Chef Merz, Wahlverlierer Hans: Einer gibt sich unbeirrt, der andere steht vorm Aus //
Drohen der CDU nach dem Saar-Desaster weitere Pleiten in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen? Friedrich Merz macht auf optimistisch – dem gescheiterten Ministerprasidenten Tobias Hans gelingt das nicht mehr.
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Am fruhen Montagnachmittag ist im Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses ein merkwurdiges Nebeneinander zu erleben. Nicht nur, weil Friedrich Merz, der CDU-Bundesvorsitzende, leibhaftig am Rednerpult steht, wahrend der saarlandische Vorsitzende Tobias Hans an seiner Seite nur uber einen grossen Bildschirm zugeschaltet ist; er sitzt aus Termingrunden in der Landesgeschaftstelle seiner Partei in Saarbrucken.
Zu erleben sind hier auch zwei Politiker, deren Karrierekurven sich seit dem Abend zuvor diametral auseinanderentwickeln. Jedenfalls, wenn es nach Merz geht.
Hans ist im Saarland als Ministerprasident abgewahlt worden, geschlagen von seiner bisherigen Vizeregierungschefin Anke Rehlinger von der SPD – und zwar mit absoluter Mehrheit: Hans hat seine Partei nicht einmal mehr in eine Koalition mit den Sozialdemokraten retten konnen.
Die CDU sitzt kunftig auch im Saarland in der Opposition, ihr bisheriger Juniorpartner regiert dann allein.
Wahlverlierer Hans, den Tranen nahe, bei der CDU-Party mit Ehefrau Tanja und dem Saarbrucker Kreisvorsitzenden Peter Strobel
Foto: Uwe Anspach / picture alliance/dpa
Der Absturz von Hans ist mindestens so brutal wie das Wahlergebnis seiner Partei mit einem Minus von gut zwolf Prozentpunkten: Eben noch galt Hans als CDU-Hoffnungstrager, auch auf Bundesebene – nun steht er mit 44 Jahren vor dem politischen Nichts.
Er werde >>Verantwortung ubernehmen und auch Konsequenzen ziehen<<, sagt Hans.
Der 66-jahrige Merz dagegen ist angetreten, seine Partei nach dem Debakel bei der Bundestagswahl im vergangenen Herbst wiederzubeleben und die Union zu alter Starke zuruckzufuhren.
An diesem Montagmorgen lasst Merz erkennen, dass die Saarland-Schlappe, so bitter sie fur die Partei ist, fur ihn hochstens ein kleiner Dampfer ist.
Er sieht sich und seine Truppe, neuerdings unangefochtener Oppositionsfuhrer als CDU-Vorsitzender und Chef der Unions-Bundestagsfraktion, auf einem guten Weg. >>Wir haben den Turnaround hinbekommen<<, sagt Merz.
In Kiel und Dusseldorf muss die CDU nun liefern
Dieser vermeintliche Turnaround, das weiss auch er, sollte sich allerdings am besten auch in Wahlsiegen abbilden: Da der Start in eine Art Super-Landtagswahljahr nun im Saarland komplett misslungen ist, muss es fur seine Partei zunachst am 8. Mai in Schleswig-Holstein und dann eine Woche spater in Nordrhein-Westfalen besser laufen.
Das klare Ziel: Die dortigen CDU-Ministerprasidenten Daniel Gunther und Hendrik Wust sollen ihre Staatskanzleien verteidigen.
Einen Trend nach der Saar-Wahl, nein, davon will Merz jedenfalls nichts wissen. >>Ich sehe da kein Prajudiz<<, sagt er, es gebe doch sehr saarspezifische Grunde fur die Pleite dort.
Manchem Parteifreund ist dennoch bange vor der umgekehrten Wiederholung der Geschichte: 2017 verteidigte die damalige CDU-Ministerprasidentin im Saarland, Annegret Kramp-Karrenbauer, uberraschend deutlich ihr Amt gegen die lange siegesgewisse SPD – und prompt eroberten die Christdemokraten anschliessend auch die Staatskanzleien in Kiel und Dusseldorf.
Die CDU gehe >>mit wirklicher Zuversicht in diese Wahlen<>jetzt nicht depressiv in den Rest des Jahres 2022 – ganz im Gegenteil: Dieses Wahlergebnis gestern, das spornt uns noch einmal an<<.
So soll, ist aus den Gremien zu horen, auch die Stimmung in Prasidium und Bundesvorstand gewesen sein, die am Vormittag tagten. Kritik an Merz ubte demnach niemand. Es scheint bemerkenswert, wie unangefochten der Bundesvorsitzende ist.
Was nicht passt, redet Merz an diesem Montag einfach weg:
Der Vorwurf der mangelnden Unterstutzung der Bundespartei fur die Saar-CDU? Da musse sich niemand einen Vorwurf machen. >>Wir haben die saarlandische CDU in der Tat wirklich nach Kraften unterstutzt<<, sagt er.
Und die Tatsache, dass die Union im Bund nach einem Zwischenhoch in aktuellen Umfragen nur noch gleichauf oder knapp hinter der SPD liegt? Merz spricht dennoch davon, CDU und CSU lagen demoskopisch vor den Sozialdemokraten. Den Aufwartstrend will er sich so rasch nicht ausreden lassen.
Aber er raumt ein, dass es noch viel zu tun gibt. >>Wir machen hier eine muhsame Aufbauarbeit der CDU Deutschlands nach einer schweren Wahlniederlage bei der Bundestagswahl 2021<<, sagt er. Dabei storen ihn auch strukturelle Defizite – beispielsweise, dass es nach dem Rucktritt von Julia Klockner als CDU-Chefin in Rheinland-Pfalz nur noch mannliche Landesvorsitzende seiner Partei gibt, dazu kommt genau eine Landtagsfraktionschefin. Merz gibt sich fest entschlossen, dies zu andern. Aber: >>Das ist muhsam, das geht nicht uber Nacht.<<
Merz: Es geht nicht nur um rasche Erfolge
Dazu kamen Themen, mit denen noch im vergangenen Jahr niemand rechnen konnte: Was er meint, ist der russische Angriff auf die Ukraine mit all seinen Konsequenzen fur die deutsche Politik. >>Auch fur uns ist das, was wir in Deutschland zurzeit erleben, eine Zeitenwende.<<
Deshalb gehe es nicht nur um rasche Erfolge. >>Wir sind hier nicht auf einem Kurzstreckenlauf – sondern wir sind hier auf einem Marathonlauf<>Darauf richten wir auch unsere strategisch-inhaltliche Arbeit aus.<<
Aber vorher sind da nun mal die Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Wegen der Grosse des Landes ist vor allem letztere wichtig fur die CDU – und weil Merz selbst aus NRW kommt. An der Bedeutung dieses Termins Ende Mai lasst er keinen Zweifel: >>Ja, und das wird dann auch fur die Bundespartei ein wichtiges Datum.<<
Von Tobias Hans, dem grossen Verlierer dieses Wahlsonntags, wird dann schon niemand mehr sprechen. Aber noch sitzt er eben da an seinem Schreibtisch in Saarbrucken, wobei irgendwann in der Pressekonferenz in der CDU-Zentrale nicht einmal mehr ein Bild von Hans zu sehen ist, man hort nur noch seine Stimme.
Wie konnte das alles nur so in die Binsen gehen?
Als die damalige Ministerprasidentin Kramp-Karrenbauer den Fraktionschef Hans zu ihrem Nachfolger erkor, weil sie als CDU-Generalsekretarin nach Berlin wechselte, da galt das auch im Land als Uberraschung – erst recht aber ausserhalb.
Hans, gerade 40 geworden, war seinerzeit zwar bereits Chef der CDU-Fraktion im Landtag, aber das auch erst drei Jahre lang. Regierungserfahrung hatte er gar keine, dennoch zog ihn Kramp-Karrenbauer dem eigentlichen Favoriten Stephan Toscani, damals Finanzminister, vor. Dass Hans sein Jura-Studium nicht beendet hat, sorgte zwar seinerzeit fur ein bisschen Aufregung, war aber rasch wieder vergessen.
Lange Zeit schien Hans zu bestatigen, was Kramp-Karrenbauer in ihm gesehen hatte: Bundespolitisch uberzeugte er durch sein smartes Auftreten, war bald ein gern gesehener Interview-Gast, auch bei den Saarlandern kam der junge Ministerprasident zunachst gut an. Wenige Monate nach seiner Wahl zum Regierungschef wurde Hans Vater von Zwillingen, im Januar 2021 bekam seine Frau ihr drittes Kind. Die Familie lebt mit einigen Pferden auf einem Hof in Neunkirchen-Munchwies – eine Art Ministerprasidenten-Idylle.
Noch im Sommer 2021 stand die Saar-CDU glanzend da
Was sollte also schon schiefgehen bei der anstehenden Landtagswahl? Noch im Sommer 2021 zeigten Umfragen einen deutlichen Vorsprung der CDU gegenuber der SPD, Hans machte sich damals zwar Sorgen um seine Partei bei der nahenden Bundestagswahl – nicht aber um seine Zukunft als saarlandischer Ministerprasident. Und im Bund wurde Hans, gemeinsam mit dem schleswig-holsteinischen Regierungschef Gunther und Sachsens Ministerprasident Michael Kretschmer, zur Fuhrungsreserve gezahlt.
Doch spatestens mit der CDU-Niederlage bei der Bundestagswahl scheint auch im Saarland die Stimmung gekippt zu sein, gleichzeitig verschlechterten sich die personlichen Werte des Ministerprasidenten.
Lag es daran, dass Hans in der Coronapolitik, nachdem er lange Zeit einen sehr strengen Kurs gefahren hatte, zwischenzeitlich mit Lockerungen vorgeprescht war?
Hangt es damit zusammen, dass Hans gern von Innovationen sprach und vom notwendigen Gendern, wahrend seine Wirtschaftsministerin und SPD-Herausfordererin Rehlinger sich um Jobs in den Ford-Werken des Landes kummerte?
Stiess den Saarlandern irgendwann doch auf, dass sie nun von einem regiert wurden, der deutlich weniger volkstumlich als Kramp-Karrenbauer und deren CDU-Vorganger Peter Muller wirkt – die sozialdemokratische Vize-Ministerprasidentin Rehlinger dafur umso mehr?
Zur Wahrheit gehort allerdings auch: Rehlinger und ihre Partei profitierten massiv von der Schwache der Grunen und insbesondere der implodierten saarlandischen Linken, deren langjahrige Fuhrungsfigur Oskar Lafontaine erst vor wenigen Tagen die Partei verlassen hatte.
Aber etwas ist auch kaputtgegangen zwischen Tobias Hans und den Saarlandern in den vergangenen Monaten. Dass er nach Ausbruch des Ukrainekriegs ein selbstgedrehtes Wut-Video zum Benzinpreis uber seine Social-Media-Kanale versendete, wirkte dann schon leicht panisch. Am Ende kam auch noch Pech dazu, als Hans im Wahlkampffinale eine Corona-Infektion in die hausliche Isolation zwang.
Das Ministerprasidentenamt ist weg, den CDU-Vorsitz wird er wohl abgeben, es bleibt noch das Landtagsmandat. So hart ist seit Stefan Mappus, der in Baden-Wurttemberg 2011 nach gut einem Jahr als Ministerprasident abgewahlt wurde, kein christdemokratischer Regierungschef mehr abgesturzt. Kein Wunder, dass Hans am Sonntagabend mit den Tranen zu kampfen hatte, als er seine Niederlage auf der CDU-Wahlparty in Saarbrucken einraumte.
Die politische Karriere von Hans durfte nach diesem Wahlsonntag furs erste vorbei sein. Fur seinen Bundesvorsitzenden Merz dagegen soll das Saar-Desaster nur ein kleiner Umweg auf einer langeren Strecke gewesen sein.
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