An einem einzigen Wochenende ist geschehen, was Jahre, wahrscheinlich jahrzehntelang schier unmöglich schien: Eine umfassende Einigkeit in der deutschen und europäischen Politik.
Schon am Samstagnachmittag konnte man verblüfft lesen, dass sich die notorisch zerstrittene EU schnell auf harsche Sanktionen gegen Russland geeinigt hat. Und zwar inklusive der Maßnahme, russische Geldinstitute vom Swift-System abzukoppeln. In Deutschland erklärten sich fast alle Parteien mit der Regierungslinie solidarisch – und unterstützten sowohl den 100 Milliarden Euro schweren Sonderetat für Verteidigung, als auch Waffenlieferungen an die Ukraine. Beide Themen hatten zuvor für erhebliche Diskussionen gesorgt. Manchmal schien die breitflächige Solidarität zwar fast in Pathos abzukippen, nichtsdestotrotz erleben wir eine offensichtliche Zeitenwende, die zwei Fragen aufwirft:
Warum kriegen wir das sonst nicht hin? Und kann diese Einigkeit von Dauer sein?
»Zu den Dingen, die jetzt klar geworden sind, zählt auch, dass die EU mehr denn je eine durchdachte, nachhaltige Nachbarschaftspolitik braucht«, befindet Maximilian Popp, stellvertretender Ressortleiter im Auslandsressort, »dann geht es ja auch um die Frage: Wie schaffen wir es, dass Putin nicht seine Einflusssphäre noch versucht, über die Ukraine hinaus auszudehnen?«
AdvertisementEs klingt furchtbar, aber Zeiten wie diese fördern langfristige Bündnispolitik. Dabei geht es längst nicht nur um die interne Stärkung innerhalb bestehender Organisationen wie der EU. Sondern auch darum, Versäumnisse der Vergangenheit nachzuholen und jetzt Probleme anzugehen, die ohne Einigkeit nicht zu lösen waren – wie etwa die Frage einer gesamteuropäischen Migrationspolitik oder die halbherzige EU-Politik auf dem Balkan. Eine starke Union könnte drohende Konflikte unterbinden und bestehende gemeinsam lösen.
»Ich schaue beispielsweise auf den Balkan, wo es in letzter Zeit immer wieder neue Spannungen gegeben hat, gerade in Bosnien«, sagt Maximilian, »da wäre es eben wichtig, dass die EU versucht, Einfluss zu nehmen und solche Staaten wie Bosnien, wie Serbien, wie beispielsweise aber auch Marokko oder Tunesien enger an sich zu binden, ohne dass das bedeutet, dass man sofort einen Beitrittsprozess eröffnet«.
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