Die Öl- und Gaslieferungen aus Russland stehen angesichts des Angriffskriegs des Landes auf die Ukraine in der Kritik. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sah sich bei der Generaldebatte im Bundestag am Mittwoch genötigt, den Bezug der Energieträger erneut zu verteidigen.
Scholz sagte, ein Stopp des Imports russischen Öls könne nicht von heute auf morgen umgesetzt werden. Bei überhasteten Schritten drohe Deutschland eine Rezession. Die Sanktionen dürften die EU nicht härter treffen als die russische Führung.
Dennoch: Die Bundesregierung arbeitet daran, in Zukunft nicht mehr auf russisches Öl und Gas angewiesen zu sein. Zu diesem Zweck flog Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach Katar. Dort verhandelte er über Flüssiggaslieferungen – allen Menschenrechtsverletzungen des Landes zum Trotz.
AdvertisementAuch in der deutschen Bevölkerung gibt es ausgeprägte Vorbehalte gegen ein umfassendes Energieembargo gegen Russland. Das zeigt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des SPIEGEL.
Vor allem einen umgehenden Stopp russischer Gaslieferungen lehnt eine relative Mehrheit der Deutschen ab: 48 Prozent sind dagegen. Knapp über 40 Prozent antworteten auf die entsprechende Frage nach einem Importstopp mit »ja« oder »eher ja«, rund elf Prozent sind unentschieden.
In dieser Frage scheint es in den vergangenen Wochen einen Meinungsumschwung gegeben zu haben. Noch am 3. März, kurz nach dem Ausbruch des Krieges, hatten sich 60 Prozent der Deutschen in einer Civey-Umfrage für die »Wirtschaftswoche« dafür ausgesprochen, dass die Bundesregierung alle Gasimporte aus Russland stoppen sollte. Allerdings wurde damals nicht gefragt, ob die Stopps sofort erfolgen sollten, was die Vergleichbarkeit der Antworten etwas einschränkt.
In der aktuellen SPIEGEL-Umfrage sind es vor allem Wählerinnen und Wähler der AfD (87 Prozent), die ein Gasembargo für falsch hielten. In der Generaldebatte hatte Fraktionschef Tino Chrupalla die Ablehnung seiner Partei gegenüber den Sanktionen gegen Russland noch einmal bekräftigt.
Aber auch in der Anhängerschaft der Linken, der FDP und der Union ist die Ablehnung größer als die Zustimmung. Für einen sofortigen Lieferstopp gab es nur unter den Sympathisantinnen und Sympathisanten der Grünen eine deutliche Mehrheit (65 Prozent). Ebenfalls interessant ist das Stadt-Land-Gefälle: In stark besiedelten Gebieten gibt es eine höhere Bereitschaft für den sofortigen Stopp als in Gebieten mit niedriger Bevölkerungsdichte.
Auch die Bereitschaft für einen Importstopp von Öl hat in der Bevölkerung abgenommen. Laut der SPIEGEL-Umfrage antworteten zwar immer noch 48 Prozent der Befragten zustimmend – in einer SPIEGEL-Umfrage von vor zwei Wochen waren es jedoch noch rund 54 Prozent.
Hier sind es ebenfalls die Grünen-Wählerinnen und -Wähler, die mit großer Mehrheit (76 Prozent) für ein Embargo sind. Bei der AfD sind es nur elf Prozent. Erneut gibt es in sehr dicht besiedelten Gebieten eine deutlich höhere Zustimmung (60 Prozent) als in Gebieten mit sehr niedriger Bevölkerungsdichte (40 Prozent).
Die deutlichste Zustimmung für einen Importstopp gibt es bei der Kohle: 59 Prozent antworten hier mit »ja« oder »eher ja«. Und wieder ist es die Grünen-Anhängerschaft, die die größte Bereitschaft dafür zeigt.
Russland ist bislang der wichtigste Energielieferant Deutschlands. 2020 importierte die Bundesrepublik 56,3 Milliarden Kubikmeter russisches Erdgas, das entsprach rund 55 Prozent der Importe. Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums blieb dieser Anteil 2021 in etwa gleich. Zudem importierte Deutschland 2020 gut 28 Millionen Tonnen Rohöl aus Russland, das entsprach rund einem Drittel der Rohölimporte. Auch die Hälfte der importieren Kohle stammt aus Russland.