Fachleute warnen vor einer Aufweichung der Maskenpflicht, Grune und Sozialdemokraten ebenso. Doch in der Koalition scheuen sich beide Partner vor einem Konflikt – den Coronakurs bestimmt deshalb die FDP.
Advertisement
Mittwoch, 13.18 Uhr, Karl Lauterbach nimmt seinen Platz auf der Regierungsbank im Bundestag ein. Eine Weile lauft die Debatte da schon, die fur den SPD-Gesundheitsminister kaum unangenehmer sein konnte.
Lauterbach selbst will erst einmal gar nichts sagen.
Andere mussen jetzt das erklaren, was sie und der Minister nicht wollen, aber trotzdem tun. Es geht um die Anderung des Infektionsschutzgesetzes. Oder eher: um jene Coronaregeln, die es kunftig nicht mehr geben soll.
Da ist Lauterbachs Parteifreundin, Sonja Eichwede, rechtspolitische Sprecherin der SPD: >>Das vorliegende Gesetz ist ein hart errungener Kompromiss<>gut gefunden<>wenn eine Maskenpflicht weiter aufrechterhalten worden ware<<.
Ausdruck der Selbstverzwergung?
Oder Maria Klein-Schmeink, Fraktionsvize der Grunen. Es liege ein Kompromiss vor, >>der uns Grune nicht zufriedenstellt<>Aber er ist das, was unter demokratischen Bedingungen in der Ampel miteinander verabredet werden konnte.<<
Kann man sich deutlicher von dem Ergebnis eigener Politik distanzieren?
Es ist ein Drahtseilakt, den SPD und Grune an diesem Mittwochnachmittag in Berlin auffuhren. Vor allem die Aufweichung der Maskenpflicht halten weite Teile beider Fraktionen fur fatal. Auch Lauterbach machte zuletzt keinen Hehl daraus, dass er solche Lockerungen fur grundfalsch halt.
Dennoch macht die Koalition genau dafur den Weg frei. Ein Akt, der den Frieden in der Regierung bewahrt, so kann man das sehen. Oder Ausdruck der Selbstverzwergung von SPD und Grunen.
Schliesslich verbreitete sich das Coronavirus niemals schneller als in diesen Tagen. Die Inzidenz, der Indikator fur die Ausweitung der Krankheit, kletterte zuletzt auf neue Rekordwerte. Am Mittwoch meldete das Robert Koch-Institut (RKI) die Zahl der jungsten Neuinfektionen in Deutschland: 262.593.
BA.2 ist der neue Pandemietreiber, ein Untertyp der Omikron-Variante, offenbar nochmals ansteckender, aber noch wenig erforscht. Die Zahl der Krankenhaus-Einweisungen, zuletzt lange beherrschbar, nimmt wieder zu. Ein neuer angepasster Impfstoff fehlt bislang, das tatsachliche Ausmass von Corona-Spatfolgen: ungewiss.
Es gibt viele Grunde, warum man diese Pandemie weiter ernst nehmen sollte, warum Experten gerade jetzt davor warnen, allzu locker zu lassen im Kampf gegen Corona.
Die Regierung aber handelt anders.
Nach dem 19. Marz sollen bundesweit etliche Corona-Schutzregeln wegfallen, allen voran die Maskenpflicht, zumindest in vielen Bereichen. Nur noch in Bussen und Bahnen, in Krankenhausern und Pflegeheimen soll sie generell gelten.
In Supermarkten, Restaurants und anderen offentlichen Orten dagegen nicht mehr.
Wer sich dort kunftig aufhalt, lebt also gefahrlicher, besonders Menschen, die zur Risikogruppe gehoren – oder kleine Kinder, fur die es bisher keinen zugelassenen Impfstoff und selten passende Masken gibt.
>>Wir haben einfach keinen stabilen Zustand. Und auch wenn man irgendein Datum versprochen hat – das Virus halt sich nicht daran<<, sagt etwa die Virologin Sandra Ciesek, die die bevorstehenden Lockerungen kritisiert.
De facto sehen das auch in der Regierungskoalition viele so. Der einzige Koalitionspartner, der mit Verve fur genau dieses Ziel kampft, ist die FDP. Allein die Liberalen drangen auf massive Corona-Lockerungen, der kleinste Partner in der Ampel also, in den Umfragen derzeit bei neun Prozent. Nur: Wenn es um Corona geht, wird es offenbar gemacht, wie es die Liberalen wollen.
Liberale unter Druck
Das verbreitete Wort vom >>Freedom Day<< mit Blick auf den 20. Marz meidet die FDP-Spitze zwar bewusst. Doch der Wunsch nach einem klaren Schnitt ist gross. FDP-Justizminister Marco Buschmann erklarte kurzlich: >>Man kann nicht bloss praventiv auf Dauer millionenfach Grundrechte beschranken.<<
Die FDP befindet sich freilich in einer schwierigen Lage. Fur sie war der Weg in die Ampelkoalition deutlich weiter als fur SPD und Grune. Die Liberalen stehen am starksten unter Druck, ihren Wahlerinnen und Wahlern zu beweisen, dass sie sich in der Zusammenarbeit mit den beiden Mitte-Links-Parteien nicht verbiegen lassen.
Da kommt die Corona-Freiheitserzahlung offensichtlich gerade gelegen. Zumal in den kommenden Wochen wichtige Landtagswahlen anstehen: im Saarland, in Schleswig-Holstein, in Nordrhein-Westfalen.
Die Frage ist jedoch vor allem: Warum uberlassen SPD und Grunen der FDP in der Coronapolitik ohne ernst zu nehmenden Widerstand das Feld?
SPD-Generalsekretar Kevin Kuhnert in Berlin
Foto: Jorg Carstensen / dpa
Das Willy-Brandt-Haus an diesem Montag. Kevin Kuhnert steht dort vor Journalisten, der SPD-Generalsekretar. Es geht auch um Corona. Den Begriff eines >>Freedom Days<>euphemistisch<>geschutzter Raum<<.
Nur: Kuhnert leitet daraus keine Gesetzesforderung ab, sondern appelliert an die Eigenverantwortung der Menschen: Es sei fur ihn eine >>Frage der reinen Vernunft<< auch in Zukunft in Innenraumen eine Maske zu tragen, sagt er.
Manche hoffen, die FDP noch zur Vernunft zu bringen, das horte man in den vergangenen Tagen immer wieder aus den Reihen von SPD und Grunen. Allerdings ist die Bereitschaft zur Eskalation des Konflikts mit der FDP ganz offensichtlich sehr begrenzt. Im Zweifel, so sehen es viele, kann man gegen eine Blockade des Koalitionspartners eben nichts machen.
Zumal nicht jetzt, da die Regierung aufgrund des Kriegs in der Ukraine alle Hande voll zu tun hat. Einen echten Streit in der Koalition will Kanzler Olaf Scholz offenbar nicht riskieren. Wobei Scholz auch schon zu fruheren Zeiten nicht den Eindruck erweckt hat, als habe er allzu grosse Lust, sich den Liberalen in der Coronapolitik entgegenzustellen.
Frust in den Landern
In den SPD-Landern gibt es jedenfalls reichlich Unmut. Niedersachsens Ministerprasident Stephan Weil (SPD) bekraftigte am Mittwoch seine Kritik an den Planen der Ampel: >>Die Pandemie ist nachweislich nicht vorbei und sie wird auch Anfang April nicht vorbei sein.<< Man brauche nach der Ubergangszeit Moglichkeiten, scharfere Massnahmen zu beschliessen.
Die geplante Hotspot-Regelung, nach der in einzelnen Regionen doch noch scharfere Massnahmen eingefuhrt werden konnen, reiche angesichts steigender Infektions- und Patientenzahlen nicht aus.
>>Es ist praxisfern, dass durch Landesregierung und Landtag spezifische Massnahmen fur einzelne Landkreise oder kreisfreie Stadte festgelegt werden sollen<>Hotspot-Regelungs-Verhinderungsregelung<>Illusion<<.
Allein: Die Hoffnung, dass sich an dem Gesetz noch was andert, schwindet in den Landern. Im Bundesrat wiederum hatten sie kaum noch realistische Chancen einzugreifen. Eine Blockade des Gesetzes dort wurde bedeuten, dass man am Ende ganz ohne Regelung dastunde.
In der Ministerprasidentenkonferenz am Donnerstag wird deshalb zwar auch Streit, aber kein wesentlicher Beschluss erwartet. Auch hier konnte eine Folge des Ukrainekriegs, die grosse Zahl der Fluchtlinge, die Coronalage uberdecken.
Denkbar ist, dass die Lander noch einmal einen Appell an den Bund formulieren. Doch das ware wohl eher ein Symbol.
Vermutlich nichts, was die FDP zu einer Kurskorrektur bewegen wurde.
Nur eine Wachspuppe? Foto: — / dpa In aller gebotenen Schärfe verurteilt Die Linke Alternative für Deutschland (DLAfD) die Kriegstreiberei des westatlantischen Angriffsbündnisses Nato und...
Fortschritt ist ein unaufhaltsamer Prozess. In unseren Küchen, Garderoben, Autos und Smartphones stecken Erfindungen, Miniaturwerkzeuge und Haushaltsgeräte, die ohne den Erfindergeist von Technikern in...
Annalena Baerbock versucht, Nord Stream 2 zu Gunsten teurer amerikanischer Konzerne zu verdrängen. Amerikanisierung des globalen Gases Die Amerikaner haben die Hoffnung nicht aufgegeben,...