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enministerin Baerbock in Niger: In der Klimakrise //

Nach Mali besucht Aussenministerin Annalena Baerbock den Nachbarstaat Niger. Und trifft auf einen der armsten Staaten der Welt, in dem der Klimawandel bereits harte Realitat fur die Bevolkerung ist.

Aussenministerin Annalena Baerbock bei einem Landwirtschaftsprojekt in Ouallam in Niger: Gekonnte Inszenierung


Foto: Kay Nietfeld / dpa

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Die Frauen staunen, lachen, klatschen in die Hande. Eine deutsche Aussenministerin, die fur einen Moment eine Lastentragerin spielt, der Stock uber der Schulter, an beiden Enden baumeln an Seilen die Plastikeimer. Darin liegt jeweils eine Melone, die hier auf einem Feld angebaut werden.

Annalena Baerbock geht ein paar Schritte, verzieht ihr Gesicht, sie spurt die Last, die Hitze ist unertraglich, uber 40 Grad. Dann legt sie ab, lacht und die Frauen strahlen mit ihr. Baerbock bedankt sich bei den Frauen: >>Merci<<. Die Fotografen haben ihr Motiv, das Motiv einer gekonnten Selbstinszenierung einer deutschen Aussenministerin.

Dann geht es zuruck zur Wagenkolonne, fur die Ministerin, den Tross samt Journalisten, in das Privileg klimatisierter Autos. Fur einen Augenblick hat die Grunen-Politikerin korperlich spuren konnen, was Frauen hier tagtaglich leisten: Schwerstarbeit.

Inmitten eines Klimas, das sich wandelt, das erbarmungsloser wird.

So fuhrt der Ausflug nach Ouallam, rund eineinhalb Autostunden von der Hauptstadt Niamey entfernt, die Aussenministerin direkt hinein in die Klimakrise. Hier in Niger, das wird ihr in vielen Gesprachen deutlich gemacht, ist sie langst Realitat. Doch die Folgen sind ungleich verteilt. >>Die Klimakrise betrifft uns alle, aber nicht alle gleich<<, wird sie spater sagen.

Niger, mehr als dreimal so gross wie Deutschland, ist die zweite Station auf ihrer Reise nach Westafrika. Im benachbarten Mali hatte sie zuvor zwei Tage verbracht, unter anderem das deutsche Feldlager der Bundeswehr in Gao besucht, eine Fortsetzung der Minusma-Mission in Aussicht gestellt, die Sicherheit im Nordosten des Landes schaffen soll, gegen dschihadistische Terroristen (Lesen Sie hier mehr). Nun also ist sie von Mittwoch bis Freitagmorgen im Nachbarland Niger, einem der armsten Staaten der Welt.

Die Datenlage ist atemberaubend erschreckend: Hochste Geburtenrate weltweit, die Frauen gebaren im Durchschnitt 6,8 Kinder, in 15 bis 20 Jahren wird sich die Einwohnerzahl von derzeit 24 Millionen verdoppelt haben. Trotz seiner Probleme gilt das Land mit seinen vielen Ethnien, gemessen an seinen Nachbarn, derzeit als relativ stabil. Niger habe eine >>lange Tradition der Konfliktbefriedung<<, sagt eine deutsche Diplomatin, die lange im Land gelebt hat.

Besuch unter hochster Sicherheit

Das Land wirkt wie ausgetrocknet, der Regen fallt immer unregelmassiger. Rund 25 Kilometer vor Ouallam halt die schwer bewachte Wagenkolonne der Ministerin an einer Erosionsstelle. Die nigrischen Soldaten verteilen sich auf den Hugeln drumherum, eine Gruppe von ihnen, vermummt und hinter Sonnenbrillen, sitzt in einem offenen Toyotapickup an der Strasse. Hochste Sicherheit fur Baerbock in einem Land, das seit Jahren von dschihadistischen Kampfern terrorisiert wird, die Region Ouallam an der Grenze zu Mali und Burkina Faso gehort dazu.

Uber die rotliche Erde fallt der Blick in die Ferne, vereinzelte Baume sind in der flirrenden Hitze auszumachen. Baerbock blickt in die Landschaft, Matthias Banzhaf von der >>Gesellschaft fur Internationale Zusammenarbeit<< (GIZ) erklart der Ministerin die Wirkungen der Erosion. Auf der Hochebene bei Tolbokoye, wo die Ministerin stehe, sei fruher Landwirtschaft betrieben worden. Nun ist alles kahl. Der obere Boden abgetragen, geblieben ist eine harte Kruste aus Laterit, einem Eisenkonglomerat, durch die das Wasser kaum noch eindringt. Das wiederum fuhrt dazu, dass das Wasser sturzbachartig in die Ebene fliesst und die Erde dort stark erodiert.

Aussenministerin Annalena Baerbock mit Staatschef Mohamed Bazoum in Niamey: Mehr fur die Bildung tun


Foto: IMAGO/Florian Gertner / IMAGO/photothek

Die Perspektiven, die Banzhaf der Ministerin ausbreitet, klingen duster: Immer haufiger seien starke und kurzere Regenfalle zu verzeichnen, der Beginn der Regenzeit habe sich verschoben. >>Bis zum Ende des Jahrhunderts wird die Temperatur im Niger um funf Grad angestiegen sein<<, sagt der GIZ-Mitarbeiter schliesslich zu Baerbock.

Die Ministerin schweigt, lasst das erst einmal sacken.

Rede in der Universitat

Schon am Tag ihrer Ankunft in Niger hatte die Grunen-Politikerin den Klimawandel zum zentralen Thema erhoben, bei einem Vortrag in der Abdou-Moumouni-Universitat vor 140 Studentinnen und Studenten aus 15 afrikanischen Staaten. Auch hier im Raum herrschte, trotz der Ventilatoren an der Decke und Kuhlgeraten, eine druckende Hitze.

Wahrend die Gaste aus Europa sich mit Wasser versorgten, tranken die studentischen Zuhorer nichts. Es ist die Zeit des Ramadan, bis zum Abend nehmen die meisten Glaubigen nichts zu sich. Doch die religiose Regel wird auch zu einem zunehmenden Problem in Zeiten des Klimawandels. Baerbock wahlt dafur einen eleganten Weg. >>Sie mussen es mir nachher nochmals erklaren, wie sie es im Ramadan schaffen, nicht zu trinken<<, sagt sie. Die Zuhorer sind angetan, lachen und applaudieren, als die Ubersetzung auf Franzosisch uber die Kopfhorer folgt.

Hier, vor angehenden jungen Klimaforschern aus Afrika, hatte die Aussenministerin zentrale Botschaften intoniert. >>Ein Sturm aus Not und Krisen<>nicht mehr nur um Eindammung, sondern um Anpassung an die Klimakrise<>unglaubliches Potenzial<<. Doch mit dem Ausbau der Sonnenenergie ist das so eine Sache in einem Land, das kaum elektrifiziert ist, das die Stromversorgung etwa uber ein Diesel-Kraftwerk wie in Gorou-Banda deckt. So wirkt Baerbocks Appell hier wie aus dem Wunschprogramm ihrer Grunen-Partei.

Ukraine und die Folgen fur Afrika

Der Uberfall Russlands auf die Ukraine, er ist ein standiger Begleiter ihrer Reise. Der Krieg in Europa hat unmittelbare Folgen fur den Export von Dunger und Getreide aus der Ukraine und Russland nach Afrika, es kommt bereits zu Lieferengpassen, die Preise steigen. Sechs Millionen Menschen in Niger sollen, so heisst es von der ortlichen GIZ, von einer Hungersnot bedroht sein. Die >>Spuren des Leids<>greifen tief hinein in den globalen Suden<>darf und wird nicht dazu fuhren, dass wir uns von den anderen Krisen abwenden<<, verspricht sie.

Baerbock in einer Schulklasse in der Fluchtlingssiedlung bei Ouallam: An die Tafel schrieb die Ministerin Name und Alter


Foto: IMAGO/Florian Gertner / IMAGO/photothek

Die Probleme des Landes sind allgegenwartig, die Armut in den Stadten und auf dem Land bei der Fahrt sichtbar: Wie in Mali, so erstickt auch Niger am allgegenwartigen Plastikmull. Selbst auf dem Land liegen Plastikbeutel weit verstreut, schwarze und weisse Tupfer in der Landschaft, wie Mahnmale. Kamele wirken hier nur noch wie eine Erinnerung an ein anderes, fernes Afrika, das es auch mal gegeben haben muss, vor dem Siegeszug des Plastik – die Tiere bei Ouallam etwa weiden zwischen dem Mull.

Bildung als Herausforderung

Armut ist die sichtbare Seite. Einher geht sie mit der geringen Bildung in weiten Teilen der Bevolkerung. Staatschef Mohamed Bazoum, den Baerbock in der Hauptstadt ebenso trifft wie Aussenminister Massoudou Hassoumi, gilt als ein Politiker, der Wert auf den Ausbau der Bildung legt, der Madchen und Frauen fordern will.

Je langer die Madchen zur Schule gehen, umso eher besteht die Chance, dass sie nicht im fruhen Alter schwanger werden. Doch in einem Land mit einer derart rasanten Bevolkerungsexplosion ist das Unterfangen, uber Bildung das Wissen, auch uber die Verhutung, zu verbessern, fast eine Unmoglichkeit, wie Diplomaten vor Ort einraumen: So viele Schulen konne die Regierung gar nicht bauen und Klassen einrichten lassen, wie jedes Jahr junge Menschen nachkamen.

Dass der Niger ein junges Land ist, erlebt die Ministerin bei einem Besuch einer Siedlung fur Fluchtlinge bei Ouallam. Hier leben, mithilfe der GIZ und dem Uno-Hilfswerk UNHCR, lokale Bevolkerung, Binnenfluchtlinge und malische Fluchtlinge zusammen. 400 Hauser fur durchschnittlich jeweils sieben Familienbewohner sind errichtet worden. >>Ohne Holz, null Holz<<, wie ein UNHCR-Mitarbeiter erzahlt.

Die Gebaude sind aus Lehm, Zement und Wasser hergestellt, konnen die Aussentemperaturen so ein wenig herunterkuhlen. Das Besondere an dem Projekt, hebt der deutsche Botschafter in Niger, Hermann Nicolai, hervor, sei das Bestreben der Regierung in Niamey, die Fluchtlinge nicht an den Aussengrenzen des Landes anzusiedeln, sondern hier im Land. >>Aus der Erkenntnis heraus, dass die meisten Fluchtlinge sowieso bleiben werden<<, sagt er.

Baerbock mit Kindern in der Fluchtlingsiedlung bei Ouallam: >>Wie heisst Du?<<


Foto: Kay Nietfeld / dpa

Eine Herausforderung ist die Integration fruherer Nomaden. Abdull Aziz-Ali etwa ist der Sprecher der Binnenfluchtlinge. 2019 seien sie nach Ouallam gekommen, nur mit ihren Tieren, erzahlt er: >>Banditen kamen in unseren Ort und haben uns ausgeplundert<>keine ernsthaften Konflikte<<, fugt er sicherheitshalber hinzu.

Ein Sprecher der malischen Fluchtlinge, ein alterer Mann mit einem Turban, ist dem Staat Niger >>sehr, sehr dankbar<>Jetzt sind wir auf dem Weg der Sesshaftmachung<<, ubersetzt die Dolmetscherin. Was das konkret heisst, zeigt eine Zahl auf der Tafel der Schule: Von 100 Schulern – darunter 68 Madchen – fehlen 32. Der Leiter der Schule erklart warum: Viele Eltern fruherer Nomadenfamilien hatten den Wert von Bildung noch nicht erkannt. Man habe aber Fortschritte erzielt, auch was den Anteil der Madchen in der Schule angehe.

In einem weiteren Klassenraum schreibt Baerbock ihren Namen und ihr Alter an die Tafel; >>Annalena 41<>Annalena<>Annalena<>Und wie heisst Du?<<, fragt die Ministerin zuruck.

Schliesslich gibt es im nahen Ouallam selbst noch ein Treffen mit ortlichen Honoratioren. Anschliessend stellt sich Baerbock in den Hof, gibt eine kurze Pressekonferenz. Man musse das mal erfahren haben, was Temperaturen >>von 50 Grad<< bedeuteten, sagt sie.

Sie habe auf ihrer Reise nach Afrika immer wieder gehort: >>Bitte vergesst uns nicht<>Wir sehen und wir horen Euch.<>nachsten Wochen deutlich erhoht werden, um eine Hungersnot zu vermeiden<<.


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