ine: Andrij Melnyk und Marie-Agnes Strack-Zimmermann uber Waffenlieferungen //
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Markus Feldenkirchen, SPIEGEL
Sie haben ja gesagt: “Das einzige, was meinen Prasidenten, also Prasident Selenskij oder meine Minister interessiert: ‘Hast du Waffen?'” Was sagen Sie Herrn Selenskij aktuell uber die Bereitschaft Deutschlands, Waffen an die Ukraine zu liefern?
Andrij Melnyk, Botschafter Ukraine
Also Deutschland hat einen Riesenschritt nach vorne getan seit Kriegsbeginn. Das muss man ehrlicherweise auch sagen. Und das tun wir auch. Und dass Kiew nicht gefallen ist, das muss man auch fairerweise sagen, dass Kiew nicht gefallen ist, das haben wir zum grossen Teil nicht nur dem Widerstand der Ukrainer, dem Kampfgeist der Armee, sondern auch diesen Militarhilfen aus dem Westen zu verdanken. Heute, heute stehen wir vor einer ganz neuen Bedrohungslage. Heute brauchen wir jetzt nicht nur diese leichten Systeme, sondern wir brauchen wirklich ein schweres Kriegsgerat.
Markus Feldenkirchen, SPIEGEL
Ganz konkret?
Andrij Melnyk, Botschafter Ukraine
Ganz konkret geht es um zum Beispiel auch um Panzer wie den “Leopard”. Deutschland ware bereit, und zwar nicht nur die Bundeswehr, sondern auch die Rustungsindustrie, das zu liefern. Wir brauchen Panzerhaubitzen, vor allem, das ist auch das das A und O, denn es gibt jetzt kaum Nahkampf wie vor wenigen Wochen, sondern die Stadte werden beschossen von der Distanz: 30 Kilometer Entfernung. Und da brauchen wir auch entsprechende Waffensysteme. Wir brauchen Schutzenpanzer wie “Marder”. Auch daruber versuchen wir diese Diskussion zu fuhren. Wir brauchen auch Raketensysteme. Und wir brauchen auch, das ist naturlich das das Wichtigste, wir brauchen Luftabwehrsysteme, die wirklich unseren Himmel sicherer machen konnen.
Markus Feldenkirchen, SPIEGEL
Frau Strack-Zimmermann, Sie als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, in welchen dieser Forderung konnen Sie Herrn Melnyk sagen: Da wird Deutschland liefern?
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP
Ja, wir sollten auch schwere Waffen liefern. Aber, und jetzt kommt das aber: Es wird immer von Panzerarten gesprochen. Sie sagten gerade Marder. Ihre Soldaten mussen das beherrschen, weil sie sonst wirklich Kanonenfutter werden. Die Russen, brauche ich Ihnen nicht zu erklaren, gehen mit einer unglaublichen Gewalt gegen die Ukraine vor, auch in diesem Bereich. Da reicht es nicht, ein paar Marder hinzustellen. Das sind Systeme, die sind komplex. Sie schieben den nicht einfach ruber und dann steigt einer ein und fahrt los. Es sei denn, man will sich der Gefahr aussetzen, sofort einem Angriff zu unterliegen. Das kann es ja nicht sein. Deswegen habe ich vorgeschlagen, dass wir keine Systeme liefern, wo wir die Ukraine unter Umstanden erst schulen mussen, sondern dass Osteuropa, unsere Partner in Osteuropa, noch sehr viel russisch /sowjetisches Material, was die Ukraine kennt, was sofort einsatzfahig ware und vor allen Dingen auch handelbar ware. Und wir kompensieren das bei unseren europaischen Partnern. Ubrigens lauft das ja schon, ohne ein Geheimnis zu verraten. Da ist ja schon das ein oder andere ruber. Das halte ich fur vernunftig und ich raume ein, dass wenn man so kommunizieren wurde, ich weiss jetzt nicht, wie Sie das sehen, aber ich sehe das ganz pragmatisch: Es hat keinen Sinn, Dinge zu liefern, wo der Soldat in der Ukraine, die Soldatin nicht in der Lage ist, umgehend effektiv zu nutzen.
Andrij Melnyk, Botschafter Ukraine
Wir glauben schon, also hatte man diese Entscheidung vor einigen Wochen getroffen, dann hatte man auch viele Ukrainer ausbilden lassen an diesen Geraten. Also die Logik kann ich sehr gut verstehen.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP
Ja aber wo? In der Ukraine hatten wir es nicht tun konnen, dann hatten wir es hier tun mussen.
Andrij Melnyk, Botschafter Ukraine
Ja, das waren so unsere Ideen. Aber leider lauft diese Kommunikation, also nicht mit Ihnen, aber mit dem Verteidigungsministerium sehr, sehr schwer.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP
Weil Sie gerade das Verteidigungsministerium angesprochen haben.
Markus Feldenkirchen, SPIEGEL
Da haben Sie gesagt, das stimmt nicht so nicht?
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP
Nein, die Kommunikation ist mega schlecht. Und zwar generell. Schauen Sie, wir haben ein Verteidigungsministerium, das kann nur entscheiden uber die Waffen, die in der Hand der Bundeswehr sind. Was gibt man ab, was geben wir nicht ab? Das zweite ist das Wirtschaftsministerium, das entscheidet, ob die Firma XY Waffen, die bei Ihnen auf dem Hof stehen, das sage ich Ihnen gleich was dazu, liefern kann. Das Aussenministerium spricht auch ein Wortchen mit und da druber haben wir das Bundeskanzleramt. Und das ist der der Strang. Da muss die Kommunikation herkommen. Es hat keinen Sinn, die ganzen Hauser gegeneinander rennen zu lassen. Und dann kriegt man die Ministerin oder der Minister einen ab. Der eine kann sich ein bisschen besser mit Tranen im Auge verkaufen, der andere ist vielleicht so ein bisschen holzern. Das will ich jetzt nicht weiter kommentieren. Der Bundeskanzler, das Bundeskanzleramt muss das managen. Es fuhrt alle Wege zusammen. Wenn man der Ukraine konkret jetzt mit schweren Waffen helfen will, Bundeskanzler, das Amt, dann muss die ukrainische Seite ran. Kann auch die Rustungsindustrie ran. Ich weiss, manche wollen nicht so gern mit denen am Tisch sitzen, was ich auch ziemlich doof finde. Und auf der anderen Seite dann die entsprechenden Ministerien. Aber einer hat den Hut auf. Und der Bundeskanzler? Ich schatze ihn. Er macht seine Aufgabe und wenn man gewahlt ist und unmittelbar danach ist ein Krieg in Europa, ist nicht so einfach. Keine Frage. Aber er hat gesagt: “Ihr habt Fuhrung bestellt. Jetzt kommt die Fuhrung” und das gilt auch in Themen, die keiner schon findet. Aber es ist nun mal so: Ohne Waffen, ohne entsprechendes Gerat wird die Ukraine diesen Krieg nicht gewinnen konnen.
Andrij Melnyk, Botschafter Ukraine
Ich wurde das unterstutzen. Also was wir brauchten vielleicht nach all den letzten Wochen: Ein Krisentreffen im Kanzleramt, wo auch naturlich das Verteidigungsministerium mit dabei ist und auch Rustungsindustrie, Vertreter.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP
Und Aussen- und Wirtschaftsministerium Herr Melnyk, ohne die Unterschrift von Herrn Habeck gibt es keine Waffen.
Andrij Melnyk, Botschafter Ukraine
Alle Faden quasi zusammenziehen und auch dieses Gesprach jetzt ernsthaft fuhren. Wie gesagt, wir wollen nicht, dass das Blaue vom Himmel geholt wird und das von Deutschen verlangen, sondern wir wollen einfach wirklich ehrlich und ernsthaft mal diese Diskussion fortsetzen und schauen, was ist realistisch, was nicht und davon auch ausgehen.
Markus Feldenkirchen, SPIEGEL
Es geht zum Schluss um eine Einschatzung. Herr Melnyk hatte es schon gesagt, dass dieser Krieg noch Monate, vielleicht Jahre dauern konne. Was ist Ihre Einschatzung, Frau Strack-Zimmermann? Wie lange wird dieser Krieg noch dauern?
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP
Ich weiss es nicht. Ich kann Ihnen das nicht sagen. Ich hoffe, dass das Grauen bald ein Ende hat. Und dann und da sollten wir uns auch heute schon mit beschaftigen, es mag fur manche absurd klingen, aber dass wir auch da sind, wenn es darum geht, das Land wieder aufzubauen
Markus Feldenkirchen, SPIEGEL
Und unser Verhaltnis zu Russland?
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP
Ja, das ist erst mal tief in der Tonne. Und solange Wladimir Putin im Kreml oder im Bunker im Ural, wo immer er sitzt, sitzt, wird es meiner Meinung nach keine Normalisierung geben. Vollig ausgeschlossen. Wir wissen nicht, ob dann jemand anders kame. Auf ganz, ganz lange Sicht gilt immer noch die Wahrheit, dass es nur Frieden geben kann mit uns allen in Europa. Aber mit dieser Clique und mit diesem Prasidenten wird es keine Normalitat geben. Er gehort ubrigens vor Gericht gestellt. Und dann sprechen wir auch irgendwann von Reparationsforderungen. Das kommt ubrigens noch dazu. Ich hoffe, dass die ganze Clique um ihn herum weiss, auch die Russen, die hier in Deutschland Gott sei Dank jetzt ausgewiesen worden sind, wissen, dass es ein Den Haag gibt. Und ich hoffe, dass viele zur Rechenschaft gezogen werden.
Markus Feldenkirchen, SPIEGEL
Es fallt Ihnen sicherlich schwer, in diesen fur Ihr Land brutalen, grausamen Taten positiv in die Zukunft zu blicken. Dennoch wie ware Ihr Szenario fur eine Ukraine in, sagen wir, zehn Jahren.
Andrij Melnyk, Botschafter Ukraine
Fur die Zukunft sehe ich mir, oder wunsche ich mir, dass was die Mehrheit der Ukrainer sich wunscht. Und das sind immerhin schon heute uber 90 Prozent, namlich die Mitgliedschaft in der Europaischen Union. Das klingt heute, wo wir uber den Krieg sprechen, kaum moglich oder oder machbar. Aber diese Idee von Prasident Selenskij, er hat das, glaube ich, am dritten oder vierten Kriegstag in den Raum gestellt, namlich dass man schon heute sich Gedanken machen soll: Wann die Ukraine der EU beitreten darf und kann. Und naturlich, es ist so, dass diese Mitgliedschaft der Ukraine sowohl fur Deutschland auch einen Mehrwert bringen kann. Wir wollen nicht Probleme schaffen, wir wollen die Probleme losen und zwar gemeinsam mit unseren deutschen Freunden.