des Tages: Gas aus Russland, Terror in Israel, Reichensteuer in den USA //
Guten Abend, die drei Fragezeichen heute:
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Rohstofflieferungen aus Russland – Zahlt der Westen auch kunftig in Euro und Dollar?
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Anschlage in Israel – Wieso veruben radikale Terrorkampfer gerade jetzt neue Anschlage?
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Steuerplane der US-Regierung – Werden Reiche wie Elon Musk bald Milliarden zahlen mussen?
1. Moskau hat heute verkundet, sein Gas vorlaufig auch weiter fur Dollar und Euro zu exportieren – wohl, weil es nur im Westen Abnehmer hat
>>Ein Schritt vorwarts, zwei Schritte zuruck<>Im Moment konnen wir nichts sehr Vielversprechendes vermelden<<, sagte Putins Sprecher. Das steht in ziemlich starkem Gegensatz zu den positiveren Ausserungen, mit denen russische Vertreter gestern noch die Hoffnungen auf eine baldige Waffenruhe bestarkt hatten.
Zum Ruckelkurs des Staatschefs Putin gehoren auch seine Ansagen uber die Wahrung, in der kunftig russische Gasexporte von westlichen Abnehmern bezahlt werden sollen. Eigentlich wollte Moskau schon von Donnerstag an keine Dollar und Euro mehr akzeptieren, heute versprach Russland eine allmahliche Umstellung. Man wolle an einer Idee arbeiten, die Liste der Exporte, die in Rubel bezahlt werden mussen, zu erweitern. Auf Nachfrage, ob bereits am Donnerstag nicht mehr in Euro und Dollar bezahlt werden konne, hiess es aus dem Kreml: >>Absolut Nein.<< Zahlung und Lieferung seien zeitaufwendige Prozesse.
Sind diese Ausserungen als Entgegenkommen zu verstehen? Es gilt wohl grundsatzlich weiterhin die Ansage des russischen Parlamentschefs Wjatscheslaw Wolodin, dass die Europaische Union, wenn sie russisches Erdgas wolle, in Rubel zahlen musse. Fur die Exporte von Ol, Getreide, Metallen, Dungemitteln, Kohle und Holz konnte Gleiches gelten. Die G7-Staaten weigern sich, Energielieferungen ausschliesslich in Rubel und nicht in Euro oder Dollar zu bezahlen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte dies zuletzt am Montag abgelehnt – und ein russischer Regierungssprecher hatte postwendend erklart, dass man dann die Lieferungen einstellen werde. Habeck hat heute eine Fruhwarnstufe im Notfallplan fur die Gasversorgung ausgerufen, um Deutschland auf ein Ende der Erdgaslieferungen durch Russland vorzubereiten (hier alle Hintergrunde).
Wird Moskau seine Drohung je wahr machen? Mein Kollege Claus Hecking aus dem Wirtschaftsressort halt das fur eher unwahrscheinlich. >>Im Augenblick wussten die Russen nicht, wohin mit ihrem Gas<>Ein grosses Gasfeld lasst sich nicht einfach so abdrehen<>Im Fall eines Lieferstopps musste Russland wohl grosse Rohstoffmengen im Wert von hunderten Millionen Euro einfach vernichten.<<
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Lesen Sie hier mehr: Gaszahlungen an Russland – Wenn der Rubel nicht rollt
Und hier weitere Nachrichten und Hintergrunde zum Krieg in der Ukraine:
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Krieg in der Ukraine treibt Inflation in Deutschland auf 7,3 Prozent: Wegen des Ukrainekriegs und extrem steigender Energiepreise verliert das Geld dramatisch an Wert: Die Inflationsrate lag laut einer ersten Schatzung im Marz bei 7,3 Prozent. Das ist der hochste Stand seit rund 40 Jahren.
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Deutschland erwagt Beteiligung an Sicherheitsgarantien fur Ukraine: Wer burgt fur die Sicherheit der Ukraine, falls Kiew und Moskau eine Einigung erzielen? Deutschland ist grundsatzlich bereit, sich zu beteiligen. Fur konkrete Zusagen sei es aber noch zu fruh.
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So bereitet sich Deutschland auf einen moglichen Gasausfall vor: Die Drohung Russlands, fur sein Gas nur noch Rubel anzunehmen, hat in Deutschland die erste Warnstufe ausgelost. Aber was bedeutet das konkret? Und was wurde bei einem Lieferstopp passieren?
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Ein Schutzschirm – uber Deutschland hinaus: Nach dem Uberfall Russlands auf die Ukraine will die Bundesregierung ein neues Raketenabwehrsystem kaufen. Das sorgt fur teils hitzige Diskussionen. Militars indes erinnern daran, dass es nicht nur um einen nationalen Schutzschirm geht.
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Die Retter von Grosswallstadt: Die ukrainischen Handballer, ihre Partnerinnen und Kinder sind in Sicherheit vor dem Krieg – auch dank des Zweitligisten TV Grosswallstadt und seiner Helfer. Uber eine wohl einmalige Solidaritatsaktion im Profisport.
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Alle aktuellen Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine im News-Update
2. Terrorattacken in Israel – die Situation konnte wahrend den bevorstehenden hohen Feiertagen fur Muslims, Christen und Juden eskalieren
Nach dem Mordanschlag bei Tel Aviv am Dienstag hat die israelische Polizei in der vergangenen Nacht mehrere Palastinenser festgenommen und den Wohnort des mutmasslichen Taters durchsucht. Die Sicherheitslage ist extrem angespannt, die Tat war der dritte Terrorakt im Land binnen einer Woche. Zumindest die ersten beiden Anschlage waren wohl von Anhangern des >>Islamischen Staats<< (IS) verubt worden. Insgesamt kamen wahrend der neuen Terrorwelle elf Menschen ums Leben. Bei der jungsten Attacke hatte ein Attentater das Feuer auf Passanten eroffnet und funf Menschen getotet. Er war nach der Tat von Polizisten erschossen worden.
Mitglieder der im Untergrund operierenden Al-Aksa-Brigaden in Dschenin schurten heute die Angst vor weiteren Anschlagen. Einer von drei Vermummten kundigte auf Hebraisch einen >>Krieg im ganzen Staat Israel<>nur zu einer weiteren Verschlechterung der Lage beitrage.<<
Insbesondere angesichts der anstehenden Feiertage von Muslimen, Christen und Juden konnte die Gewalt weiter eskalieren. Die israelische Polizei wurde in hochste Alarmbereitschaft versetzt.
Haben die Anschlage auch mit der derzeit turbulenten politischen Weltlage zu tun? Richard C. Schneider, der fur den SPIEGEL aus Israel berichtet, nennt den ungelosten Streit um einen Palastinenserstaat und die wachsende Kooperation Israels mit den Golfstaaten und Marokko als mogliche Ursachen. >>Die Palastinenser sind extrem frustriert uber beides.<>Islamische Staat<>grob verkurzt: in der Hoffnung, noch einmal bedeutend zu werden<<.
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Lesen Sie hier mehr: Der Terror ist zuruck
3. Joe Bidens Regierung plant eine neue Steuer fur Superreiche – doch obwohl sie dem Staat viele Milliarden Dollar bringen wurde, hat sie politisch wohl keine Chance
US-Prasident Joe Biden will eine Mindeststeuer fur Multimillionare und Milliardare einfuhren. Der Plan klingt simpel. Budgetentwurfe spiegelten die >>Werte der Regierung<<, sagte Biden bei der Vorlage des Entwurfs fur das kommende Jahr. Die Besteuerung der Superreichen wurde viel Geld in die offentlichen Kassen spulen, noch gibt es aber offenbar viele technische Hurden: Zum Beispiel muss geklart werden, was alles zum Vermogen gehort – Immobilien und Aktien, und auch Kunstwerke und Pferde? Und wie wird deren Wert kalkuliert?
Ein politisch als Linker geltender Okonom, der mit seiner Forschung zur Ungleichheit bekannt geworden ist, hat nun ausgerechnet, wie viel prominente Milliardare wie Elon Musk bezahlen musste, wenn Biden sich durchsetzt. Die zehn reichsten Amerikaner mussten demnach in den kommenden zehn Jahren 215 Milliarden Dollar abgeben. Nach Angaben des Fachmanns >>zahlen die meisten von ihnen heute faktisch nichts<<. Elon Musk kame nach Beschluss des neuen Gesetzes auf Steuerzahlungen von 50 Milliarden Dollar, Jeff Bezos auf 35 Milliarden, Warren Buffett auf 26 Milliarden und Mark Zuckerberg auf 16 Milliarden Dollar.
In einem Bericht meiner Kollegin Ines Zottl, die aus Washington fur den SPIEGEL berichtet, ist zu erfahren, dass die reichsten 400 Familien der USA zwischen 2010 und 2018 gerade mal 8,2 Prozent Bundessteuern auf ihren Vermogenszuwachs gezahlt haben. Allein 2021 sei das Vermogen der mehr als 700 Milliardare Amerikas um eine Billion Dollar gewachsen. Bidens Plan sieht nun vor, dass die Steuerburger die Zahlung der zusatzlichen Abgaben in der ersten Runde uber neun Jahre strecken durfen, danach uber jeweils funf Jahre. Das soll die Kritik entkraften, dass jemand sein Haus verkaufen muss, um die Steuern zahlen zu konnen. Wer nicht liquide ist, kann sich die Steuerschuld stunden lassen.
Leider wird sich der US-Prasident mit seinen Planen wohl nicht durchsetzen, nicht mal bei den eigenen Parteifreunden. Mehrere Anlaufe fur hohere Steuern fur Reiche sind in den vergangenen Monaten an den Demokraten gescheitert. In der vergangenen Nacht hat der demokratische Senator Joe Manchin das Vorhaben furs Erste gekillt, >>indem er sagte, dass er die Steuerplane nicht unterstutzt<>Dabei befurworten in Umfragen zwei Drittel aller US-Amerikaner hohere Steuern fur Reiche.<<
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Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Muss Elon Musk bald 50 Milliarden Dollar Steuern zahlen?
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Was heute sonst noch wichtig ist
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So viele Unternehmen wie noch nie wollen Preise erhohen: Jeden Monat fragt das Ifo bei Unternehmen, ob sie die Preise anheben wollen. Die Zahl erreicht nun einen Rekordwert. Die Forscher erwarten eine Inflation wie in der Olkrise der Siebzigerjahre.
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Virologe bemangelt Schnellteststudie des Paul-Ehrlich-Instituts: Das Paul-Ehrlich-Institut hat vielen Antigenschnelltests ein gutes Zeugnis beim Omikron-Nachweis ausgestellt. Zu Unrecht, meint der Munchner Virologe Oliver Keppler, die Studie sei unzulanglich. Kritik gibt es vor allem an der Stichprobe.
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Hacker erbeuten uber 600 Millionen Dollar an Kryptowahrungen: Es ist einer der bisher grossten digitalen Raubzuge: Hacker haben Kryptowahrungen im Wert von Hunderten Millionen Dollar gestohlen. Ein grosser Teil der Beute befindet sich offenbar noch auf dem Konto der Tater.
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Grossbritannien zieht Richter von Hongkongs Oberstem Gericht ab: Seit der Ruckgabe Hongkongs an China im Jahr 1997 sitzen britische Richter am Obersten Gericht der Sonderverwaltungszone. Nun beruft das Land die Juristen ab – mit Verweis auf die zunehmenden Repressalien Pekings.
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Berliner Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen gegen Grunenfuhrung ein: Die Grunen mussen wegen der umstrittenen Coronasonderzahlungen an den Parteivorstand keine weiteren Konsequenzen furchten. Die zustandige Ermittlungsbehorde legt den Fall zu den Akten.
Meine Lieblingsgeschichte heute: Ein Al Pacino furs 21. Jahrhundert
Mein Kulturkollege Andreas Borcholte portratiert den Hollywoodschauspieler Oscar Isaac, der jetzt als Marvel-Superheld im Film >>Moon Knight<>unverschamt strahlende Grinsen<>konne einem wahrscheinlich alles verkaufen, denkt man, als das Gesprach beginnt<>Inside Llewyn Davis<>The Death of Queen Jane<< aus dem Soundtrack des Films.
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Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Ein Al Pacino furs 21. Jahrhundert
Was wir heute bei SPIEGEL+ empfehlen
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Die Reifeprufung: Zum ersten Mal hat die DFB-Elf unter Hansi Flick mit den Niederlanden einen ebenburtigen Gegner gehabt. Es war genau der Test, den diese Mannschaft gebraucht hat. Um zu sehen, was sie kann – und was noch nicht.
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>>Das Leben ist zu kurz fur Pflanzen, die mir nicht gefallen<<: Laub liegen lassen, weniger schneiden, nicht so oft giessen: Staudenexpertin Isabelle Van Groeningen pladiert fur mehr Gelassenheit im Garten – das ist gut fur die Umwelt. Nur einen Job geht sie sofort an.
Was heute weniger wichtig ist
Foto:
Luis Vieira / dpa
Plotzlich bescheidener Fussball-Grosskotz: Cristiano Ronaldo, 37, in Portugal als Nationalheld verehrter Fussballspieler, darf mit seinem Team zur WM nach Katar reisen und gibt sich plotzlich als Teamplayer. Mit den Sportfans in aller Welt betreibt er seit Jahren ein heiteres Provokationsspiel, indem er sich mit grossspurigen Gesten und extrem selbstbewussten Aussagen zum genialen Egomanen stilisiert. Nach dem 2:0 der portugiesischen Nationalmannschaft gegen Nordmazedonien im Playoff der WM-Qualifikation am Dienstagabend gebardete sich der Fussballer jedoch ungewohnlich mannschaftsfromm als einer von vielen. Zu einem Gruppenfoto seines Teams postete er: >>Wir sind da, wo wir hingehoren.<<
Tippfehler des Tages, inzwischen korrigiert: >>Frachtontainer im Hamburger Hafen<<
Cartoon des Tages: Ende der Maskenpflicht
Foto:
Klaus Stuttmann
Und heute Abend?
Konnten Sie sich in der Mediathek von Arte eine wunderbare Schwarzweissfilm-Entdeckung ansehen. Sie heisst >>Das eigensinnige Madchen<<. Der Film ist das Kinodebut der norwegischen Schauspielerin Liv Ullmann, die mal spater uber ihre funfjahrige Liaison mit dem schwedischen Regiestar Ingmar Bergman gesagt hat: >>Wir sind jeder fur den anderen eine Revolution gewesen, und wir wurden jeder des anderen Holle<>Das eigensinnige Madchen<<, einem Werk aus dem Jahr 1959, bei dem die norwegische Regisseurin Edith Carlmar Regie fuhrte. Ullmann spielt eine junge Frau, die auf Konventionen pfeift – und die Bilder des Films sehen nicht bloss erstaunlich modern aus, sie machen einem auch sofort gute Laune.
Einen schonen Abend. Herzlich
Ihr Wolfgang Hobel
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