaubte ihr niemand. »Unter anderem deshalb, weil die US-Medien, selbst die seriösesten, die Frau als trunksüchtige, geistig gestörte, hysterische Witzfigur darstellten«, schreibt der New-York-Korrespondent des SPIEGEL Marc Pitzke.

Im Juni 1972 waren in einem Washingtoner Büro- und Wohnkomplex namens Watergate fünf Männer verhaftet worden, als sie in die Parteizentrale der oppositionellen Demokraten einbrachen. Was die Nation erst viel später erfahren würde, wusste Mitchell längst: Mit dahinter steckte ihr Gatte, der Präsident Richard Nixons Wiederwahlkampagne leitete.

»Seit Jahrzehnten hält sich der Mythos, der Watergate-Skandal sei von Männern enthüllt worden«, schreibt Marc. »Dabei war es die Ex-Ministergattin Martha Mitchell. Eine tragische Figur, die systematisch mundtot gemacht wurde.« Am Sonntag läuft in den USA die TV-Serie »Gaslit« an, in der Mitchell vom Hollywoodstar Julia Roberts dargestellt wird. Wir in Deutschland müssen uns vorerst mit Marcs packendem Text begnügen.

Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen

  • Lädierter Torgarant: Der Wechsel von Dortmunds Starangreifer Erling Haaland zu einem europäischen Topklub rückt näher. Doch damit er ein Weltstar werden kann wie Robert Lewandowski, muss er seine rätselhafte Verletzungsanfälligkeit überwinden.

  • Unsere Frau in Venedig: Die Konzeptkünstlerin Maria Eichhorn vertritt Deutschland auf der Biennale in Venedig – mit einem radikalen Konzept. Es begann mit ihrem Widerstand gegen den Deutschen Pavillon, einen Nazi-Bau.

  • Mick Schumacher und der Rivale im eigenen Team: Mit dem Kollegen Kevin Magnussen hat Mick Schumacher beim Formel-1-Team Haas erstmals eine echte Herausforderung vorgesetzt bekommen – seine Zukunft in der Rennserie wird davon abhängen, ob er sie meistert.

  • Laufend Tiefschläge: Die Linke stürzt nach den SPIEGEL-Enthüllungen zu mutmaßlichen sexuellen Übergriffen ins Chaos. Parteichefin Wissler ist angeschlagen. Erste Linke wollen die Basis über einen Neuanfang entscheiden lassen.


Was heute weniger wichtig ist

  • Oscarpreisträger Nicolas Cage wird Vater einer Tochter – und will sie nach seinem eigenen Vater und einer Beatles-Legende benennen. »Ich werde ein kleines Mädchen haben«, sagte der 58-Jährige in der »Kelly Clarkson Show«. Cage und seine Frau Riko Shibata hatten im Januar öffentlich gemacht, dass sie ihr erstes gemeinsames Kind erwarten. »Ihr Name wird Lennon Augie sein. Augie nach meinem Vater. Und ich werde sie sicher Lennie nennen«, sagte Cage. Er freue sich wahnsinnig, es werde »das größte Abenteuer meines Lebens«.

Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: »Schwedens Außenminister Ann Linde«

Cartoon des Tages: Was für ein Kriegsverbrechen!


Foto:

Chappatte


Und am Wochenende?

Der CSU-Landespolitiker Gerhard Hopp schreibt in seiner Freizeit Krimis. Sehr gute sogar. Sein Erstlingswerk »Die Akte Schleißheim« habe ich in den letzten Osterferien gelesen. Es geht um einen Politiker, der gemeinsam mit einer Historikerin in den Katakomben des Bayerischen Landtags Familiengeheimnisse aufdeckt und auf Schätze aus der bayerischen Geschichte stößt – während München von mehreren Bombenanschlägen erschüttert wird.

Dieses Jahr hatte ich leider keinen Urlaub über Ostern, sodass Hopps neuestes Werk »Maximilianeum« noch ungelesen auf meinem Schreibtisch liegt. Vermutlich wird sich der Autor auch dieses Mal mit Interna aus dem Innenleben der CSU-Fraktion oder dem Führungsstil Markus Söders sehr zurückhalten. Aber das bleibt hoffentlich die einzige Enttäuschung, mit der politisch interessierte Leserinnen wie ich leben müssen.

Wenn sein zweiter Krimi genauso spannend wie der erste ist, wird es bestimmt eine unterhaltsame Lektüre.

Einen schönen Abend. Herzlich
Ihre Anna Clauß

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