SPIEGEL: Herr Andresen, die französische Regierung stemmt sich gegen den Plan der EU-Kommission, einen europaweiten CO2-Preis für Verkehr und Gebäude einzuführen. Wie sehen Sie das?
Andresen: Die Grünen im Europaparlament teilen die Bedenken der französischen Regierung. Wir wissen aus den Analysen der Kommission, dass der Emissionshandel in diesen Bereichen keine große Lenkungswirkung entfaltet. Es fehlen die Ersatztechnologien, deshalb können die Menschen den höheren Preisen nicht ausweichen. Da gibt es wesentlich bessere Instrumente.
SPIEGEL: Welche sind das?
Andresen: Die EU muss sich strengere Grenzwerte und Reduktionsziele setzen, sowohl bei Gebäuden wie im Verkehr. Das Ende für den Verbrennungsmotor kann wesentlich früher kommen als bislang geplant. Und wir brauchen die gezielte Förderung CO2-freier Technologien in der Industrie. Wir dürfen nicht dem Irrglauben verfallen, mit einem Preis alles lösen zu können. Erst recht nicht in Zeiten, in denen die Menschen ohnehin durch hohe Energiekosten belastet sind.
SPIEGEL: Die Kommission will einen Sozialfonds einrichten, um die sozialen Folgen abzufedern. Reicht das nicht?
Andresen: Wir wissen, dass schon heute jeder zehnte Europäer unter Energiearmut leidet. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass Menschen mit kleinem Einkommen nicht zu Verlierern der Klimawende werden. Und deshalb dürfen wir jetzt nicht ohne Not die Preise politisch in die Höhe treiben.
SPIEGEL: Im EU-Parlament gibt es den Vorschlag, den Emissionshandel vorerst nur für gewerblich genutzte Gebäude und Autos einzuführen – und den Privatsektor zu verschonen. Was halten Sie davon?
Andresen: Das würde das Problem nicht lösen, sondern nur aufschieben. Ich sehe nicht, dass es für den Emissionshandel in seiner derzeit geplanten Form in Europa eine Mehrheit gibt.
SPIEGEL: Kann der Streit den Green Deal gefährden?
Andresen: Wenn die Fronten verhärtet bleiben, hat der Konflikt erhebliche Sprengkraft. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wäre gut beraten, nach Kompromissen zu suchen. Sonst könnte ihr das Thema um die Ohren fliegen.