Im Streit über die einrichtungsbezogene Impfpflicht hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) seinen umstrittenen Vorstoß verteidigt. »Wir sind für die Impfpflicht – sowohl für die einrichtungsbezogene als auch die allgemeine. Daran hat sich nicht das Geringste geändert. Aber sie muss auch in der Praxis umsetzbar sein, weil sonst jegliches Vertrauen in den Staat verloren geht«, sagte Söder der »Rheinischen Post«. Die bisherigen Vorgaben seien »völlig unklar«, daher würden die Pflegeverbände auch Alarm schlagen. Der Bund habe bislang »keine praxistauglichen Vorgaben« gemacht, wie die einrichtungsbezogene Impfpflicht umgesetzt werden solle.
Söder warnte dabei eindringlich vor einem Notstand in der Pflegebranche. »Es gibt unzählige Fragen, die noch immer ungeklärt sind. Das wird auf die Pflege und die Gesundheitsämter abgeladen. Es ist wie bei der allgemeinen Impfpflicht: Die Regierung ist einfach untätig. Das könnte zu einem Pflegenotstand führen«, so der CSU-Politiker.
Söder kritisiert Lauterbach
Die Gefahr, dass durch seinen Vorstoß die Akzeptanz in der Bevölkerung für die Impfpflicht schwinden könnte, wies der bayerische Ministerpräsident von der Hand. »Im Gegenteil: Eine fehlerhafte Umsetzung schwächt die Impfpflicht und das Vertrauen in den Staat. Genau das ist Wasser auf die Mühlen all der Skeptiker, die immer an der Impfpflicht gezweifelt haben.« Die einrichtungsbezogene Impfpflicht sei »schlecht vorbereitet und zu spät terminiert« worden.
Advertisement»Sie hätte uns im Dezember, am Höhepunkt der Delta-Welle, wirklich genutzt. Gleiches droht mit der allgemeinen Impfpflicht: Die Bundesregierung tut nichts dafür und erklärt sich für neutral. Das ist wenig glaubwürdig«, so Söder weiter.
Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wird von Söder kritisiert. »Ich schätze Herrn Lauterbach als Analytiker sehr, aber das Corona-Management in seinem Ministerium kann noch verbessert werden.« Es sei eine Schwäche der neuen Regierung, dass sie bei Corona »widersprüchliche Aussagen« mache und die Menschen verwirre.
Aus der Bundesregierung hingegen gab es scharfe Kritik an Söders Vorgehen. »Im Rechtsstaat gelten Gesetze. Wenn sich die Regierenden selbst aussuchen, an welche Gesetze sie sich halten und an welche nicht, ist die Tyrannei nicht mehr fern«, twitterte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Dazu stellte er einen Zeitungskommentar mit der Überschrift: »Söder gehört in politische Quarantäne.«
»Markus Söder offenbart ein verantwortungsloses Staatsverständnis, wenn er Gesetze, die er sogar selbst beschlossen hat, missachten will«, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. »Nicht weniger schlimm ist, dass wichtige Teile der Union ihm dabei auch noch folgen wollen«, fügte Mützenich hinzu. »Sie setzen damit das Vertrauen in demokratische Grundsätze aufs Spiel.«
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünenfraktion, Irene Mihalic, warf Söder vor, die Coronakrise parteipolitisch zu instrumentalisieren. Der CSU-Chef lasse »in dieser Notzeit einmal mehr Verlässlichkeit und Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Menschen vermissen, die besonders gefährdet sind«, sagte sie.