Das U60-Problem der Partei von Christian Lindner //
Fur Erstwahler attraktiv – fur die Generation U60 nicht so: Die FDP sorgt sich um ihr Abschneiden bei den nachsten Wahlen. Warum bloss stehen die Alten nicht mehr auf die Liberalen? Mancher in der Partei hat schon eine Antwort.
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Wenn es nach den Jungen im Land ginge, wurde sich die FDP um die Funfprozenthurde keine Gedanken mehr machen mussen. 23 Prozent holten die Liberalen bei der Bundestagswahl unter Erstwahlerinnen und Erstwahlern, lagen damit gemeinsam mit den Grunen an der Spitze. Und jungst bei der Saar-Wahl erzielte die FDP in der Gruppe der 18- bis 24-Jahrigen immerhin neun Prozent und legte insbesondere bei jungeren Mannern zu.
Es geht allerdings nicht nach den Jungen im Land.
Im Bund ist sie mit 11,5 Prozent die kleinste Koalitionspartei, im Saarland am vergangenen Wochenende scheiterte die FDP knapp an der Funfprozenthurde.
Die Attraktivitat bei den jungen Wahlerinnen und Wahlern konnte nicht die mageren Ergebnisse bei der Generation U60 abfedern, wie Zahlen von Infratest dimap zeigen:
Bis zur Altersgruppe der 45- bis 59-Jahrigen schafften die Freien Demokraten noch funf Prozent.
Ab der Alterskohorte 60 bis 69 Jahre holte die Partei nur vier Prozent, bei den uber 70-Jahrigen sogar lediglich drei Prozent.
Mit Erklarungen fur den Nichteinzug war man schnell bei der Hand: Das Saarland sei fur die Partei schon immer ein >>schwieriges Pflaster<<, so Lindner.
Das stimmt zwar, doch das Problem der Generation U60 ist schon langer in der FDP virulent – und geht weit uber das kleine Bundesland hinaus. Deutschland ist nun mal das Land der Alten. Wer die Alten politisch nicht erreicht, wird auf Dauer keinen Erfolg haben. Traurig, aber wahr.
Lindner in Bonn im Wahlkampf 2021
Foto by Andreas Rentz/Getty Images
Lindner hatte das Defizit selbst bereits vor drei Jahren benannt: Seine Partei habe bei den Jungeren >>uberdurchschnittlich viel erreicht<>bei der grossen Alterskohorte der uber 60-Jahrigen nicht so stark<<, sagte er nach der Europawahl im Mai 2019.
Damals stellte er eine, wie er sagte, >>These<>mit Frau Merkel und den Grunen zu regieren<>hadern<<. Seine Analyse war auch ein Stuck weit Selbstkritik: Bekanntlich hatte Lindner damals die Gesprache uber eine Jamaikakoalition mit Union und Grunen beendet.
Die Burde von damals allerdings ist seit dem vergangenen Herbst weg, nachdem die FDP an der Seite von SPD und Grunen Verantwortung in der Ampelkoalition ubernahm und Lindner Bundesfinanzminister ist.
Nun stehen im Mai Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen an. Die FDP regiert mit in einer Jamaikakoalition in Kiel und in einem schwarz-gelben Bundnis in Dusseldorf, in den Umfragen sieht es in beiden Bundeslandern fur die Liberalen weitaus besser als im Saarland aus. Nirgendwo scheint sie in Gefahr, unter die Funfprozenthurde zu fallen. Auch nicht in Niedersachsen, wo im Oktober gewahlt wird.
Dennoch: Vor allem Schleswig-Holstein und NRW sind wichtige Gradmesser fur die Bedeutung der FDP in der Bundes-Ampel. Verlore die Partei in beiden Landern deutlich, konnte das die Partei nervos machen und auch Unruhe in Berlin auslosen.
Ein fuhrender FDP-Landespolitiker brachte den Wahlausgang im Saarland bei den uber 60-Jahrigen auch mit der Coronapolitik seiner Partei zusammen. >>Corona-Lockerung kommt da nicht gut an<<, sagte er dem SPIEGEL. Tatsachlich stimmten laut einer Umfrage von Infratest dimap 34 Prozent der Burgerinnen und Burger im Saarland ausdrucklich der FDP-Linie zu – die uberwiegende Mehrheit aber eben nicht.
Viel hangt fur den Erfolg der FDP womoglich von der Corona-Entwicklung der kommenden Wochen ab. Es waren ja vor allem die Liberalen, die dafur sorgten, dass die meisten Schutzmassnahmen in diesen Tagen wegfallen. Fur die Partei ist der Kurs nicht ohne Risiko: Sollten die Krankenhauser an ihre Kapazitatsgrenzen stossen und die Todeszahlen weiter so hoch bleiben oder womoglich noch ansteigen, konnte sich dieser Kurs in Schleswig-Holstein und NRW an der Wahlurne rachen.
Eine Kurskorrektur aber mochte die Partei nicht vornehmen. In Nordrhein-Westfalen etwa setzt die FDP unter ihrem Spitzenkandidaten Joachim Stamp auch auf den klassischen liberalen Pandemie-Sound. Eines der Grossplakate, das der Vizeministerprasident jungst prasentierte, spielt mit der dritten Strophe des Deutschlandlieds: >>Es heisst nicht Einigkeit, Recht und Freiheitsverbote.<<
Lindner selbst, vom SPIEGEL diese Woche dazu befragt, wollte von einer Korrektur nach der Saarland-Wahl nichts wissen. Die Vorstellung, dass die FDP eine Coronapolitik >>in Gedanken an Wahlkampfe<>verantwortlich<>Burgerrechtspartei<>sehr sensibel<>Ob wir dafur breite, sehr breite oder geringere Zustimmung erhalten, das spielt fur uns keine Rolle<<, so Lindner.
Bundestagsvizeprasident Kubicki: >>Unser ganzes Auftreten ist sehr juvenil<<
Foto: via www.imago-images.de / imago images/Political-Moments
Insbesondere einer der alteren FDP-Politiker legt dieser Tage den Finger in die demografische Wunde der Partei – und durfte den Vorsitzenden damit argern: FDP-Vize Wolfgang Kubicki.
>>Wir mussen uns fragen, warum wir ab 60 so schlecht abgeschnitten haben, das ist die grosste Wahlergruppe<<, sagte er dem NDR. Der 70-Jahrige, dessen Landesverband am 10. Mai in Schleswig-Holstein die nachste Landtagswahl zu bestehen hat, stellte dabei lapidar fest: >>Wer diese Wahlergruppe nicht erreicht, hat Schwierigkeiten, in ein Landesparlament oder in den Deutschen Bundestag einzuziehen.<<
In seiner Analyse zur Saar-Wahl hat Kubicki einen Punkt ausgemacht, der mit in den Aufgabenbereich des 43-jahrigen Lindner im Kabinett fallt. Die >>Tatsache<>Rentnerinnen und Rentner bei den Entlastungspaketen quasi vergessen worden sind<>sehr zulasten der Freien Demokraten gegangen, denn wir stellen den Bundesfinanzminister.<<
Kubicki ging noch weiter: Man habe den Anspruch auf eine >>gerechte Losung<>in unserer Rentenpolitik den Menschen uber 60 keine grosse Freude mehr<<.
Das wirkt wie eine indirekte Mahnung an Lindner, beim Entlastungspaket noch einmal nachzubessern. Dort gibt es offenbar auch noch ungeklarte Fragen – etwa, ob die 300-Euro-Energiepauschale am Ende fur alle oder nur eine bestimmte Gruppe von (erwerbstatigen) Rentnerinnen und Rentnern gilt.
Kubicki, fur seine offenen Worte bekannt, spielte in dem Interview auch auf das Image der FDP an. >>Unser ganzes Auftreten ist sehr juvenil, was uns bei den jungeren Wahlergruppen tolle Ergebnisse einbringt<>nicht so gute<>analysieren und besprechen mussen<>der zentrale Punkt<>unsere Performance uberall in allen Landern<>diese Gruppe auch zu erreichen<<.
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