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an der Ahr: Ministerprasidentin Dreyer verteidigt sich im Untersuchungsausschuss //

Die Sommerflut beschaftigt die Politik weiterhin: Am Tag nach dem Rucktritt der NRW-Umweltministerin muss sich die rheinland-pfalzische Ministerprasidentin Malu Dreyer in einem Untersuchungsausschuss erklaren.

Ministerprasidentin Malu Dreyer nach dem Hochwasser am Ahr-Ufer


Foto by Thomas Frey/picture alliance/dpa

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Die Abgeordneten des Flut-Untersuchungsausschusses hatten schon fast 14 Stunden mit Vernehmungen hinter sich, als schliesslich Ministerprasidentin Malu Dreyer (SPD) am spaten Freitagabend den Plenarsaal des Mainzer Landtags betrat. Die Regierungschefin liess sich auf dem Platz fur Zeugen nieder, einige Zettel mit Vermerken und Notizen vor sich. Dann schilderte sie, was sie im Flutgebiet gesehen habe, nachdem die Hochwasserwelle durchgezogen war: Zerstorte Brucken und Hauser, Bahngleise, die in der Luft hingen, Berge von Unrat: >>Apokalyptische Bilder<>Einfach nur schrecklich<>ein einziges Elend<<.

134 Menschen sind am 14. Juli und in der darauffolgenden Nacht im rheinland-pfalzischen Ahrtal in den Hochwasser-Fluten ums Leben gekommen. Ahnlich wie im Nachbarland Nordrhein-Westfalen, wo es weitere 48 Todesopfer gab, versucht nun ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss die Frage zu klaren, welche Verantwortung Politiker und Behorden fur diese gravierenden Folgen der Naturkatastrophe tragen. Der Zeitplan ist straff: Dreyer war die letzte von acht Zeuginnen und Zeugen, die an diesem Freitag vom fruhen Morgen bis drei Minuten vor Mitternacht von den Abgeordneten im Landtag befragt wurden. Vor ihr waren an diesem Tag unter anderem der rheinland-pfalzische Innenminister Roger Lewentz und mehrere seiner Mitarbeiter dran.

Die zentralen Aussagen der rheinland-pfalzischen Regierungsmitglieder ahneln sich stark: >>Das Ausmass der Flutkatastrophe an der Ahr war am Mittwoch dem 14. Juli noch nicht abzusehen<<, behauptete Dreyer. Innenminister Lewentz und sein Staatssekretar hatten in ihren Befragungen ahnlich argumentiert. Erst am 15. Juli, also am Tag nach der Flut, sei allmahlich ein dramatisches Lagebild erkennbar geworden: Dann erst seien erste Berichte von Todesfallen bestatigt und stundlich ansteigende Vermisstenzahlen gemeldet worden. Am Tag zuvor sei er noch von einem starken, aber beherrschbaren Hochwasser ausgegangen, sagte Lewentz.

Versaumnisse und Fehlleistungen

Die parlamentarischen Untersuchungen uber ihr Verhalten wahrend der Flut konnen gravierende Folgen fur Politiker haben. Am Donnerstag war in Nordrhein-Westfalen die dortige Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) zuruckgetreten, nachdem immer mehr peinliche Details uber ihren ausgiebigen Mallorca-Urlaub wahrend und nach der Hochwasser-Katastrophe bekannt geworden waren.

Aber auch in Rheinland-Pfalz gab es schwere Versaumnissen und Fehlleistungen im Umgang mit der Flut. Gegen den ehemaligen Landrat des besonders massiv betroffenen Landkreises Ahrweiler, Jurgen Pfohler (CDU), sowie einen leitenden Mitarbeiter seines Krisenstabs im Landratsamt ermittelt die Staatsanwaltschaft Koblenz wegen des Verdachts fahrlassiger Totung. Pfohler wird von Experten vorgeworfen, in der Flutnacht viel zu spat den Katastrophenfall ausgerufen zu haben. Deshalb hatten beispielsweise Menschen in einem Behindertenheim im Landkreis nicht mehr rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden konnen und seien ertrunken. Der Landrat selbst glanzte im Krisenstab zudem weitgehend durch Abwesenheit – er kummerte sich in der Flutnacht offenbar ausgiebig um die Sicherung seines eigenen Hausstandes.

Die ehemalige rheinland-pfalzische Umweltministerin Anne Spiegel, inzwischen Bundesfamilienministerin, geriet ebenfalls wegen ihres Versagens beim Katastrophenmanagment unter Druck. Die Grunen-Politikerin, damals fur den Hochwasserschutz und Hochwasserprognosen zustandig, liess noch am spaten Nachmittag des 14. Juli per Presseerklarung ihre Einschatzung verbreiten, in Rheinland-Pfalz drohe >>kein Extremhochwasser<>Jahrhunderthochwasser<< lagen. Auch als im Laufe des Abends bekannt wurde, dass im Ahrtal schon Menschen von Campingplatzen mit Hubschraubern durch die Luft evakuiert werden mussen, korrigierte Spiegel ihre verharmlosende Erklarung nicht. Stattdessen verbrachte sie den Abend mit einem Parteifreund bei einem Restaurantbesuch und ging anschliessend nach Hause, offenkundig ohne weiteren Kontakt zu Krisenstaben oder den Fachbehorden ihres Ministeriums zu halten. Ihr Staatssekretar Erwin Manz, der immer noch im Amt ist, begrundete das Schweigen des Umweltministeriums wahrend der Flutnacht damit, dass dieses Ressort nicht fur den Katastrophenschutz zustandig sei.

Innenminister Lewentz dagegen war am Abend der Flut in die Ahr-Region aufgebrochen, als sich die Lage dort zuzuspitzen schien. Ab etwa 19.20 Uhr hatte er fur etwa eine halbe Stunde die Einsatzleitzentrale des Landkreises Ahrweiler besucht. Dort wurden Fotos gemacht und spater vom Landratsamt veroffentlicht. Lewentz will einen >>ruhig und konzentriert<< arbeitenden Krisenstab vorgefunden haben. Es habe dort Computer und einen Beamer gegeben, gegeben, alle Arbeitsplatze seien besetzt gewesen.

Tatsachlich verfugte der Krisenstab im Keller des Landratsamts von Ahrweiler allerdings nicht einmal uber einen Handyempfang, von wichtigen Informationen waren die Mitglieder des Stabs abgeschnitten. Und der verantwortliche Landrat Pfohler war an dem Abend nur kurzzeitig, wahrend des Ministerbesuchs, im Krisenstab anwesend. Stattdessen kummerte er sich zu Hause um die Sicherung seines privaten Hausstandes.

Bei einem Besuch habe er nicht geahnt, dass der Landrat seinen Platz an diesem Abend nicht im Krisenstab sehen konnte, sagte Lewentz im Ausschuss. Er habe mit denen ihm vermittelten Informationen auch keine Veranlassung gehabt, von einer Jahrhundert-Katastrophe im Ahrtal auszugehen. Bei seiner Fahrt zum und vom Krisenstab seien die Brucken und Strassen noch nicht uberspult, sondern problemlos befahrbar gewesen. Begriffe wie Flut oder Sturzflut seien im Krisenstab nicht gefallen. Es habe ihn auch niemand im Stab um weitere Hilfe oder Unterstutzung gebeten, obwohl er >>signalisiert<< habe, dafur jederzeit erreichbar zu sein, so Lewentz.

Der Innenminister und die Ministerprasidentin wollen auch nichts davon mitbekommen haben, dass die Landesanstalt fur Umwelt schon am Nachmittag des 14. Juli Rekord-Pegelstande von mehr als 5 Metern fur die Ahr vorausgesagt hatte. Dreyer und Lewentz waren ihren Aussagen zufolge auch nicht daruber unterrichtet, dass die Leiterin dieser Umweltbehorde in einer breit gestreuten Email unter anderem an den Staatssekretar der Umweltministerin Spiegel um 18.44 Uhr unmissverstandlich feststellte: >>Hier bahnt sich eine Katastrophe an.<<

>>Bedruckende Ahnungslosigkeit<<

Dreyer war in der Flutnacht offensichtlich uber mehrere wichtige Sachverhalte unzureichend informiert. So ging die Regierungschefin davon aus, dass die Flut an der Ahr sich nicht schon in der Nacht zum Donnerstag zu Rekordhohen aufturmen werde. Sie habe gehort, dass das Hochwasser erst am Mittag des 15. Juli seinen Hochststand erreichen werde, schrieb sie in der Flutnacht um 21.42 Uhr an Innenminister Lewentz. Woher sie diese Fehinformation hatte? Daran konne sie sich nicht mehr erinnern, sagte Dreyer im Ausschuss.

Aus der Erfahrung mit fruheren Hochwasserlagen habe sie zudem grosses Vertrauen in die kommunalen Katastrophenschutzbehorden gehabt. Sie sei davon ausgegangen, dass auch dieses Hochwasser vom Katastrophenschutz in den betroffenen Landkreisen gut gemanagt werde. >>Mir lagen uberhaupt keine Informationen daruber vor, dass die Behorden vor Ort ihre Aufgaben nicht sachgerecht erledigen wurden<<, sagte Dreyer mit Blick auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.

Oppositionspolitiker wie der CDU-Ausschussobmann Dirk Herber kritisierten eine >>bedruckende Ahnungslosigkeit<< von Lewentz und Dreyer in der Flutnacht. Offenkundig habe es nicht einmal eine vernunftige Abstimmung zwischen den Ressorts der Landesregierung gegeben. Mit den Auskunften der Regierungschefin und des Innenministers am spaten Freitagabend will sich die Landtagsopposition jedenfalls nicht zufriedengeben. Beide mussten unbedingt noch einmal vor den Ausschuss vorgeladen werden, nachdem weitere Zeugen befragt und samtliche Akten ausgewertet seien, kundigte Herber an.


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