Es war ein Auftritt, wie er Markus Söder gefällt. Einer, mit dem der bayerische Ministerpräsident bundesweit Schlagzeilen produzierte. Am Montagmittag kündigte Söder überraschend an, die beschlossene Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen im Freistaat bis auf Weiteres nicht umsetzen zu wollen.
Es werde »großzügigste Übergangsregelungen« geben, was »de facto zunächst einmal auf ein Aussetzen des Vollzugs hinausläuft«, sagte der CSU-Vorsitzende am Montag nach einer Videoschalte des Parteivorstands in München.
Die Überraschung in der Republik war groß, genau wie die Empörung. Schließlich hat die CSU der Teil-Impfpflicht im Bundestag mitbeschlossen, auch im Bundesrat stimmte Bayern zu. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach kritisierte den Alleingang Söders scharf, die anderen Ministerpräsidenten gehen auf Distanz.
AdvertisementNun zeigt sich, wie kurzfristig der Ministerpräsident sich zu seinem Kurswechsel entschlossen haben muss. Denn noch am Freitag verschickte Söders Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) einen Brief an den Landrat des Landkreises Straubing-Bogen, Josef Laumer (CSU), in dem er auf der Umsetzung der Impfpflicht in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen beharrte. Der Brief liegt dem SPIEGEL vor.
»Entscheidung nicht leicht gemacht«
»Diese einrichtungsbezogene Impfpflicht ist ein wichtiger Schritt für den Schutz vulnerabler Personengruppen in der Covid-19-Pandemie«, schrieb Hermann darin. »Ich möchte dringend darum bitten, dass wir nun nicht noch zusätzliche Verunsicherung schaffen, sondern gemeinsam für den eingeschlagenen Weg aus der Corona-Pandemie heraus werben.« Die beschlossene Teil-Impfpflicht sei und bleibe ein »wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer allgemeinen Impfpflicht in Deutschland«.
Herrmann reagierte mit seinem Brief auf eine Resolution des Kreistages Straubing-Bogen, in der dieser unter anderem Söder persönlich dazu auffordert, sich für eine Rücknahme der »selektiven Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen« einzusetzen. Grund: Die Teil-Impfpflicht werde »die ohnehin schon prekäre Personalsituation in Gesundheitseinrichtungen« wohl weiter verschärfen. Eine allgemeine Impfpflicht würde »hingegen nicht zu einem ›Verdrängungswettbewerb‹ und zu einem Ausweichen in andere berufliche Orientierungen führen«.
Söders Staatskanzleichef betont in seinem Brief, dass sich Bund und Länder die Entscheidung über eine einrichtungsbezogene Impfpflicht »nicht leicht gemacht und alle Argumente und wissenschaftlichen Erkenntnisse abgewogen« hätten. Dabei seien auch die in der Straubinger Resolution vorgetragenen Bedenken berücksichtigt worden. »Der Blick in europäische Nachbarländer zeigt zudem, dass diese Sorgen zumeist unbegründet sind«, schreibt der CSU-Politiker.
Am Dienstag erklärte Herrmann nach einer Kabinettssitzung in München nun, man stehe zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht, sie sei aber in der jetzigen Form nicht umsetzbar. »Der Bund hat eine Regelung geschaffen, die, wenn man sie laufen ließe, ins Chaos führen würde«, so Herrmann. Eine direkte Umsetzung der Pläne des Bundes zum 15. März in Pflege und Gesundheitswesen sei daher nicht möglich.
Gut gemeint sei häufig das Gegenteil von gut gemacht, betonte Herrmann. Eine Umsetzung würde über Monate hinweg die Gesundheitsämter und Gerichte befassen, da diese in allen Einzelfällen gemeldeten Mitarbeitern ohne eine Corona-Impfung nachgehen müssten. »Der Bund hat die Bedenken der Basis und der Praxis nicht hinreichend zur Kenntnis genommen«, sagte Herrmann. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) rase mit seiner Verordnung »mit 180 Sachen in dichte Nebelbänke«.