: Ukraine, Sprit, Nahrungsmittel, Bundestag, Corona, FDP, Bundeslander, Oskar Lafontaine //
Liebe Leserin, lieber Leser, guten Morgen,
heute geht es um die schwierige Frage, was in Folge des Krieges subventioniert werden soll. Wir blicken auf den Streit uber das Infektionsschutzgesetz. Und auf die neue Freiheit des Oskar Lafontaine.
Heute geht es um die schwierige Frage, was in Folge des Krieges subventioniert werden soll. Wir blicken auf den Streit uber das Infektionsschutzgesetz. Und auf die neue Freiheit des Oskar Lafontaine.
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Geld fur Essen oder Geld fur Sprit?
Der russische Einmarsch in die Ukraine konnte bald Menschen in existenzielle Not bringen, die Tausende Kilometer entfernt von der Ukraine leben. Denn die ist, genauso wie Russland, ein wichtiger Produzent von Weizen, Mais und Olen. Von Getreide aus der Ukraine und Russland hangen ausgerechnet einige der Lander ab, die sowieso schon unter Mangel leiden: Athiopien, Somalia oder der Jemen.
Droht also eine Hungerkatastrophe? >>Ich hoffe nicht, aber die Gefahr ist real<<, sagt Cem Ozdemir, der deutsche Minister fur Landwirtschaft und Ernahrung im SPIEGEL-Interview. Das World Food Programme der Vereinten Nationen beziehe 50 Prozent seines Weizens aus der Ukraine.
Tankstellenpreise in Deutschland
Foto: IMAGO/Sebastian Gabsch / IMAGO/Future Image
Deshalb werde Deutschland mehr Geld fur das World Food Programme bereitstellen und alles dafur tun, dass die Agrarmarkte offenbleiben und nicht Lander jetzt ihre Exporte stoppen, um sich selbst zu versorgen. Wirklich einspringen als Exporteur konne Deutschland aber nicht: >>Man muss die Grenzen des Machbaren sehen: Deutschland wird die Kornkammer der Ukraine nicht ersetzen konnen.<< Dass man das viele Getreide nicht langer an Nutztiere verfuttert, sondern fur Menschen nutzt, ist offenbar kein Plan der Regierung.
In Deutschland selbst, sagt Ozdemir, drohe keine Knappheit: >>Wir konnen uns mit vielen Nahrungsmitteln selbst versorgen, Gott sei Dank<>Unsere staatlichen Massnahmen, die wir jetzt ergreifen, konnen die Folgen des Krieges nicht ungeschehen machen, hochstens abfedern<<, sagte Ozdemir.
Entlastungen mussten deshalb zielgenau sein – eher bei Essen als beim Sprit: >>Langst nicht jeder hat ein Auto oder ist darauf angewiesen. Aber jeder muss sich ernahren. Darauf sind alle angewiesen. Deshalb muss man schon fragen, ob eine Entlastung hier nicht zielgerichteter ist als beim Benzinpreis und allen zugutekommt, insbesondere denjenigen, die wirklich Not leiden.<<
>>Unsagliches Verfahren<<
Verheerender hatte das Urteil fur die Bundesregierung nicht ausfallen konnen. Bei der gestrigen Konferenz der Ministerprasidentinnen und Ministerprasidenten ausserten alle Landerchefs scharfste Kritik am Coronakurs der Bundesregierung. Hintergrund: Auf Drangen der FDP wird es ab dem 20. Marz kaum noch Schutzmassnahmen geben. Selbst in Supermarkten fallt dann die Maskenpflicht weg.
Bundeskanzler Scholz
Foto: Michael Kappeler / dpa
Alle 16 Bundeslander gaben im Anschluss Protokollerklarungen ab, in denen sie in Nuancen ihr Unverstandnis uber die Vorgehensweise der Bundesregierung bekundeten – in der Sache wie im Verfahren. Zum ersten Mal seit gut zwei Jahren wurden die Lander beim Infektionsschutzgesetz nicht beteiligt. Auch das war der FDP wichtig.
Von einem >>unsaglichen Verfahren<< sprach Hessens Ministerprasident Volker Bouffier. Es habe keine Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Landern gegeben. Der niedersachsische Ministerprasident Stephan Weil hielt das Ergebnis >>nicht fur vertretbar<<. Die Pandemie sei eben nicht vorbei.
Einen solchen Umgang mit den Landern habe es noch nie gegeben, klagte Baden-Wurttembergs Ministerprasident Winfried Kretschmann. Eine gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit habe er sich anderes vorgestellt. Hier wurden zwei Jahre Wegstrecke im Alleingang beendet, schimpfte Bayerns Ministerprasident Markus Soder. >>Das ist weder vom Stil noch vom Inhalt gut.<<
Mit Blick auf den Bundesgesundheitsminister, der vermeintlich von der FDP uber den Tisch gezogen wurde, sagte Nordrhein-Westfalens Ministerprasident Hendrik Wust nach der Konferenz: >>Herr Lauterbach kann einem nur leidtun, dass er diesem Kompromiss zustimmen musste.<<
Heute wird der Bundestag in zweiter und dritter Lesung uber das umstrittene Gesetz abstimmen. Anschliessend wird es eine Debatte im Bundestag geben, der jedoch bei diesem Gesetz bewusst kein Mitspracherecht hat.
Macrons Hohenflug
In nur 24 Tagen wahlt Frankreich eine neue Prasidentin oder einen neuen Prasidenten. Aber der Wahlkampf, dessen Endphase nun eigentlich beginnen musste, zieht sich seit Wochen eher schleppend dahin. Es ist ein Wahlkampf in Zeiten des Krieges. Kein Vergleich also mit der Kampagne im Jahr 2017, als der 39-jahrige Kandidat Emmanuel Macron in ganz Frankreich grosse Hallen fullte und so oft und ausfuhrlich uber sein neues Projekt fur das Land sprach, dass er irgendwann keine Stimme mehr hatte.
>>Diesmal uberlagert die Tragodie in der Ukraine alles, die Konkurrenten Macrons ringen im Schatten des Krieges muhsam um Aufmerksamkeit<<, sagt meine Kollegin Britta Sandberg in Paris.
Frankreichs Prasident Macron
Foto: POOL/REUTERS
Macrons Wahlkampfteam hat fast alle geplanten Grossveranstaltungen abgesagt, auch den Auftakt in Marseille. Es sei ihnen komisch vorgekommen, in diesen Zeiten den Kandidaten auf eine Buhne zu stellen und von Tausenden von Anhangern bejubeln zu lassen. Nur eine einzige Wahlkundgebung soll es wohl geben: am 2. April, acht Tage vor dem ersten Wahlgang.
Macron hingegen, der regelmassig mit Wladimir Putin, und fast taglich mit dem ukrainischen Prasidenten Wolodymyr Selinskyj telefoniert, profitiert von dem Konflikt in der Ukraine. Anfang Marz legte er in Umfragen bis zu 8,5 Prozent zu und liegt nun unangefochten mit uber 30 Prozent auf Platz Eins, gefolgt von der Rechtspopulistin Marine Le Pen (mit 18 Prozent).
So richtig schlecht lief es seit Beginn des Krieges fur den Rechtsaussenpolitiker Eric Zemmour, der in der Zeit davor am starksten hatte zulegen konnen. Seit Putins Uberfall auf die Ukraine rutschte er in den Umfragen stark ab. Noch im Februar hatte Zemmour erklart, er bewundere den russischen Prasidenten.
Gewinner des Tages…
Lafontaine (im Februar 2022)
Foto: IMAGO/BeckerBredel
…ist Oskar Lafontaine. Der Saarlander muss sich ab jetzt nicht langer uber die ganzen Idioten argern, die einem in herkommlichen deutschen Parteien so uber den Weg laufen. (Dass sich viele der Angesprochenen ihrerseits uber Lafontaine argerten, sei der Vollstandigkeit halber auch erwahnt).
Nachdem Lafontaine vor vielen Jahren verargert aus der SPD ausgetreten war, hatte er mit der Linken einfach eine neue Partei gegrundet. Leider eckte er auch dort zuverlassig an. Zuletzt immer haufiger, es wartete sogar ein Parteiausschlussverfahren auf ihn. Gestern trat Lafontaine auch aus der Linken aus. Jetzt muss er sich nicht langer aufregen – falls er das wirklich nicht mehr will. Das macht ihn fur mich zum Gewinner.
>>SPIEGEL Backstage<< zum Krieg in der Ukraine
Und zum Schluss noch ein Hinweis: am Dienstag, 22.3., um 18 Uhr, findet die nachste >>SPIEGEL Backstage<<-Veranstaltung statt. Dieses Mal gibt es die Moglichkeit, meiner Kollegin Alexandra Rojkov (Reporterin) sowie meinem Kollegen Christian Esch, Chef des Moskauer SPIEGEL-Buros, bei einer Onlineveranstaltung Fragen zum Krieg in der Ukraine zu stellen.
Die Veranstaltung ist exklusiv fur Abonnenten und Abonnenten, aber wir verlosen zehn freie Zugange. Bei Interesse schreiben Sie bitte eine Mail an: info@events.spiegel.de, Betreff: SPIEGEL
Einsendeschluss ist Montag, 21.3., um 12 Uhr.
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Einen heiteren Freitag, trotz alledem, wunscht Ihnen.
Ihr Markus Feldenkirchen