Russlands Krieg gegen die Ukraine hat die Bundesregierung zu einem historischen Kurswechsel in der deutschen Sicherheitspolitik getrieben, Kanzler Olaf Scholz wirft jahrzehntelange Gewissheiten über Bord, spricht selbst von einer »Zeitenwende« (Lesen Sie hier mehr über die Kehrtwende der Bundesregierung). Die große Mehrheit der Bevölkerung kann der Sozialdemokrat dabei hinter sich wissen – das zeigen Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des SPIEGEL.
So unterstützen rund 78 Prozent der Deutschen, dass die Bundesregierung nach dem russischen Angriff auf die Ukraine ihre Außen- und Sicherheitspolitik neu ausrichten und die Bundeswehr über einen 100 Milliarden Euro schweren Sonderfonds stärken will. Nur rund 16 Prozent halten diese Reaktion für falsch.
Die Unterstützung für den neuen Kurs ist unter den Anhängerinnen und Anhängern der Ampelparteien und jenen der Union gleichermaßen hoch – sie liegt jeweils deutlich über 80 Prozent. In der Anhängerschaft der AfD begrüßt etwa die Hälfte die Aufrüstung der Bundeswehr, unter den Sympathisanten der Linken ist es nur rund ein Drittel.
AdvertisementBefragt wurden für die aktuelle, repräsentative Erhebung gut 5000 Menschen im Zeitraum zwischen dem 28. Februar und 2. März. Lesen Sie hier Hintergründe zur Civey-Methodik.
Die Umfragen verdeutlichen, dass Wladimir Putins Krieg die Haltung vieler Menschen gegenüber Russland und ihrem Präsidenten stark verändert. Demnach hält eine sehr große Mehrheit Russland seit dem Angriff auf das Nachbarland für eine größere Gefahr für die Sicherheit Deutschlands als zuvor: 81 Prozent sehen das so, nur 16 Prozent empfinden keine stärkere Bedrohung.
Etwas mehr als 60 Prozent der Menschen geben an, Putin jetzt anders einzuschätzen als zuvor. Rund ein Drittel hat seine Meinung über den Präsidenten angeblich nicht geändert. In einer Umfrage Anfang Januar hatte etwa die Hälfte der Deutschen erklärt, Putin für gefährlich zu halten.
Auch in der Frage, ob die Bundeswehr andere Nato-Mitgliedstaaten im sogenannten Bündnisfall zu Hilfe eilen sollte, teilt die Bevölkerung offenbar die Haltung der Bundesregierung. Rund drei Viertel hielten es für richtig, dass deutsche Soldaten ihre Alliierten bei einem Angriff aktiv unterstützen. Etwa 17 Prozent wären dagegen. Die Zustimmung ist im Westen mit knapp über 80 Prozent höher als im Osten Deutschlands (rund 60 Prozent).
Scholz hatte in seiner Regierungserklärung am vergangenen Sonntag betont, dass Deutschland »ohne Wenn und Aber« zur militärischen Beistandspflicht in dem westlichen Bündnis steht. Eine militärische Einmischung der Nato in der Ukraine schloss der Kanzler am Mittwoch aber erneut aus.
Vorsichtiger bewerten die Deutschen die EU-Ambitionen der Ukraine. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte den Vorstoß der Ukraine begrüßt, Teil der Europäischen Union werden zu wollen. Rund 47 Prozent der halten von der Leyens Aussage für richtig, 38 Prozent sehen das Plädoyer für einen EU-Betritt dagegen kritisch, so die Erhebung der Civey-Meinungsforscher.
Auch hier gibt es Unterschiede zwischen Ost und West: Im Westen der Bundesrepublik stehen die Menschen einem EU-Beitritt der Ukraine offener gegenüber als im Osten.